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AUSLAND/2150: Uganda - Neues Gesetz sieht Zwangsmaßnahmen gegen HIV-Positive vor (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 21. August 2014

Uganda: Neuerlicher Rückschlag im Kampf gegen HIV/Aids -
Experten verurteilen Kriminalisierungs- und Zwangsmaßnahmen

von Amy Fallon


Bild: © Amy Fallon/IPS

Uganda galt lange Zeit als Pionier im Kampf gegen HIV/Aids. Doch Experten warnen vor den Folgen eines neuen Gesetzes, das auf Zwangsmaßnahmen setzt
Bild: © Amy Fallon/IPS

Kampala, 21. August (IPS) - In Uganda befürchten Aids-Aktivisten nach Inkrafttreten eines neuen Gesetzes, das im Umgang mit HIV-Positiven Zwangsmaßnahmen vorsieht, weitere Rückschläge im Kampf gegen die Immunschwächekrankheit. Es bestehe unter anderem die realistische Gefahr, dass sich Prostituierte und Homosexuelle nicht mehr freiwillig testen und behandeln ließen und in den Untergrund abtauchten.

Das Parlament hatte dem Entwurf am 13. Mai zugestimmt. Staatspräsident Yoweri Museveni überführte es am 31. Juli mit seiner Unterschrift in nationales Recht. Seit Mitte August wird es in den sozialen Medien diskutiert. Es stellt die "vorsätzliche und absichtliche" Übertragung des Virus unter Strafe, erlaubt dem Gesundheitspersonal, den HIV-Status ihrer Patienten ohne Zustimmung der Betroffenen bekannt zu machen und schreibt Zwangstests für schwangere Frauen, deren Partner und Opfer sexueller Gewalt vor.

Die ugandische Anti-HIV/Aids-Strategie galt lange Zeit als Erfolgsgeschichte. So konnte die Infektionsrate zwischen 1992 und 2005 von 18 auf 6,4 Prozent gedrückt werden. Doch das neue Gesetz gilt als klarer Rückschritt. Zudem hat Museveni damit sein Versprechen gegenüber dem UN-Aidsprogramm (UNAIDS) und Aidsaktivisten gebrochen, es nicht zu unterstützen.

"Das war eine rein populistische Entscheidung", meint dazu Kikonyongo Kivumbi von der 'Uganda Health and Science Press Association' (UHSPA-Uganda). Das Netzwerk aus Lesben, Schwulen, Bi-, Trans- und Intersexuellen (LGBTI) setzt sich für die Gesundheitsrechte sexueller Minderheiten in dem ostafrikanischen Land ein. Kivumbi verweist auf den UNAIDS-Weltfortschrittsbericht 2014, dem zufolge Uganda als nunmehr drittes Land der Welt dazu beiträgt, dass die Pandemie fortbesteht.

Andere Aktivisten hatten die Unterzeichnung des sogenannten Gesetzes zur Prävention und Kontrolle von HIV als zutiefst enttäuschend bezeichnet. Zivilgesellschaftliche Organisationen (CSOs) hatten zuvor vergeblich auf einen Termin mit Museveni gewartet, in der Hoffnung, das Gesetz verhindern zu können, das sogar von Ugandas Aids-Kommission und vom Aidskontrollprogramm abgelehnt worden war.

"Das sind schlechte Nachrichten aus Uganda. Bitte beten Sie für uns", schrieb Jacquelyne Alesi, Leiterin der Programme des Ugandischen Netzwerks für junge Menschen mit HIV/Aids (UNYPA) in einer E-Mail an IPS.

Das umstrittene Gesetz sieht für HIV-infizierte Personen, die andere wissentlich oder vorsätzlich infizieren, bis zu zehn Jahre Gefängnis und eine Geldstrafe von fünf Millionen ugandischer Schilling (1.980 US-Dollar) vor.

Einer offiziellen Erhebung von 2011 zufolge ist die HIV-Prävalenz bei Frauen mit 8,3 Prozent höher als die bei den Männern (6,1 Prozent). "Normalerweise sind es die Frauen, die HIV/Aids besonders fürchten müssen", sagt Dorcas Amoding von der Aktionsgruppe für Gesundheit, Menschenrechte und HIV/Aids (AGHA-U). "Werden sie positiv getestet und ihre Männer erfahren davon, laufen sie Gefahr, misshandelt zu werden."

Amoding befürchtet sogar, dass Frauen, die als HIV-positiv geoutet werden, nicht mehr das Eigentum ihrer verstorbenen Männer erben werden, weil viele Menschen Aids für ein Todesurteil halten. "Wenn ich also für meine Kinder den Besitz meines Mannes einfordere, kann es gut sein, dass man mir sagt, 'du stirbst morgen, du bist HIV-positiv'."

