Schattenblick → INFOPOOL → MEDIZIN → GESUNDHEITSWESEN


ARTIKEL/1521: Telemedizin in Schleswig-Holstein - Chancen, Risiken und Grenzen (SH Ärzteblatt)


Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt 1/2020

Telemedizin
"Das Maximum an Bequemlichkeit"

von Astrid Schock


Chancen, Risiken und Grenzen der Telemedizin. Wo hilft Telemedizin, die Versorgung in Schleswig-Holstein zu verbessern?


Noch nicht ganz in der Praxis angekommen und schon strömen Fragen des medizinischen Fachpersonals auf Dr. Sören Holste ein: "Ein Patient konnte die App nicht downloaden, was kann er tun?" "Wie kann sich der Patient eigenständig anmelden?" Holste, der heute nur außer der Reihe in der Praxis ist, erläutert zügig die Nutzung des QR-Codes zum Download der App und wie die Patienten sich anmelden können.

Seit zwei Jahren ist Holste in der Hausarztpraxis am Herold-Center in Norderstedt in Teilzeit angestellt. Die eine Hälfte seiner Arbeitszeit behandelt der Facharzt für Allgemeinmedizin Patienten - teils herkömmlich analog, teils via Telemedizin. Die zweite Hälfte seiner Arbeitszeit verbringt Holste mit verschiedenen Projekten im Bereich der Medizinischen Informatik. Zurzeit schreibt er bei der Kassenärztlichen Bundesvereiningung in Berlin seine Masterthesis zum Thema "Elektronische Patientenakte". Eine ungewöhnliche Konstellation.

Die Begeisterung für beide Themen stellte sich bei Holste während seiner Weiterbildung im Krankenhaus ein. "Ich habe mich schnell von den medizinischen Systemen im Krankenhaus nicht verstanden gefühlt", so Holste. Anstatt die Probleme auf Umwegen zu umgehen, machte er sich an die Lösung der Probleme. "Schnell fanden die Kollegen meine Affinität zur IT heraus und ich begann mich in dem Bereich sicher zu fühlen." Holste wurde damals in die Projektgruppe des Krankenhauses aufgenommen, die sich mit der Umstellung auf die papierlose Visite beschäftigte. In dieser Zeit verfestigte sich sein Gefühl, dass die Kommunikation zwischen Arzt und ITler häufig problematisch ist. Er versucht, beide Kompetenzen zu verknüpfen. Nach Abschluss seines Facharztes stand für Holste dann fest: Er möchte beides machen, Patienten behandeln, aber auch medizinische IT-Themen wie z.B. Telemedizin bearbeiten.

Streng genommen arbeitet Holste nach eigener Aussage im Rahmen seiner Masterthesis aber nicht an einem telemedizinischen Thema. "Für mich ist die elektronische Patientenakte keine Telemedizin, sondern - zwar hochkomplex und durchdacht - aber trotzdem eher ein Konzept der Vernetzung und der Verbesserung der Zusammenarbeit zwischen Leistungserbringern durch eine gemeinsam geführte Dokumentation." Um den Begriff Telemedizin zu verwenden, gehört für Holste eine Behandlung und die Kommunikation dazu. "Nimmt man es genau, ist sogar das Telefonat mit einem Patienten Telemedizin", so Holste.

In der Norderstedter Hausarztpraxis hat die weiterführende Telemedizin dank Holste Einzug gehalten. "Dr. Sören Holste bringt neue Ideen in unsere Praxis, um die Versorgung der Patienten zu erleichtern", sagt einer der Praxisinhaber, Dr. Svante Gehring. So nutzt ein Teil der Patienten bereits die App x.patient, um mit der Praxis zu kommunizieren. Es sind kurze Nachfragen per Messenger an den Arzt oder Terminanfragen an das medizinische Assistenzpersonal möglich. Auch die Abfrage eines Medikationsplanes geht problemlos und schnell über die App. "Die Patienten, die nicht direkt eine Rückmeldung benötigen, sparen sich so den zeitaufwendigeren Telefonanruf und geben die Zeit für die brenzligen Fälle frei", sagt Holste. Eine direkte Terminvereinbarung per App ist bisher jedoch nicht möglich, weil Holste die Dringlichkeit des einzelnen Falls weiterhin dem Fachpersonal überlassen möchte. Damit möchte er Fehleinschätzungen und gefährliche Situationen vermeiden. Die App ist an die Praxissoftware Medatixx geknüpft und kann so per PC vom Praxispersonal und den Ärzten bedient werden.


