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ARTIKEL/1441: Anerkennung ausländischer Berufsqualifikationen - "Sprache ist das A und O" (SH Ärzteblatt)


Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt 1/2017

Fachtagung
"Sprache ist das A und O"

Von Anne Lütke Schelhowe


Durch die aktuelle Flüchtlingssituation sind auch Ärzte und Pflegekräfte ins Land gekommen. Doch die Anerkennung der ausländischen Abschlüsse ist häufig problematisch.


Der vielbeschworene demografische Wandel macht bekanntermaßen auch vor den Gesundheitsberufen keinen Halt. Im Schnitt dauert es vier Monate bis eine Alten- und Krankenpflegestelle in Schleswig-Holstein besetzt wird, so Gesundheitsministerin Kristin Alheit bei einer Fachtagung des IQ Netzwerks Schleswig-Holstein in Kiel. Gleichzeitig sei das Interesse an einer Anerkennung von ausländischen Abschlüssen bei Ärzten und Pflegepersonal enorm groß. Doch gerade die Anerkennung gestaltet sich oft schwierig. Daher hatte das IQ Netzwerk, das in Trägerschaft des Flüchtlingsrates Schleswig-Holstein e. V. und des Paritätischen Wohlfahrtsverbands Schleswig-Holstein e. V. agiert, in den Legienhof geladen, um u. a. mit Vertretern aus Politik, dem Landesamt für soziale Dienste und der Ärztekammer darüber zu diskutieren, wie man die ausländischen Fachkräfte schneller in den deutschen Arbeitsmarkt integrieren könnte.

Ralf Maier, Leiter des Referats "Anerkennung ausländischer Berufsqualifikationen" im Bundesministerium für Bildung und Forschung, führte an, dass in den Jahren 2012 bis 2015 bundesweit 63.400 Anträge auf Anerkennung eines Berufsabschlusses aus dem Ausland eingegangen sind. Davon entfielen 74 Prozent auf reglementierte Berufe, worunter auch Ärzte und Pflegepersonal fallen. 74 Prozent aller Verfahren aus allen Berufen enden laut Maier mit der Anerkennung einer vollen Gleichwertigkeit, bei Ärzten seien dies sogar 86 Prozent. Dabei ist jedoch zu bemerken, dass sich darunter auch Abschlüsse aus der EU, den USA oder Kanada befinden, die ein vergleichbares Ausbildungswesen haben.

Dr. Friedhelm Engler vom Landesamt für sozialen Dienste, das u. a. für die Erteilung der ärztlichen Approbation zuständig ist, schilderte entsprechend, dass Abschlüsse aus der EU kein Problem darstellen, während es vor allem bei Drittstaaten Probleme und längere Verfahren gebe. "Wir vollziehen nicht nach Integrationsgesetzen, sondern nach Gesetzen zum Schutz der Patienten", so Engler. Dass dies berechtigt ist, zeigte der ärztliche Geschäftsführer der Ärztekammer Schleswig-Holstein, Dr. Carsten Leffmann, auf. Die Kammer führt die Kenntnisprüfungen für das Landesamt für soziale Dienste durch, die immer dann angezeigt sind, wenn keine Gleichwertigkeit eines ärztlichen Abschlusses festgestellt werden kann. Die Prüfung findet unter realen Bedingungen mit Patientenvorstellungen statt, um zu überprüfen, ob der Kandidat über das gleiche Wissen wie ein Absolvent einer deutschen medizinischen Hochschule verfügt. Im Jahr 2015 war dies 46 Mal der Fall, die Wartezeit ist aktuell allerdings aufgrund des organisatorischen Aufwandes und steigender Antragszahlen lang, da die Prüfung in Kooperation mit Krankenhäusern stattfindet. Knapp die Hälfte der ausländischen Ärzte fällt durch diese Prüfung. Die Prüflinge seien oft nicht ausreichend vorbereitet, gleichzeitig sei die Organisation eines vorbereitenden Kurses aber schwierig, da es sich um eine ausgesprochen heterogene Gruppe handle: von Ärzten, die frisch von der Hochschule kommen, über Mediziner, die bereits einige Jahre Weiterbildung hinter sich haben, bis hin zu Hochschulprofessoren. Da im ärztlichen Beruf über die Hälfte der Diagnosen durch Anamnese erfolgen und erst dann Apparate eingesetzt werden, ist "die Sprache das A und O", so Leffmann. Ein C1-Fachsprachenniveau sei für die ärztliche Tätigkeit deshalb dringend notwendig.

Insgesamt hält Leffmann das System der Anerkennung für sehr kompliziert, langwierig und uneinheitlich. Hinzu kommt, dass viele der geflüchteten Ärzte die notwendigen Unterlagen für die Anerkennung nicht vorlegen können. Große Teile der Ärzteschaft würden deshalb ein Verfahren wie in den USA präferieren, wo alle ausländischen Ärzte das amerikanische Staatsexamen (USMLE) ablegen. Damit wäre auch gleich der Sprachtest abgehakt. Maier sprach sich dagegen für bessere Qualifizierungsmaßnahmen aus, um "die Leute dort abzuholen, wo sie stehen", und Engler wünschte sich, dass die bis zu zwei Jahre gültige vorläufige Berufserlaubnis besser genutzt werden sollte, indem die Ärzte aus dem Ausland in den Kliniken entsprechend den Anforderungen beschäftigt werden. "Die Bewerber auf die Approbation wollen Geld verdienen und verstehen die Arbeit weniger als Vorbereitung auf die Prüfung. Für sie wäre ein Curriculum sinnvoll", argumentierte Engler. Die Kenntnisprüfung kann zwei Mal wiederholt werden. Auch eine theoretische Vorbereitung wäre daher sinnvoll.


Info

ca. 50 geflüchtete Ärzte sind der Ärztekammer Schleswig-Holstein bekannt, da sie sich von selbst in Bad Segeberg gemeldet haben.


Gesamtausgabe des Schleswig-Holsteinischen Ärzteblatts 1/2017 im Internet unter:
http://www.aeksh.de/shae/2017/201701/h17014a.htm

Zur jeweils aktuellen Ausgabe des Schleswig-Holsteinischen Ärzteblatts:
www.aerzteblatt-sh.de

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Quelle:
Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt
70. Jahrgang, Januar 2017, Seite 24
Herausgegeben von der Ärztekammer Schleswig-Holstein
mit den Mitteilungen der
Kassenärztlichen Vereinigung Schleswig-Holstein
Redaktion: Dirk Schnack (Ltg.)
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Das Schleswig-Holsteinische Ärzteblatt erscheint 12-mal im Jahr.


veröffentlicht im Schattenblick zum 14. Februar 2017

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