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POLITIK/1772: Nationale Strategie zur Drogen- und Suchtpolitik passiert das Bundeskabinett (BMG)


Die Drogenbeauftragte der Bundesregierung - Berlin, 15. Februar 2012

Nationale Strategie zur Drogen- und Suchtpolitik der Drogenbeauftragten der Bundesregierung passiert das Bundeskabinett

Dyckmans: Richtungsweisender Schritt für die Drogen- und Suchtpolitik der nächsten Jahre


Die Nationale Strategie zur Drogen- und Suchtpolitik hat heute das Bundeskabinett passiert. Die Nationale Strategie wurde von der Drogenbeauftragten der Bundesregierung zusammen mit dem Bundesministerium für Gesundheit entwickelt und wird von allen Bundesressorts getragen. Sie beschreibt die Grundlagen und Herausforderungen der Drogen- und Suchtpolitik der nächsten Jahre und löst den Aktionsplan Drogen und Sucht von 2003 ab. Hauptziele der Strategie sind die Reduzierung des Konsums legaler und illegaler Suchtmittel sowie die Vermeidung drogen- und suchtbedingter Probleme.

Dazu erklärt die Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Mechthild Dyckmans: "Die Nationale Strategie stellt die Suchtpolitik auf eine moderne und aktuelle Grundlage und nimmt sich neuer Herausforderungen an."

Dazu gehören die demographische Entwicklung, Konsummuster wie der Mischkonsum, neue Suchtformen, wie die Onlinesucht, aber auch neue Substanzen. Die Strategie betont die zentrale Bedeutung der Gesundheitsförderung und Prävention in der Gesundheitspolitik. Sie setzt einen besonderen Schwerpunkt auf zielgruppenspezifische Suchtprävention, Gesundheitsförderung und Frühintervention. Darüber hinaus bezieht sie Maßnahmen zur Beratung und Behandlung, Hilfen zum Ausstieg, Maßnahmen zur Schadensreduzierung sowie gesetzliche Maßnahmen mit ein. Für die einzelnen Suchtstoffe und Suchtformen werden in der Strategie konkrete Zielsetzungen beispielhaft aufgeführt und mit Maßnahmen unterlegt.

"Es ist unser Ziel, dass Suchterkrankungen möglichst gar nicht erst entstehen," so die Drogenbeauftragte. "Daher ist es wichtig, besonders Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene frühzeitig mit präventiven Maßnahmen zu erreichen, vor allem in der Schule und in der Ausbildungsstätte. Eltern und Ärzte sollen mehr darin unterstützt werden, Risiken frühzeitig zu erkennen und Suchtentwicklungen vorzubeugen. Es kommt auch darauf an, die Erwachsenen mit Suchtprävention zu erreichen, z.B. in den Betrieben und im Krankenhaus. Die Qualität der Behandlung suchtkranker Menschen muss durch die Ausrichtung an den speziellen Bedürfnissen des Einzelnen verbessert werden. Niemand darf künftig mehr an den vielfältigen und komplexen Schnittstellen zwischen Beratungsstellen, ambulanten und stationären Suchthilfeeinrichtungen, Rehabilitation, Arbeitsvermittlung, oder der Jugendhilfe verloren gehen."

"Der Mensch mit seinen individuellen Bedürfnissen steht bei unseren Aktivitäten im Mittelpunkt, nicht seine Abhängigkeit." so Mechthild Dyckmans, "Die Nationale Strategie versteht sich in diesem Sinne als Leitlinie für eine moderne Drogen- und Suchtpolitik in Deutschland. Sie findet zeitgemäße Antworten auf die aktuellen suchtpolitischen Herausforderungen unserer Zeit. Ich bin zuversichtlich, dass die Strategie einen erfolgreichen Beitrag dazu leisten wird, die drogen- und suchtbedingten Probleme in Deutschland zu reduzieren. Deshalb setze ich mich dafür ein, dass wir die Strategie nun mit allen Akteuren gemeinsam umsetzen."

Die Nationale Strategie sowie Hintergrundinformationen finden Sie unter:
www.drogenbeauftragte.de


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ANLAGE

Hintergrundinformationen zur Vorstellung der Nationalen Strategie zur Drogen- und Suchtpolitik

Sucht und Abhängigkeitserkrankungen sind gesellschaftliche Probleme, die im Interesse der betroffenen Menschen ein Zusammenwirken aller Kräfte erfordern. Mit der, auf Initiative der Drogenbeauftragten vorgelegten "Nationalen Strategie zur Drogen- und Suchtpolitik" wird der "Aktionsplan Drogen und Sucht" aus dem Jahr 2003 abgelöst. Die Strategie beschreibt die übergreifende nationale Ausrichtung der Drogen- und Suchtpolitik für die nächsten Jahre in Deutschland.

