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POLITIK/1908: Interview - "Wir müssen der Pflege eine Stimme geben" (SH Ärzteblatt)


Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt 6/2018

Pflege
"Wir müssen der Pflege eine Stimme geben"

Gespräch von Dirk Schnack mit Patricia Drube


Patricia Drube wurde kürzlich zur ersten Präsidentin der neuen Pflegeberufekammer Schleswig-Holstein gewählt. Im Gespräch mit Dirk Schnack verrät sie, wo sie Schwerpunkte setzen möchte.


SHÄ:
Frau Drube, herzlichen Glückwunsch zur Wahl! Wann haben Sie sich erstmals mit dem Gedanken auseinandergesetzt, dass Sie Präsidentin der Pflegeberufekammer werden könnten?

Patricia Drube: Erst während meiner Tätigkeit im Errichtungsausschuss. Als Vorsitzende des Ausschusses wurde ich ja häufig von Kritikern mit Bedenken und Vorurteilen gegen die Kammergründung konfrontiert. Das hat meinen Ehrgeiz geweckt, die Skeptiker zu überzeugen. Das ist eine Aufgabe, die ja nicht mit der konstituierenden Kammerversammlung erledigt ist.

Das Thema Pflegeberufekammer beschäftigt Sie doch aber nicht erst seit Ihrer Mitarbeit im Errichtungsausschuss.

Drube: Das ist richtig. Seit 2008 bin ich als Referentin beim Deutschen Berufsverband für Pflegeberufe (DBfK) hauptberuflich tätig und in dieser Zeit spielte das Thema Pflegeberufekammer immer wieder eine Rolle. Dass ich aber zur ersten Präsidentin dieser Kammer gewählt werden würde, war nie Thema. Ich habe immer damit gerechnet, dass eine Kollegin, die in der Versorgung tätig ist, gewählt wird.

Befördert die Wahl einer hauptamtlichen Referentin zur Präsidentin nicht die Bedenken, dass mit Gründung der Pflegeberufekammer neue Posten für die geschaffen werden, die ohnehin schon Funktionen haben?

Drube: Es kann sein, dass das von manchen so gesehen wird. Ich fühle mich meinen versorgenden Kolleginnen und Kollegen aber sehr nahe, auch, weil ich sie in meiner hauptamtlichen Tätigkeit als Referentin täglich berate. Und es ist ja nicht so, dass die gewählten Mitglieder der Kammerversammlung keine Wahl gehabt hätten. Sie haben sich ja ganz bewusst mit für mich entschieden, schließlich war ich nicht die einzige Kandidatin.

Was bedeutet die Wahl für Sie jetzt beruflich?

Drube: Ich hatte meine Stundenzahl für den Verband schon seit der Arbeit im Errichtungsausschuss von 42 auf 34 pro Woche reduziert. Ich habe beantragt dass diese Kürzung verlängert wird, um genügend Zeit für das neue Amt zu haben.

Kritik an der Kammergründung gab es reichlich. Nun ist die Wahlbeteiligung mit nicht einmal 20 Prozent gering ausgefallen. Was werden Sie tun, um das Bewusstsein für die Notwendigkeit einer Pflegeberufekammer unter Ihren Kolleginnen und Kollegen stärker zu verankern?

Drube: Zunächst zur Wahlbeteiligung: 20 Prozent ist keine starke Beteiligung, aber auch nicht so überraschend. Dies zeigt, dass viele Kolleginnen und Kollegen noch nicht so recht wissen, warum eine Pflegeberufekammer wichtig für sie sein könnte. Das beschäftigt uns intensiv, daran werden wir arbeiten.

Das heißt konkret?

Drube: Aktuell vermissen viele Pflegende, dass sich jemand wirksam für sie einsetzt. Sie haben das Gefühl, dass es egal ist, was sie tun oder sagen - in den vergangenen Jahren hat sich einfach zu wenig in ihrem Sinne verändert. Wir müssen als Pflegeberufekammer zeigen, dass wir der Pflege eine Stimme geben können und dass diese Stimme in der Öffentlichkeit auch wahrgenommen wird. Dafür ist der Pflegeberufekammer zunächst die direkte Rückkopplung mit der Basis wichtig.

Was werden die wichtigsten Tätigkeitsfelder der neuen Pflegeberufekammer sein?

Drube: Ein wichtiger Punkt - auch wenn es sich dabei um ein bundesweites Thema handelt - ist die Umsetzung der neuen Pflegeausbildung, die wir mit unserer Expertise aus dem Berufsstand begleiten müssen. Wir werden Daten und Fakten zum Potenzial der Pflegeberufe liefern und der Politik Handlungsvorschläge zur Versorgung unterbreiten, übrigens gerne in Abstimmung mit den ärztlichen Organisationen. In der Diskussion um Personaluntergrenzen in der Pflege werden wir dafür eintreten, dass Patienten sich auf ein angemessenes Niveau in der Pflege verlassen können. Daneben sind natürlich Themen wie Fort- und Weiterbildung, Berufsordnung etc. originäre Themen der Pflegeberufekammer.

Stichwort Personaluntergrenzen: Der Bundesgesundheitsminister hat angekündigt, dass das Pflegepersonal deutlich aufgestockt wird. Wie lässt sich erreichen, dass mehr Menschen den Pflegeberuf ergreifen?