Telemedizin

umfasst laut der Deutschen Gesellschaft für Telemedizin sechs Dienstleistungen der medizinischen Betreuung:

  • Home - Monitoring: Betreuungsleistungen im Haus des Patienten (z. B. ältere Patienten, Diabetiker): "häusliche Betreuung"
  • Telekonsultation: Fern-Zugriff zum Wissen oder zur Erfahrung eines Spezialisten (z. B. Teleradiologie)
  • Ferndiagnose: Diagnose für einen Patienten von einem entfernten Arzt (z. B. Telekardiologie)
  • Telemonitoring: Fernüberwachung eines Patienten, der sich nicht im Krankenhaus befindet (z. B. Fetalüberwachung)
  • Fernbetreuung: Nutzung von Fernüberwachungsdaten, um Patienten aus der Ferne zu untersuchen (z. B. Diabetiker)
  • Tele-Ausbildung: Fern-Patienten/Berufsausbildung


Auch am Projekt "Telemedizin im ländlichen Raum" des UKSH ist die Praxis mit der Liaisonsprechstunde und dem Einsatz eines Telearztrucksackes beteiligt. Eine ausgebildete Nicht-ärztliche Praxisassistentin (NäPa) wird künftig mit Rucksack und Tablet Patienten vor Ort besuchen und bei Rückfragen per Videotelefonie Rücksprache mit dem behandelnden Arzt halten können. Derzeit ist das Projekt laut Holste noch in der Findungsphase, steht aber in den Startlöchern. "Durch diese Arbeit kann wertvolle Arztzeit eingespart werden und so einem Hausarztmangel gegengesteuert werden", lautet seine Überzeugung.

Die augenärztliche Videosprechstunde nutzt die Praxis dagegen bereits. Holste hat erst kürzlich einen augenärztlichen Kollegen in Rendsburg per Videotelefonie zurate gezogen, um ein stark gerötetes Auge eines Patienten fachärztlich einschätzen zu lassen. Dem Patienten sei damit eine eventuell längere Wartezeit auf einen Termin erspart geblieben. Holste sieht die Nutzung der Videotelefonie in diesen Fällen als deutlichen Vorteil für den Patienten. Er spart sich lange Anfahrtswege, Wartezeiten und kann sofort mit der Behandlung beginnen. "Aus Sicht des Arztes kann man hier aber nicht immer eine Erleichterung in der Patientenversorgung sehen", so Holste. Hätte die Möglichkeit der Videotelefonie nicht zur Verfügung gestanden, hätte Holste überwiesen und in kürzester Zeit für den nächsten Patienten zur Verfügung gestanden. "So habe ich meine Arztzeit investiert, um Technik zu nutzen. Selbst behandelt habe ich während der Zeit schließlich nicht."

Der Einsatz der Telemedizin ermöglicht den Patienten "das Maximum an Bequemlichkeit", sollte aber an einigen Stellen auch kritisch hinterfragt werden, so Holste. Er sieht die "worried young generation", die immer mehr Arztzeit einfordert, nicht immer positiv. Durch Selbstdiagnosen per Google o. ä. bestehe ein Überversorgungspotenzial, welches durch den Einsatz von Telemedizin eingefordert werden kann. Werde auf dieses zu sehr eingegangen, fehle diese Zeit bei den Patienten, die nicht von der Telemedizin profitieren können.

Auch das Risiko einer Fehleinschätzung weist Holste nicht von der Hand. Der Einsatz der fünf Sinnesorgane sei beim Gewinnen eines klinischen Gesamteindrucks überaus wichtig. Ein Beispiel für größere Sicherheit durch körperliche Präsenz in der Praxis: Bei einer Behandlung in der Praxis kann die Lunge mit abgehört werden, bei einer Behandlung per Video besteht eventuell eine höhere Schwelle, den Patienten deshalb extra in die Praxis einzubestellen. Auch das Verlassen auf die Technik kann bei einem technischen Ausfall - gerade wenn dieser unbemerkt bleibt - ein Risiko darstellen.

