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AUSLAND/2141: Nepal - Mehr als 40 Prozent aller Kleinkinder unterernährt (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 25. Juli 2014

Nepal: Mehr als 40 Prozent aller Kleinkinder unterernährt - Ministerien arbeiten bei Hilfsplan zusammen

von Mallika Aryal


Bild: © Mallika Aryal/IPS

Sadhana Ghimire will ihr Kind vernünftig ernähren
Bild: © Mallika Aryal/IPS

Rasuwa, Nepal, 25. Juli (IPS) - Durga Ghimire bekam ihr erstes Kind mit 18 und das zweite mit 21. Die junge Frau verstand damals nicht ganz, warum sie während der Schwangerschaften besonders auf ihre Gesundheit achten sollte. "Ich hatte keine Ahnung, dass dies Auswirkungen auf meine Babys haben würde", sagt sie heute. Auf der Terrasse ihres Hauses in Laharepauwa, etwa 120 Kilometer von der nepalesischen Hauptstadt Kathmandu entfernt, versorgt sie ihr drittes Kind, einen Säugling.

Ihre beiden älteren Töchter sind inzwischen neun und sechs Jahre alt. "Sie sind kleiner als andere Kinder in ihrem Alter", erzählt sie. "Und ihr Lehrer in der Schule sagt, dass sie auch langsamer lernen." Umso mehr versucht Durga, mit ihrem dritten Kind diesmal alles richtig zu machen.

Laut einem kürzlich veröffentlichten Bericht des Weltkinderhilfswerks UNICEF gehört Nepal zu den zehn Staaten mit den weltweit höchsten Raten an Menschen, die in ihrer Entwicklung zurückgeblieben sind. Außerdem ist das Land unter den ersten 20 Ländern mit dem größten Anteil in ihrer Entwicklung zurückgebliebener Kinder. UNICEF führt diese irreversiblen Defizite auf eine chronische Unterernährung in wichtigen Wachstums- und Entwicklungsphasen von der Geburt bis zum Alter von 59 Monaten zurück.

In Nepal sind 41 Prozent aller Kinder unter fünf Jahren betroffen. "Die Einstufung Nepals ist besorgniserregend, nicht nur im globalen Vergleich, sondern auch im Verhältnis zu anderen Ländern Südasiens", sagt Giri Raj Subedi vom Gesundheitsministerium in Kathmandu.

Aus einem 2013 verbreiteten Bericht der Nationalen Planungskommission Nepals (NPC) über die Fortschritte bei der Umsetzung der UN-Millenniumsentwicklungsziele geht hervor, dass die Rate in ihrer Entwicklung zurückgebliebener Kinder von 57 Prozent 2001 auf 41 Prozent im Jahr 2011 gesunken ist. Dennoch liegt der Anteil noch weit über der von den Vereinten Nationen anvisierten Obergrenze von 30 Prozent.

"Der Entwicklungsgrad bemisst sich an der Größe des Kindes im Verhältnis zu seinem Alter. Daraus kann man auch ableiten, wie die kognitive Entwicklung verläuft", erklärt Peter Oyloe von der US-Entwicklungsbehörde USAID, die sich als Partner an dem Projekt 'Suaahara' (gute Ernährung) der Organisation 'Save The Children' in Nepal beteiligt. Wenn es Kindern ermöglicht werde, ihr volles Entwicklungspotenzial auszuschöpfen, werde dies auch langfristige Auswirkungen auf ihre Familien, ihr Lebensumfeld und das Wohlergehen ihres Landes haben.


Gute Ernährung in der Schwangerschaft wichtig

Saba Mebrahtu, Leiterin des Referats für Ernährung bei UNICEF-Nepal, führt das Problem zu etwa 50 Prozent auf die Ernährung der Frau während der Schwangerschaft zurück. Besonders wichtig sei auch die Zeit zwischen der Zeugung eines Kindes und seinem zweiten Geburtstag, wenn Wachstum und kognitive Entwicklung normalerweise rasche Fortschritte machten.

Die 23-jährige Sadhana Ghimire wohnt in der Nachbarschaft von Durga. Obwohl sie nur wenige Häuser von Durga entfernt lebt, liegen Welten zwischen ihren Vorstellungen von richtiger Ernährung. Ihre inzwischen anderthalb Jahre alte Tochter ernährte sie in den ersten sechs Monaten ausschließlich mit Muttermilch. Da sie auch weiterhin stillt, achtet sie darauf, selbst ausreichend grünes Blattgemüse, Fleisch oder Eier sowie Reis und andere Grundnahrungsmittel zu sich zu nehmen. Ihre Erkenntnisse hat sie einer Gesundheitsarbeiterin in ihrem Dorf zu verdanken, die ihr erklärte, wie wichtig die Ernährung in den ersten 1.000 Tagen im Leben eines Kindes sei.

Für ihre Tochter mischt Ghimire einen Brei aus Getreide wie Weizen oder Hirse mit Soja oder anderen Bohnen. "Die Gesundheitsarbeiter und Suaahara haben mir schon in der Schwangerschaft gezeigt, wie ich den Brei zubereiten muss", berichtet sie. "Ich hatte außerdem keine Ahnung, dass einfache Dinge wie Händewaschen die Gesundheit meiner Tochter so nachhaltig beeinflussen können."

Selbst scheinbar normale Erkrankungen wie Diarrhö setzen Kinder in den ersten zwei Lebensjahren einem erhöhten Risiko aus, in ihrer Entwicklung zurückzubleiben. Bei schlechten Hygienebedingungen könnten sie bis zu sechs Mal im Jahr an Durchfall erkranken, sagt Mebrahtu. Die Kinder erholten sich zwar wieder, seien aber in ihrer Entwicklung zurückgeworfen.

Die hohe Nahrungsunsicherheit in Nepal ist einer der Hauptfaktoren. Etwa 77 Prozent des Landes sind Gebirgs- und Hügelgebiete, in denen mehr als die Hälfte der 27 Millionen Einwohner lebt. Am schlechtesten ist die Ernährungslage im Zentrum und im äußersten Westen. Dort tritt das Phänomen verstärkt auf, mancherorts liegt die Rate bei über 60 Prozent.


Spartenübergreifende Lösungsansätze

Den Experten ist bewusst, dass man gleichzeitig an mehreren Fronten kämpfen muss. 2009 hatte die Regierung Nepals einen Bericht über die Ernährungslage im Land erstellt. Darin wird empfohlen, ein Gerüst aus gezielten Maßnahmen zu entwerfen, um die Lücken in der Gesundheits- und Nahrungsversorgung zu schließen.

Nepal ist eines der ersten Länder, die die globale Bewegung 'Scaling Up Nutrition' (SUN) unterstützen, das unterschiedliche Ursachen für Unterernährung festgestellt hat und empfiehlt, dass seine Partner spartenübergreifend arbeiten, um Ernährungsziele zu erreichen. 2012 trafen sich Vertreter von fünf Ministerien mit NPC und Entwicklungspartnern, um den 'Multi-Sector Nutrition Plan' (MSNP) auszuarbeiten, der die Unterernährung etwa durch eine zusätzliche Verabreichung von Vitaminen und Folsäure an werdende Mütter und Entwurmungskuren für Kinder um ein Drittel reduzieren will.

Die Ministerien wollen die lokale Produktion von Nahrung sowie den Zugang zu sauberer und kostengünstiger Energie wie Biogas fördern. Der Plan befindet sich noch in einem Anfangsstadium und wird seit 2013 in sechs der 75 Distrikte Nepals umgesetzt.

Laut der Weltbank kann Mangelernährung zum Verlust von zehn Prozent des Einkommens einer betroffenen Person und zu einer bis zu dreiprozentigen Reduzierung des Bruttoinlandsprodukts eines Staates führen. (Ende/IPS/ck/2014)


Link:

http://www.ipsnews.net/2014/07/stunting-the-cruel-curse-of-malnutrition-in-nepal/

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veröffentlicht im Schattenblick zum 29. Juli 2014