Drube: Wir brauchen unverzüglich einen Masterplan unter Einbindung aller Beteiligten. Als Kammer können wir dazu beitragen, dass unsere Mitglieder ihre anspruchsvolle Tätigkeit auch als solche nach außen kommunizieren. Das hat etwas mit Haltung zu tun! Wir kommen in der Pflege in Deutschland nicht weiter, wenn wir uns einen Wettbewerb um die Arbeitskräfte liefern, die woanders nicht unterkommen. Unsere Zielgruppe sind die Abiturienten! Denen müssen wir deutlich machen, dass der Pflegeberuf eine attraktive Alternative zu anderen Berufen ist, die auf Bachelor-Niveau einsteigen. Aber auch die Politik muss handeln. Es muss deutlich mehr Geld für die Pflege fließen und vor allem muss sichergestellt werden, dass dieses Geld auch beim Pflegepersonal ankommt.

Da spielt dann aber das Thema Bezahlung eine noch größere Rolle. Eine solche Aufwertung kostet Geld ...

Drube: ... das die Arbeit der Pflegenden aber wert ist. Es ist zwar nicht originäre Aufgabe einer Pflegeberufekammer, aber wir werden darauf hinweisen, dass die anspruchsvolle Pflegetätigkeit auch entsprechend honoriert werden muss. Das hat etwas damit zu tun, wie unsere Gesellschaft die Pflege bewertet.

Das gilt für Sie unabhängig davon, ob im Krankenhaus oder im Altenheim gepflegt wird?

Drube: Ganz klares Ja. Die Pflege alter Menschen hat in unserer Gesellschaft viel zu lange nicht den Stellenwert genossen, der ihr zusteht. Ich halte es für falsch, dass zwischen Pflegenden im Altenheim und Pflegenden im Krankenhaus eine solche Diskrepanz in der Vergütung besteht.

Pflegeberufe sind bislang weder gewerkschaftlich noch berufspolitisch besonders stark organisiert. Können Pflegeberufekammern daran etwas ändern?

Drube: Pflegeberufekammern können dazu beitragen, unter den Pflegenden das Bewusstsein zu stärken, dass man sich überhaupt organisieren kann und sollte. Wir als Pflegeberufekammer können Lösungen nicht erzwingen. In manchen Fragen gelingt dies Verbänden und Allianzen viel besser. Erfolg hat etwas damit zu tun, dass man sich organisiert. Diese Haltung können wir als Kammer befördern.

Dazu müssten Sie aber zunächst die noch immer zahlreichen Kritiker einbinden.

Drube: Es stimmt, wir müssen in den Dialog kommen. Wir müssen von den Mitgliedern an der Basis immer wieder hören, was sie in ihrem beruflichen Alltag brauchen und welche politischen Entscheidungen sie ärgern. Ohne diesen Dialog geht es nicht. Deshalb werden wir Rede und Antwort stehen.

Das werden Sie künftig von wo aus machen? Neumünster war ja vorerst nur der Sitz des Errichtungsausschusses.

Drube: Neumünster liegt zentral und wir haben im Errichtungsausschuss sehr gute Erfahrungen mit diesem Standort gesammelt. Ich würde es begrüßen, wenn wir uns für Neumünster als Sitz der Pflegeberufekammer aussprechen und in den Räumen des früheren Errichtungsausschusses weiterarbeiten könnten.

Schleswig-Holstein war erst das zweite Bundesland, in dem eine Pflegeberufekammer gegründet wurde. Schon werden Rufe nach einer Bundespflegekammer laut. Ist das zu diesem Zeitpunkt sinnvoll?

Drube: Ich glaube, dafür ist es noch zu früh, auch wenn im August in Niedersachsen die dritte Landespflegekammer folgt. Wichtiger wäre aus meiner Sicht, dass wir uns zunächst in einer Arbeitsgemeinschaft zusammenfinden, uns in wichtigen Themen abstimmen und Fragen der Fort- und Weiterbildung harmonisieren. Mittelfristig halte ich eine Bundespflegekammer zwar für sinnvoll. Wenn wir das aber übers Knie brechen, ist das Wasser auf die Mühlen derjenigen, die uns vorwerfen, es ginge nur um Posten. Das Gegenteil ist der Fall: Es geht darum, die Rahmenbedingungen in der Pflege zu verbessern.

Vielen Dank für das Gespräch.


Info

Die Pflegeberufekammer hat mehr als 21.000 Mitglieder und ist damit die größte Heilberufekammer in Schleswig-Holstein.


Bildunterschriften der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildungen der Originalpublikation:

- Patricia Drube, erste Präsidentin der Pflegeberufekammer Schleswig-Holstein.

- Patricia Drube beim Interview mit dem Schleswig-Holsteinischen Ärzteblatt in den Büroräumen der Pflegeberufekammer in Neumünster. Vizepräsident ist Frank Vilsmeier (Gesundheits- und Krankenpflege). Weitere Vorstandsmitglieder sind Brigitte Kaack (Kinderkrankenpflege), Carola Neugebohren (Krankenpflege), Marco Sander (Altenpflege), Dr. Anke Fesenfeld (Gesunheits- und Krankenpflege) und Frank Bourvé (Gesundheits- und Krankenpflege).


Gesamtausgabe des Schleswig-Holsteinischen Ärzteblatts 6/2018 im Internet unter:
http://www.aeksh.de/shae/2018/201806/h18064a.htm

Zur jeweils aktuellen Ausgabe des Schleswig-Holsteinischen Ärzteblatts:
www.aerzteblatt-sh.de

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Quelle:
Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt
70. Jahrgang, Juni 2018, Seite 18 - 19
Herausgegeben von der Ärztekammer Schleswig-Holstein
mit den Mitteilungen der Kassenärztlichen Vereinigung
Schleswig-Holstein
Redaktion: Dirk Schnack (Ltg.)
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Das Schleswig-Holsteinische Ärzteblatt erscheint 12-mal im Jahr.


veröffentlicht im Schattenblick zum 25. Juli 2018

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