"Das Thema Datenschutz dagegen ist für mich ein Problem der Telemedizin, das lösbar ist", so Holste. Er verweist in diesem Zusammenhang auf Verschlüsselungstechnologien und Data Safety. DSVGO und die Zertifizierungsstrategien der KBV helfen nach seiner Ansicht, dass ein suffizienter Datenschutz umgesetzt werden kann. Das datenschutzrechtliche Problem liegt in Holstes Augen aufseiten der Anwender: Passwörter, Logins und Sicherheitsverfahren werden häufig umgangen bzw. vereinfacht. "Diese Probleme bestehen aber nicht nur beim Einsatz von Telemedizin, auch analog vorliegende Daten können unsicher behandelt werden", so Holste. Dass nur jüngere Patienten vom Einsatz der Telemedizin profitieren, sieht er nicht. Gerade ältere Patienten hätten häufig die Zeit und auch Lust, neue Technik auszuprobieren. Mit Enkelkindern als Unterstützung werden die technischen Möglichkeiten genutzt. So mache die Abfrage nach einem Medikationsplan laut Holste doch gerade bei Patienten mit vielen Medikamenten Sinn und dies sei häufig im hohen Alter der Fall.

Zukünftig ist für Holste der Einsatz von Telemedizin im ärztlichen Alltag nicht mehr wegzudenken. Die Arztgeneration der Zukunft stamme aus den "Digital Natives". "Als ich Famulant in der Praxis war, habe ich mir Notizen auf dem Block gemacht", so Holste. Heute seien viele Famulanten mit Smartphone oder Tablet ausgestattet und hätten während der Behandlung stets sein digitales Wissensmanagement dabei. "Da werden die Symptome aufgenommen und direkt eingegeben. In kürzester Zeit kommen so bereits Vorschläge für eine Diagnose".

Um dieser Entwicklung standhalten zu können, sprießen auch im Rest des Landes zahlreiche Projekte zur Versorgungsverbesserung mit Telemedizin aus dem Boden. Die Vorteile der Telemedizin reichen von einer verbesserten spezialisierten Behandlung auf Distanz über Behandlung im häuslichen Umfeld bis zum Einsparen von Wartezeit. Auch für die sektorenübergreifende Kooperation spielt die Telemedizin eine tragende Rolle.

Das Krankenhaus Reinbek arbeitet u. a. in der Teleradiologie und Teleneurologie digital und nutzt die neuen Möglichkeiten zum Austausch mit anderen Leistungserbringern. Auch Kooperationen mit Laboren und Pathologien laufen digital, Projekte für ein sektorenübergreifendes Entlassungsmanagement und ein Patientenportal werden derzeit bearbeitet. "Mehrwert und Schnelligkeit im Austausch von Informationen" nennt das Krankenhaus als Grund, Telemedizin einzusetzen. Ist eine Idee entstanden, arbeitet das Krankenhaus Reinbek mit Pflegeheimen, ambulanten Pflegediensten, Ärztenetzen und Pflegestützpunkten gemeinsam an einer möglichen Umsetzung. Die passende Hardware in Form von Computern, Servern und mobilen Endgeräten stellt die Einrichtung zur Verfügung und eröffnet so die Wege zur Nutzung von Telemedizin für alle beteiligten Ärzte und Patienten. Nach Aussage des Krankenhauses gibt es aber Verbesserungsbedarf, wenn es um Akzeptanz und Kompetenzen geht. Das Universitätsklinikum Schleswig-Holstein (UKSH) hat sich ebenfalls mit der Akzeptanz telemedizinischer Einsätze und der Nutzungskompetenz der Patienten auseinandergesetzt. Um Pflegekräften und/oder Ärzten Zeit zu sparen, arbeitet das Team an der Weiterentwicklung des Avatars "Hospital Genius". Dieser begrüßt die Patienten des UKSH und nimmt deren Fragen entgegen. Bei Bedarf werden die Wege auf dem großen UKSH-Gelände erläutert oder personenbezogene Daten aufgenommen. Der erste menschliche Kontakt erfolgt zur eigentlichen Behandlung des Patienten im Behandlungszimmer. Ziel ist es, dass sich Ärzte und Pflegekräfte auf ihre Kernkompetenzen konzentrieren.

