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AUSLAND/2069: Sambia - Mut zur Rebellion, männliche Beschneidung findet Fürsprecher (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 5. März 2014

Sambia: Mut zur Rebellion - Männliche Beschneidung findet Fürsprecher

von Lewis Mwanangombe


Bild: © Lewis Mwanangombe/IPS

David Mubita hat sich über die Tradition seines Volkes hinweggesetzt und beschneiden lassen
Bild: © Lewis Mwanangombe/IPS

Lusaka, 5. März (IPS) - Zunächst wurde David Mubita von seiner Familie als Unruhestifter betrachtet. Dann hätte ihn sein Großvater Ndumwa fast ausgestoßen, weil er sich am Ende heimlich und gegen die Tradition seines Volkes, der sambischen Lozi, beschneiden ließ. Inzwischen jedoch genießt Mubita den Ruf, ein weiser Mann zu sein.

Die Lozi im Westen Sambias pflegen ihre Traditionen. Als sich Mubita Anfang letzten Jahres dazu entschloss, sich beschneiden zu lassen, verstieß er nicht nur gegen die althergebrachten Sitten und Gebräuche, sondern brachte Schande über die ganze Familie.

Im Sambia wurde die männliche Beschneidung lange Zeit ausschließlich von den Luvale und den Lunda in der Nordwestprovinz, den Muslimen und den Männern der kleinen jüdischen Gemeinschaft praktiziert. Die Lozi lehnen den Eingriff ab und nennen ihn 'buhole' - Behinderung.


"Den Mut haben, mit Traditionen zu brechen"

"Ich hatte zunächst gedacht, er macht Witze. Warum sollte sich ein normaler Mann beschneiden lassen, wenn er kein Luvale ist?", erinnert sich sein älterer Bruder Lubinda an seine erste Reaktion auf Mubitas Anliegen. Und der blieb stur. Der 26-Jährige hatte im Radio gehört, dass der Eingriff die Gefahr einer HIV-Infektion beträchtlich senken kann. "Ich habe meine Entscheidung nicht bereut", sagt er heute. "Erst recht, weil so viele Menschen um uns herum an Aids sterben. Man muss den Mut haben, mit Traditionen zu brechen."

Doch mit dem Argument brauchte er seinem Großvater Ndumwa gar nicht erst kommen. Für den Vorsteher des Dorfes Kandiana kam die Entscheidung seines Enkels, sich beschneiden zu lassen, einem Angriff auf seine Autorität gleich.

"Für wen hat er das getan?", frage er wütend, nachdem er die Nachricht erfuhr. "Wenn er nicht länger mit uns leben will, soll er doch das Dorf verlassen. Sollen wir wegen ihm zu 'Ma-Wiko' werden?" Ma-Wiko ist eine abfällige Bezeichnung für die Menschen im Nachbarland Angola, wo fast alle Männer beschnitten sind. Tatsächlich ist Mubita eine Weile fortgegangen, um Gras über die Sache wachsen zu lassen. Inzwischen ist er zurück, und Diskussionen für und wider den Eingriff sind zur Normalität geworden.

Die Spannungen zwischen Mubita und Ndumwa zeigen die Schwierigkeiten, mit denen sich Vertreter der Gesundheitsbehörden im Westen Sambias konfrontiert sehen. Denn dort rennen sie mit der Kampagne für die männliche Beschneidung keine offenen Türen ein.

Ziel ist es, bis zum Jahr 2020 rund 2,5 Millionen Männer der Altersgruppe der 13- bis 39-Jährigen zu beschneiden, um auf diese Weise 340.000 HIV-Neuinfektionen zu verhindern. 2012 wurden 250.000 der Eingriffe durchgeführt, 2013 300.000 angepeilt. Im Beschneidungsmonat August ließen 30.000 Männer den Schnitt an sich vornehmen.

Studien zeigen, dass die männliche Beschneidung das HIV-Infektionsrisiko um 60 Prozent verringern kann. In Sambia beträgt die HIV/Aids-Prävalenzrate 13 Prozent und ist somit eine der höchsten weltweit. In Sambias Westprovinz liegt sie sogar bei 15 Prozent. Auch beugt die männliche Beschneidung der Übertragung des Humanen Papillomvirus (HPV) auf die Frau vor, das für Gebärmutterhalskrebs verantwortlich ist.

David Linyama ist Arzt am Lehrkrankenhaus der Universität von Lusaka. Wie er seinen Patienten erklärt, ist die männliche Beschneidung ein unkomplizierter Eingriff, der sich in höchstens 20 Minuten erledigt hat.

Das kann Mubita, Vater zweier Kinder, aus eigener Erfahrung bestätigen. "Man gab mir eine Betäubungsspritze und nach zehn Minuten war alles vorbei", berichtet er. Nach vier Tagen hatte er keine Schmerzen mehr, nach vier Wochen war die Wunde verheilt. "Ich fühle mich sicherer", sagt er. "Und auch Esther, meine Frau, ist froh, keine Angst mehr haben zu müssen, sich mit dem HPV anzustecken." Mubita weiß aber auch, dass die Beschneidung kein Persilschein für ungeschützten Sex mit unterschiedlichen Partnern ist.

Bei seiner Rückkehr nach Kandiana stieß er zunächst auf Ablehnung. Männer warfen ihm angewiderte Blicke zu, die Jungen blickten entsetzt an ihm vorbei, während die Frauen hinter seinem Rücken tuschelten.


Prominente Chiefs bekennen Farbe

Doch als sich dann zwei Chiefs als beschnitten outeten, war Mubita plötzlich so etwas wie ein Trendsetter. Gerade als die Regierung ihre Massenbeschneidungskampagne in Form von Fernsehspots, Plakaten, einer kostenlosen Hotline und einer eigenen Webseite in Gang setzte, gab Chief Mumena bekannt, sich dem Eingriff unterzogen zu haben. Der 47-Jährige ist Anführer der Kaonde, bei denen die männliche Beschneidungen ebenfalls unüblich ist. "Die Eingriffe sind gerade für das östliche und südliche Afrika so wichtig, weil diese die Epizentren der HIV/Aids-Epidemie sind", erklärte er.

Im Oktober 2013 ließ Chief Chanje von den ethnischen Tumbuka in der Ostprovinz den Eingriff an sich vornehmen und wurde von Chief Nondo, einem Mambwe aus der Nordprovinz dafür gelobt. Und natürlich ließ es sich der Häuptling der Luvale, Mdungu, nicht nehmen, die von seinem Volk traditionell durchgeführte Praxis zu rühmen. Bei den Luvale wird der Eingriff an jungen Männern nach deren Eintritt in die Pubertät in alljährlich eingerichteten Lagern vorgenommen, die 'mukanda' heißen.

Mubita hat inzwischen keinen Zweifel mehr daran, dass sich der Eingriff mittel- bis langfristig auch in seinem Dorf durchsetzen wird. "Ich bin sicher, dass selbst der alte Mann (Großvater Ndumwa), wenn er noch eine Weile lebt, in Versuchung geraten wird, sich beschneiden zu lassen." (Ende/IPS/kb/2014)


Link:

http://www.ipsnews.net/2014/03/defying-elders-changing-zambian-tradition/

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IPS-Tagesdienst vom 5. März 2014
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veröffentlicht im Schattenblick zum 6. März 2014