Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt 6/2018
Fernbehandlung
Mit Augenmaß + Kontrolle
von Carsten Heppner
Trotz geänderter Berufsordnung zur Fernbehandlung wird es in Deutschland keine Fernbehandlungsindustrie geben. Die Schranken anderer rechtlicher Vorgaben bleiben bestehen.
Selten hat eine Reise so lange gedauert wie der Weg von der
zulässigen (brieflichen) Fernbehandlung über das Verbot derselbigen
zurück zur Zulässigkeit der (ausschließlichen) Fernbehandlung. Mehr
als 100 Jahre hat diese Reise benötigt. Ein Blick auf den Unterschied,
der zwischen dem historischen Ausgangspunkt und dem auf dem
diesjährigen Deutschen Ärztetag beschlossenen Standpunkt besteht,
lohnt sich: War anfänglich nur die öffentliche Ankündigung brieflicher
Behandlung wohl wegen der werbenden Wirkung untersagt, so verbot man
später zusehends die briefliche Behandlung als solche. Einen
vorläufigen Schlusspunkt setzte dann die Berufsordnung für die
deutschen Ärzte von 1937 (siehe Info unten). Im Grundsatz galt dieses
Verbot der ausschließlichen Fernbehandlung bis heute in den
Berufsordnungen der Länder fort. Die in Schleswig-Holstein und auf dem
Deutschen Ärztetag beschlossene Neuregelung des § 7 Absatz 4
(Muster-)Berufsordnung lässt künftig auch eine ausschließliche
Fernbehandlung in Verantwortung des handelnden Arztes zu. Ob eine
Beratung oder Behandlung ausschließlich aus der Ferne über
Kommunikationsmedien möglich ist, entscheidet der Arzt durch eine
jeweilige Prüfung des Einzelfalls. Die in Erfurt geführte Diskussion
hat Bedenken zur beschlossenen Öffnung erkennen lassen. Veränderungen
einer mehr als ein Jahrhundert bestehenden Verbotsnorm verursachen im
ersten Moment innere Unruhe, die sich regelhaft beim Verlassen alter
Standpunkte und dem Aufbruch zu neuen Ufern immer einstellen können.
Der Deutsche Ärztetag und die Schleswig-Holsteinische Ärzteschaft
haben diese Bedenken aufgenommen und mit Augenmaß in die Diskussion um
die Fernbehandlung einbezogen. Begrüßenswerterweise führte dann aber
trotz der Bedenken beispielsweise um Call-Center, die wie Pilze aus
dem Boden schießen könnten, die Anerkennung der aktuellen technischen
und fachlichen Möglichkeiten sowie der Patientenerwartung eines
Arzt-Patienten-Kontaktes mittels moderner Kommunikationstechniken zum
zukunftsweisenden Beschluss einer unter Verantwortung des Arztes
stehenden Fernbehandlungsmöglichkeit. Dies bedeutet gleichwohl nicht,
dass nun Tür und Tor einer unkontrollierten Fernbehandlungsindustrie
geöffnet wird. Es bleiben Schranken anderer rechtlicher Vorgaben
unbeschadet bestehen. So wird es bis auf weiteres beispielsweise keine
AU-Bescheinigung geben, ohne dass es zu einem persönlichen
Arzt-Patienten-Kontakt gekommen ist. Auch bleibt die Ausübung
ambulanter Heilkunde an die jeweiligen landesrechtlich vorausgesetzten
Vorgaben gebunden. Für Schleswig-Holstein sind diese u.a. in § 29
Absatz 2 Heilberufekammergesetz geregelt. Danach sind bei Ausübung
ärztlicher Tätigkeit Vorgaben zu beachten. So ist die Ausübung
ambulanter ärztlicher Tätigkeit etwa an die Niederlassung in Praxen
gebunden, soweit nicht gesetzliche Ausnahmen anderes (z.B. die
Tätigkeit als angestellter Arzt in einer nach dem SGB V ermächtigten
Einrichtung) gestatten. Im übrigen besteht keine Pflicht zur
ausschließlichen Fernbehandlung. Dennoch sollte zum Ziele einer
verbesserten Patientensteuerung bei der Versorgung von Patienten im
ärztlichen Bereitschaftsdienst die nun geschaffene rechtssichere
Möglichkeit eines Tele-Erstkontaktes verantwortungsvoll genutzt
werden.
1937
Aus diesem Jahr stammte die jetzt geänderte Berufsordnung für deutsche
Ärzte zum Thema Fernbehandlungsverbot: "Kranke dürfen nicht nur
brieflich oder nur fernmündlich oder auf andere Weise nur aus der
Ferne behandelt werden."
Gesamtausgabe des Schleswig-Holsteinischen Ärzteblatts 6/2018 im
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Zur jeweils aktuellen Ausgabe des Schleswig-Holsteinischen Ärzteblatts:
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*
Quelle:
Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt
70. Jahrgang, Juni 2018, Seite 37
Herausgegeben von der Ärztekammer Schleswig-Holstein
mit den Mitteilungen der Kassenärztlichen Vereinigung
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Das Schleswig-Holsteinische Ärzteblatt erscheint 12-mal im Jahr.
veröffentlicht im Schattenblick zum 15. August 2018
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