Diese klare Trennung zeigt die Grenzen der Telemedizin: Wo es um Empathie und persönliches Empfinden geht, sind die Möglichkeiten der Telemedizin ausgeschöpft. Die Bedenken von Dr. Christian Thomsen, der sich in seinem Leserbrief kritisch zur hausärztlichen Telemedizin äußert, bleiben bestehen.

In der Kammerversammlung der Ärztekammer Schleswig-Holstein vom April 2018 wurde bereits vor dem Deutschen Ärztetag eine Lockerung von §7 Absatz 4 einstimmig beschlossen. Die Fassung der Berufsordnung (BO) in Schleswig-Holstein besagt: "Ärzte beraten und behandeln Patientinnen und Patienten im persönlichen Kontakt. Sie dürfen dabei Kommunikationsmedien unterstützend einsetzen. Vorbehaltlich anderweitiger gesetzlicher Regelungen ist eine Beratung oder Behandlung ausschließlich über Kommunikationsmedien erlaubt, wenn diese ärztlich vertretbar und ein persönlicher Kontakt mit der Patientin oder dem Patienten nicht erforderlich ist." Thomsen verweist auf die aus seiner Sicht stets persönlich notwendige Anamnese sowohl zu Beginn einer Behandlung als auch in deren Verlauf.

Viele Menschen sehen den Datenschutz und die Hoheit über ihre Daten durch die Digitalisierung in Gefahr. Zahlreiche Gesundheits-Apps, die derzeit in den App-Stores auf den Smartphones zu finden sind, verdeutlichen die Angst: Globale Konzerne sind aus der Gesundheitsbranche nicht mehr wegzudenken, die Selbstmedikation der Patienten steigt durch Informationen aus dem Internet. Um den Risiken vorzubeugen, Telemedizin auch weiterhin ärztlich zu gestalten und die Therapiehoheit bei den Ärzten zu belassen, werden Gesundheits-Apps auch in Schleswig-Holstein entwickelt und eingesetzt.

Ein Beispiel ist das Projekt "Mein Herz" der Segeberger Kliniken und der DAK-Gesundheit. Diese App hat einen Weg gefunden, um die gesammelten Patientendaten gesichert und verschlüsselt an den behandelnden Arzt weiterzuleiten. Die Gesundheitsdaten gelangen über den Telefonanschluss direkt an die telekardiologische Abteilung der Segeberger Kliniken und können bei medizinischer Notwendigkeit an den Spezialisten weitergeleitet werden. Ein Zusatzgerät ermöglicht bei den Patienten zu Hause eine Rund-um-die-Uhr-Überwachung, bei der sich Patienten mit Herzschrittmacher/Defibrillator sicher in den eigenen vier Wänden bewegen können. Sie können also sicher sein, dass sie bei Bedarf schnell behandelt werden, ohne sich dauerhaft im Krankenhaus aufzuhalten. Herzpatienten ohne Implantate nutzen verschiedene elektronische Geräte wie Blutdruckmessgerät, Waage und EKG und senden ihre Vitaldaten ebenfalls an das Telemedizinzentrum der Segeberger Kliniken weiter. Nach Angaben der Segeberger Kliniken wird das Projekt durch einen Vertrag zur integrierten Versorgung finanziert. Für die Übernahme in die Regelversorgung fehlt noch die Empfehlung des gemeinsamen Gesundheitsausschusses.

Ein anderes Beispiel ist das Projekt PädExpert. Es ermöglicht die Vernetzung von niedergelassenen Kinder- und Jugendärzten mit Pädiatern in ganz Deutschland. Das Expertenkonsil gibt innerhalb kürzester Zeit eine Rückmeldung an den behandelnden Arzt und umfasst derzeit 21 Indikationen, u. a. aus Allergologie, Kinder-Gastroenterologie und Dermatologie. Den Patienten und Eltern erspart das lange Anfahrtswege und Wartezeiten. Eine Therapie kann, wenn nötig, schneller begonnen werden.

