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AUSLAND/2105: Afghanistan - die Situation der Bevölkerung ist nach wie vor besorgniserregend (Ärzte ohne Grenzen)


Ärzte ohne Grenzen - 21. Mai 2014

Afghanistan-Konferenz in Berlin: Trotz aller Erfolgsmeldungen ist die Situation der afghanischen Bevölkerung besorgniserregend



Anlässlich der morgen in Berlin stattfindenden Konferenz zur humanitären Situation in Afghanistan sagt Frank Dörner, Geschäftsführer von Ärzte ohne Grenzen in Deutschland:

"Trotz aller Erfolgsmeldungen aus der Politik ist die Situation der afghanischen Bevölkerung besorgniserregend. Die medizinische Versorgung ist auch mehr als zwölf Jahre nach Beginn der westlichen Intervention ungenügend. Das hat eine Befragung von 800 Patienten durch Ärzte ohne Grenzen deutlich gemacht. Jeder fünfte Patient berichtet, dass im vorangegangenen Jahr ein Familienangehöriger oder ein enger Freund gestorben ist, weil er nicht rechtzeitig medizinische Hilfe erhalten hat. Von denen, die die Klinik erreicht haben, berichteten 40 Prozent von ernsten Hindernissen auf dem Weg ins Krankenhaus - durch Kämpfe, Minen, Bedrohungen und zeitraubende Checkpoints. Und manches Krankenhaus funktioniert nur auf dem Papier: Immer wieder berichten uns Patienten, dass sie zunächst Kliniken angesteuert hatten, in denen es kein ausgebildetes Personal, keine ausreichenden Medikamente oder keine Elektrizität gab.

Ein weiteres Problem: In den vergangenen Jahren haben die wichtigsten internationalen Geberländer - die auch Kriegsparteien sind - die Hilfe an ihrer Strategie zur Aufstandsbekämpfung ausgerichtet. Hilfe wurde als militärisches Instrument eingesetzt - dadurch kam sie oft nicht denen zugute, die sie am dringendsten gebraucht hätten. Politische und militärische Interessen dominieren über die Bedürnisse der Bevölkerung. Es ist dringend notwendig, dass humanitäre Hilfe und militärische Ziele wieder strikt getrennt werden."

Ärzte ohne Grenzen arbeitet mit 70 internationalen und 1.600 afghanischen Mitarbeitern in vier Krankenhäusern über das Land verteilt. Die Behandlung ist für die Patienten kostenlos. Die Organisation finanziert die Arbeit im Land nur durch Privatspenden und nimmt für die Projekte keine Regierungsgelder an.

Livestream:
Die Konferenz kann live auf unserer Internetseite verfolgt werden.
Infos dazu finden Sie unter
www.aerzte-ohne-grenzen.de/konferenz-afghanistan

Die humanitäre Situation in Afghanistan wird viel zu selten thematisiert. Die öffentliche Aufmerksamkeit richtet sich seit längerem vor allem auf den Abzug der internationalen Truppen und die Präsidentschaftswahlen. Die allzu oft beschönigende Rhetorik vieler politischer und militärischer Akteure täuscht über die Realitäten im Land hinweg: Afghanistan ist nach wie vor eines der ärmsten Länder der Welt, und große Teile der Bevölkerung haben noch immer keinen ausreichenden Zugang zu medizinischer Versorgung. Über die humanitäre Situation in vielen Landesteilen gibt es zudem kaum gesicherte Informationen.

Wie ist die Lage in Afghanistan nach mehr als 30 Jahren kriegerischer Auseinandersetzung und mehr als zehn Jahren westlicher Präsenz? Was sind die Nöte der Bevölkerung? Wo müssen internationale Hilfsorganisationen aktiver werden? Und welchen Einfluss hatte und hat die Vernetzung von zivilen und militärischen Aufgaben oder die Counter-Insurgency-Strategie auf die Arbeit der humanitären Organisationen?

Im Kontext der sich verändernden Situation in Afghanistan soll es auf der Konferenz darum gehen, aus den Erfahrungen der vergangenen Jahre zu lernen und auf die Notlage vieler Menschen im Land aufmerksam zu machen.

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Quelle:
Ärzte ohne Grenzen / Medecins Sans Frontieres
Am Köllnischen Park 1, 10179 Berlin
Pressestelle: Telefon: 030/22 33 77 00
E-Mail: office@berlin.msf.org
Internet: www.aerzte-ohne-grenzen.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 23. Mai 2014