Das Leitmotiv der Nationalen Strategie ist: "Der Mensch im Mittelpunkt". Die Strategie stellt den abhängigen Menschen mit seinen individuellen Bedürfnissen in den Mittelpunkt, nicht den einzelnen Suchtstoff.

Die Nationale Strategie ist in ihrer Zielsetzung und in ihrem Vorhaben Teil der derzeit in Vorbereitung befindlichen allgemeinen Präventionsstrategie der Bundesregierung. Beide Strategien betonen die zentrale Bedeutung der Gesundheitsförderung und Prävention in der Gesundheitspolitik.

Die Drogen- und Suchtpolitik steht vor neuen Herausforderungen. Dazu zählen unter anderem der demographische Wandel, der gesellschaftliche Umbruch, alte und neue Suchtformen und entsprechende Konsumtrends. Stärker als bisher muss nicht nur die Abhängigkeit in den Blick genommen werden, sondern auch riskantes Konsumverhalten und gesundheitsschädliches Verhalten, auch wenn es nicht zwingend zu einer Abhängigkeit führt.

Das in Deutschland bestehende System der Prävention und Suchthilfe bietet gute Voraussetzungen, um den neuen Herausforderungen zu begegnen. Es gibt in einigen Bereichen Optimierungsbedarf, in anderen müssen die bisherigen erfolgreichen Ansätze kontinuierlich fortgesetzt werden, in einigen sind neue Schwerpunktsetzungen erforderlich.

Die Strategie legt im ersten Teil die aktuellen suchtpolitischen Herausforderungen dar und zeigt die Eckpunkte zur Ausgestaltung der Drogen- und Suchtpolitik auf. In einem zweiten Teil werden anhand wesentlicher Suchtstoffe und stoffunabhängiger Suchtformen konkrete Ziele beispielhaft aufgeführt und mit Maßnahmen unterlegt.


1. Teil: Herausforderungen und Eckpunkte

Demographische und gesellschaftliche Entwicklungen

Demographische und gesellschaftliche Entwicklungen führen dazu, dass die Bedeutung von Suchterkrankungen im Alter zunimmt. Veränderte Formen des Zusammenlebens und eine Vereinzelung des Menschen führen zum Verlust von Sicherheit, zu Überforderung und Überlastung, die teilweise mit einem problematischen Konsumverhalten ausgeglichen werden.

Neue Suchtformen, Trends und Konsummuster

In den letzten Jahren haben sich die Verhaltensmuster beim Suchtmittelkonsum verschoben. Riskante Konsumformen, Mischkonsum aber auch das Auftauchen neuer synthetischer Substanzen (sog. "legal highs") machen neue Ansätze in der Drogen- und Suchtpolitik notwendig.

Auch die Entwicklung hin zur Wissensgesellschaft und die verbreitete Nutzung digitaler Medien stellt die Suchtpolitik vor neue Herausforderungen. Das Internet bietet einerseits eine Vielzahl von Möglichkeiten im Bereich der Prävention, beispielsweise um Betroffene frühzeitig zu erreichen. Andererseits führt die Nutzung von Computer und Internet bei einem Teil der Nutzer zunehmend zu einem exzessiven Gebrauch und in extremen Fällen zum Verlust der Selbstkontrolle bis hin zu einem Abhängigkeitsverhalten.

Prävention auf Risikogruppen ausrichten

Prävention und Gesundheitsförderung stehen im Vordergrund einer modernen Drogen- und Suchtpolitik. Sie sind der wesentliche Ansatz für die Stärkung der Selbstkompetenz, um das eigene Leben verantwortlich gestalten zu können. Prävention muss zielgenauer werden und sich mehr auf Risikogruppen fokussieren. Stärker als bisher muss der Schwerpunkt auf den Gefahren der Suchtentstehung, auf riskanten Konsummustern und der Entwicklung von Kompetenzen im Umgang mit den Risiken liegen.

Frühintervention ausbauen

In Deutschland stehen für Suchtkranke vielfältige Hilfsangebote zur Verfügung. Es bestehen jedoch Defizite in der Inanspruchnahme dieser Angebote. Zu wenige Menschen werden rechtzeitig erreicht. Die Frühintervention, besonders im Bereich der ärztlichen Behandlung, muss ausgebaut werden.

Mehr Menschen vor Ort erreichen - Betriebliche Suchtprävention ausbauen

Ein wichtiger Ort, an dem Menschen verschiedener Altersgruppen und Schichten für ein stärker gesundheitsförderliches Verhalten erreicht werden können, ist der Arbeitsplatz. Wir müssen die betriebliche Suchtprävention ausbauen und mit unseren Maßnahmen in die Betriebe gehen.

Professionelle Zusammenarbeit stärken - Netzwerke bilden

Das Drogen- und Suchthilfesystem ist in Deutschland weitgehend subsidiär aufgebaut und auf unterschiedliche Zuständigkeiten verteilt. Verschiedene und teilweise voneinander getrennt agierende Hilfe- und Beratungsangebote in der Suchthilfe, Jugendhilfe, Schule, Sozial- und Arbeitsverwaltung und im Gesundheitssystem arbeiten zu häufig neben - statt miteinander. Wir müssen daher die professionelle Zusammenarbeit an den Schnittstellen stärken und Netzwerke bilden, damit kein Suchtkranker auf dem Weg verloren geht.

Geschlechtersensibilität durchgehend verankern

Nach wie vor bestehen bei Suchterkrankungen große Unterschiede zwischen den Geschlechtern. Die spezifischen Gründe weiblichen und männlichen Suchtverhaltens sowie deren Verlauf und Ursachen müssen in der Suchtprävention gesondert betrachtet werden.

Eine wichtige Zielgruppe in der Prävention sind Schwangere und deren Konsumverhalten. Die Strategie setzt darauf, gezielt diejenigen zu erreichen, bei denen ein problematischer Konsum zu befürchten ist.

Forschung gezielt ausrichten, Maßnahmen evaluieren

Insbesondere die anwendungsbezogene Forschung muss im Suchtbereich weiter verstärkt werden, um die Wirksamkeit drogen- und suchtpolitischer Konzepte und Initiativen durch evidenzbasierte und evaluierte Maßnahmen zu erhöhen. Forschung muss sich auch neuer Erkrankungen, wie der Onlinespielsucht und der neu auftauchenden psychoaktiven Substanzen annehmen.

Alle Ansätze in der Prävention, Suchthilfe, Schadensminimierung und Repression zur Verringerung des Drogen- und Suchtmittelkonsums müssen wirksam sein und sind auf ihre Wirkung und Relevanz zu prüfen. Dies gilt in besonderem Maße in Zeiten knapper Finanzen, um die vorhandenen Mittel möglichst zielgerichtet einsetzen zu können.

Passgenaue Beratung und Behandlung

Ratsuchende und Suchtkranke haben einen Anspruch darauf, die für sie maßgeschneiderten Hilfen zu erhalten. Dies gilt z.B. für Menschen mit Migrationshintergrund ebenso wie für Alleinerziehende mit Kindern, Ältere oder Behinderte.


2. Teil: Beispiele: konkrete Ziele und Maßnahmen

* Alkohol:

- Stärkung der Elternkompetenz beim Alkoholkonsum von Jugendlichen.
- Ausbau erfolgreicher Maßnahmen der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) wie "Alkohol - Kenn dein Limit".
- Stärkung der Frühintervention durch Ärzte und medizinisches Personal.
- Projekte zur Alkoholprävention in Betrieben.
- Förderung der Punktnüchternheit in der Schwangerschaft und Stillzeit.

* Tabak:

- Ausbau der Beratungsangebote in Gesundheitsberufen durch Aus- und Fortbildungsangebote zum Nichtrauchen.
- Prüfung der Verbesserung der ärztlichen Behandlung zur Tabakentwöhnung schwerkranker Raucher und Raucherinnen.

* Medikamentenabhängigkeit:

- Aufarbeitung des Medikamentenmissbrauchs zur kognitiven Leistungssteigerung und zur Verbesserung des psychischen Wohlbefindens.

* Glücksspiel:

- Stärkung des Spieler- und Jugendschutzes sowie der Prävention der Glücksspielsucht bei der Novellierung der Spielverordnung (technische und spielerbezogene Maßnahmen).

* Onlinesucht:

- Verbesserung der Datenlage zum kritischen oder abhängigen Onlinegebrauch.
- Stärkung der Medienkompetenz bei Jugendlichen, Unterstützungsangebote für Eltern und Lehrer.

* Illegale Drogen:

- Prävention und Aufklärung zu neuen synthetischen Drogen, wie sog. "legal highs".
- Gezielte Präventionsangebote für junge Partygänger und zum riskanten Mischkonsum.


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Quelle:
Die Drogenbeauftragte der Bundesregierung
Pressemitteilung Nr. 1 vom 15.02.2012
Bundesministerium für Gesundheit
Friedrichstraße 108, 10117 Berlin
POSTANSCHRIFT: 11055 Berlin
TEL +49 (0)30 18441-1452
FAX +49 (0)30 18441-4960
E-Mail: drogenbeauftragte@bmg.bund.de
Internet: www.drogenbeauftragte.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 17. Februar 2012