Die Ärztekammer Schleswig-Holstein wird das Thema im neu gegründeten Ausschuss "Digitale Transformation" vorantreiben. Ansprechpartnerin in der Ärztekammer ist Pia Hofer (Kontakt: siehe Infoleiste). Holste freut sich, als Mitglied des Ausschusses dazu beitragen zu können, dass Ärzte und Patienten die Chancen der Telemedizin in Schleswig-Holstein nutzen.


Info

In der Kammerversammlung am 27. November 2019 wurde der Ausschuss "Digitale Transformation" gegründet. Bei Fragen wenden Sie sich gern an die Zuständige der Ärztekammer, Pia Hofer, unter pia.hofer@aeksh.de, Telefon 04551 803 275

*

TELEMEDIZIN IN DER ANWENDUNG
EPI-Vista

600.000 Erkrankte in Deutschland, davon 25.000 in Schleswig-Holstein und die Hälfte noch Kinder/Jugendliche: Epilepsie gilt als eine der häufigsten chronischen Erkrankungen des zentralen Nervensystems. Laut der Deutschen Epilepsievereinigung sind "epileptische Anfälle [...] unwillkürliche Funktionsstörungen, die durch vorübergehende synchrone Entladungen größerer Nervenzellverbände an der Hirnoberfläche hervorgerufen werden". Störungen etwa in Sprache, Motorik und Bewusstsein gehen mit einem epileptischen Anfall einher. Gerade für Kinder und Jugendliche, die den Eintritt eines Anfalls nicht vorausahnen können, bestehen große Verletzungsgefahren. Um sich ein verbessertes Bild der Krankheit machen zu können, bietet EPI-Vista eine Plattform an, die als digitaler Anfallkalender genutzt werden kann. Auch eine gemeinsame Dokumentation mit dem behandelnden Arzt zum Anfallgeschehen und der Behandlung sind möglich.

Die Idee zur Nutzung von EPI-Vista wurde von PD Dr. Rainer Boor, ehemaliger ärztlicher Leiter des Norddeutschen Epilepsiezentrums, entwickelt. "Ziel war die Verbesserung der Epilepsietherapie bei Kindern und Jugendlichen durch eine kontinuierliche Dokumentation und die Objektivierung der Beurteilung von Effekten der Medikation und durch die Möglichkeit kurzfristiger Anpassungen der Medikamente", so das DRK-Norddeutsche Epilepsiezentrum für Kinder und Jugendliche, das EPI-Vista bei seinen Patienten erfolgreich einsetzt. Derzeit arbeiten 75 Patienten mit der Plattform, dokumentieren ihre Erkrankung auf ihr und kommunizieren mit den ärztlichen Teams. Aktuell werden nach Angaben des DRK-Zentrums etwa 1500 EPI-Vista Nachrichten pro Jahr vom ärztlichen Team des NEZ beantwortet. Die Familien nennen als größten Vorteil die Sicherheit, unkompliziert und schnell eine Rückmeldung auf entstehende Fragen zu erhalten.


Telemedizinisches Schlaganfallnetzwerk Nord-Ost

Bei einem Schlaganfall zählen für den Patienten nicht nur die ersten Sekunden, sondern auch die weitere Behandlung. Eine schnelle, professionelle Betreuung ist ausschlaggebend, um Folgeschäden möglichst gering zu halten. Die benötigte neurologische Expertise ist jedoch nicht in jedem Krankenhaus des Landes verfügbar. Hier setzt das Telemedizinische Schlaganfallnetzwerk Nord-Ost an.