"Die meisten HIV-positiven LGBTI sterben ohnehin unbemerkt, weil sie seit der Verabschiedung des Anti-Homosexuellen-Gesetzes keine medizinischen Dienste mehr in Anspruch nehmen", berichtet Bernard Ssembatya von 'Vinacef Uganda', einer Organisation für sexuelle und reproduktive Rechte, die sich auf HIV/Aids konzentriert. Und das, obwohl das Verfassungsgericht Anfang des Monats das Anti-Schwulen-Gesetz für null und nichtig erklärt hatte.

"Viele bleiben aus Angst den Gesundheitszentren fern, und auch innerhalb des Gesundheitspersonals macht sich eine zunehmende Aversion bemerkbar, die Betroffenen zu behandeln", weiß der Experte. Das neue Gesetz werde die Zahl der Aidstoten und der Infektionen weiter in die Höhe treiben.

Nach Angaben der internationalen Organisation 'AIDS Free World' werden die Übertragung von HIV und/oder die Geheimhaltung der Krankheit gegenüber den Sexualpartnern in mehr als 60 Ländern kriminalisiert.

Die Mitglieder der Organisation 'Global Commission on HIV and the Law' verweisen indes auf Guinea, den Senegal und Togo, die in den letzten Jahren alte Gesetze überarbeitet oder neue beschlossen haben, die den Vorwurf der vorsätzlichen HIV-Übertragung nur noch für Ausnahmefälle gelten lassen. Auch Guyana hat ein entsprechendes repressives Gesetz verhindert.

In den USA gibt es in 34 Bundesstaaten Statuten, die HIV kriminalisieren. Allerdings hat Iowa ein Gesetz erlassen, dass ein solches HIV-Statut überarbeitet hat. Kivumbi führt das neue ugandische Gesetz auf den Einfluss rechter US-Republikaner auf die Gesundheitspolitik seines Landes zurück. "Wir müssen den US-republikanischen Extremisten und evangelikalen Christen sagen, dass sie den Umgang mit HIV/Aids in Uganda uns zu überlassen haben", meint er. "Nur weil uns die USA Geld geben, bedeutet das nicht, dass sie uns ihre extremistischen Vorstellungen aufdrücken können."

Uganda hat sich nach Aussagen von Kivumbi bewusst dazu entschlossen, die Pandemie als moralisches Problem anzugehen und sexuelle Enthaltsamkeit auf Kosten anderer wirksamer Maßnahmen im Kampf gegen HIV/Aids wie den Einsatz von Verhütungsmitteln zu predigen. "Wir haben Kabinettsminister, Abgeordnete und andere hochrangige Regierungsvertreter erlebt, die Menschen mit HIV/Aids als moralisch verkommen bezeichneten."

Kivumbi zufolge hat sich Museveni aus politischen Gründen für die Unterstützung des umstrittenen Aidsgesetzes entschieden. Uganda wird am 15. Oktober dem Globalen Fonds zur Bekämpfung von Aids, Tuberkulose und Malaria ein Konzeptpapier vorlegen. Außerdem will es erreichen, dass die Weltbank einen auf Eis gelegten Kredit in Höhe von 90 Millionen US-Dollar freigibt. Denn in einem Absatz des umstrittenen Gesetzes ist von Bemühungen die Rede, einen vom Gesundheitsministerium verwalteten Aids-Trustfonds ins Leben zu rufen, der unter anderem durch ausländische Regierungen und internationale Agenturen bestückt werden soll.

Ironischerweise hatte die Weltbank ihren Kredit im Februar ausgesetzt - wenige Tage, nachdem Ugandas Staatschef das Anti-Homosexuellen-Gesetz gegengezeichnet hatte. "Offenbar bildet sich der Präsident ein, dass mit der Unterzeichnung des Gesetzes, das den Aids-Trustfonds begründet, die Gelder der Weltbank fließen werden und auch der Globale Fonds einen Beitrag leisten wird", so Kivumbi. "Dieses Gesetz trampelt auf den grundlegenden Bürgerrechten herum und lässt sich mit einer freien und demokratischen Gesellschaft, die Uganda sein will, nicht vereinbaren."

Wie Dianah Nanjeho vom Ugandischen Netzwerk für Recht, Ethik und HIV/Aids (UGANET), das mit 40 Organisationen zusammenarbeitet, berichtet, will man eine Überarbeitung der umstrittenen Paragraphen durchsetzen. "Das Gesetz an sich ist gut, wir lehnen es nicht grundsätzlich ab. Wir wollen lediglich, dass zwei bis drei Änderungen vorgenommen werden." Zu den positiven Punkten zählt sie die Verpflichtung des Staates, HIV-Positive angemessen medizinisch zu versorgen, und die Gründung des Aids-Trustfonds.

Nanjeho zufolge behalten sich die CSOs, die immer noch auf ein Treffen mit Museveni hoffen, rechtliche Schritte gegen die strittigen Gesetzespassagen vor. (Ende/IPS/kb/2014)


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http://www.ipsnews.net/2014/08/no-hope-for-aids-free-generation-in-uganda-as-controversial-hiv-bill-is-signed-into-law/

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IPS-Tagesdienst vom 21. August 2014
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veröffentlicht im Schattenblick zum 23. August 2014