Als früherer Netzwerkkoordinator des Telemedizinischen Schlaganfallnetzwerkes Rheinland-Pfalz sah PD Dr. Frederick Palm die Vorteile des Projektes auch für Schleswig-Holstein. Die langen Anfahrtswege, um die nächste Neurologie zu erreichen, können mit dem Netzwerk per Videotelefonie überwunden werden und jeder Patient kann 365 Tage im Jahr rund um die Uhr neurologische Expertise erhalten. "Die Telemedizin ermöglicht es, Patienten frühzeitig neurologisch zu untersuchen und frühzeitig eine Akuttherapie wie die Lysetherapie einzuleiten bzw. den Patienten weiteren Therapien zuzuführen", sagt Palm, Chefarzt der Klinik für Neurologie der Helios Klinik Schleswig. Das Projekt startete am 1. Juni 2019 und verzeichnete bis zum Oktober 160 untersuchte Patienten. Insgesamt 15 Lysetherapien konnten laut Palm vorgenommen werden. Eine Ausweitung der neurologischen Untersuchungen auf den präklinischen Bereich hält Palm für denkbar. Telemedizin im Rettungswagen könne die Akutversorgung deutlich beschleunigen. Modellprojekte, insbesondere zur Forschung, in denen ärztliche Behandlungen ausschließlich über Kommunikationsnetze vorgenommen werden, bedürfen der Genehmigung durch die Landesärztekammer und sind zu evaluieren.


i²TransHealth

"Der Wunsch, als Angehöriger eines anderen Geschlechtes zu leben und anerkannt zu werden", so beschreibt die WHO Transsexualität. In Deutschland haben nach Angaben des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz in den Jahren 1981 bis 2016 etwa 27.000 Verfahren nach dem Transsexuellengesetz zur Namens- und Personenstandsänderung stattgefunden. Auch in Schleswig-Holstein leben trans Personen, die in bestimmten Angelegenheiten eine bedarfsgerechte medizinische Behandlung wünschen bzw. diese auch benötigen. Das Projekt i²TransHealth des Instituts für Sexualforschung, Sexualmedizin und Forensische Psychiatrie des UKE unter der Projektleitung von Dr. Timo O. Nieder möchte genau diese Probleme beseitigen und den Menschen in unterversorgten Gebieten eine fachlich korrekte Behandlung ermöglichen. Durch mangelnde Kenntnisse und fehlende Versorgungsstrukturen kommt es laut Projektinitiatoren häufig zu Fehlbehandlungen, und Transsexuelle fühlen sich missverstanden, nicht ausreichend behandelt und Behandlungsunzufriedenheit entsteht. "Sind trans Menschen nicht ohnehin aufgrund von Stigmatisierungen vermehrt psychischen Belastungen ausgesetzt, kommen somit auch mangelhafte Versorgungssituationen hinzu", so die Projektinitiatoren. Möchten trans Menschen ihr Recht auf eine adäquate Behandlung in speziellen Einrichtungen nutzen, stehen oft weite Anfahrtswege, mögliche Fehlzeiten am Arbeitsplatz oder auch finanzielle Erschwernisse im Weg. Mit Online-Interventionen, internetgestützten Videosprechstunden mit geschulten Therapeuten und der lokalen Vernetzung mit ärztlichen Kooperationspartnern vor Ort soll das Projekt dazu beitragen, die Lebensqualität und medizinische Versorgung der Studienteilnehmer deutlich zu verbessern. Die kooperierenden Ärzte decken sechs Regionen in Norddeutschland ab und wurden im Vorfeld direkt vom Projektleiter angesprochen.


Gesamtausgabe des Schleswig-Holsteinischen Ärzteblatts 1/2020 im Internet unter:
http://www.aeksh.de/shae/2020/202001/h20014a.htm

Zur jeweils aktuellen Ausgabe des Schleswig-Holsteinischen Ärzteblatts:
www.aerzteblatt-sh.de

*

Quelle:
Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt
73. Jahrgang, Januar 2020, Seite 18 - 21
Herausgegeben von der Ärztekammer Schleswig-Holstein
mit den Mitteilungen der Kassenärztlichen Vereinigung
Schleswig-Holstein
Bismarckallee 8-12, 23795 Bad Segeberg
Telefon: 04551/803-272, -273, -274,
E-Mail: aerzteblatt@aeksh.de
www.aeksh.de
www.arztfindex.de
www.aerzteblatt-sh.de
 
Das Schleswig-Holsteinische Ärzteblatt erscheint 12-mal im Jahr.


veröffentlicht im Schattenblick zum 18. Februar 2020

Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang