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STELLUNGNAHME/211: Zur Bertelsmann Studie - "Unfaire Kampagne gegen Krankenhäuser" (VLK)


Verband der leitenden Krankenhausärzte Deutschlands e.V. - 17. Juli 2019

Verband der Leitenden Krankenhausärzte Deutschlands e.V. (VLK) wehrt sich gegen die Bertelsmann Studie zur Neuordnung der Krankenhaus-Landschaft: "Unfaire Kampagne gegen Krankenhäuser"


Düsseldorf - Fast alle im Gesundheitswesen haben in letzter Zeit signalisiert, dass sie bereit sind, gemeinsam konstruktiv eine bedarfsgerechte Krankenhauslandschaft zu gestalten. Dabei wird man auch über die Schließung oder Umwidmung des ein oder anderen Standortes nachdenken müssen, um einen gesunden Mix an Kliniken zu realisieren, der einerseits einer wohnortnahen Versorgung einer älter werdenden Bevölkerung gerecht wird und andererseits komplexe Eingriffe den Maximal- und Schwerpunktversorgern vorbehält.

Mit diesem Angebot war die Hoffnung verbunden, dass die pauschale Verunglimpfung kleinerer und mittlerer Krankenhäuser - ohne jeden Bezug zur Qualität ihrer Arbeit - eingestellt wird.

Warum jetzt dieser erneute Aufschrei nach einem Kahlschlag der Strukturen? Ist man an einem konstruktiven Dialog nicht interessiert?

Wenn man die von der Bertelsmann Stiftung ausgewählten Experten sieht, verwundert es nicht, denn sie vertreten diese Thesen gemeinsam mit den Krankenkassen seit geraumer Zeit. Nach dem Prinzip Aussagen regelmäßig zu wiederholen, bis die Illusion der Glaubwürdigkeit entsteht, hat man hier erneut medienwirksam Botschaften lanciert, die der Fachmann schwer und der Laie gar nicht durchschaut. An Hand von komplexen Diagnosen wie Operation eines Pankreaskarzinoms, Herzinfarktbehandlung oder Hüft-Reoperationen, für die kleinere Krankenhäuser natürlich nicht geeignet sind, wird deren gesamte Existenzberechtigung hinterfragt. Verschwiegen wird, dass diese ganz andere Versorgungsaufgaben wie die Behandlung älterer multimorbider Patienten mit Herzinsuffizienz, Pneumonie oder anderen Erkrankungen haben, die sie qualitativ hochwertig und wohnortnah erfüllen. Diese machen aber einen großen Teil unseres Versorgungsbedarfes aus. Dabei haben sie den großen Vorteil, dass ihre Besetzung mit Pflegekräften in aller Regel deutlich besser und stabiler ist als die an großen Zentren. Das kommt den Patienten sehr zu gute.

Es ist ein Irrglaube, dass die Pflegekräfte dieser Häuser, so man sie schließt, an die großen Zentren wechseln. Sie werden eher ihrem Beruf aber nicht ihrer Region den Rücken kehren. Dann stehen wir ohne Versorgungsmöglichkeit da. Die großen Kliniken haben dafür dann erst recht keinen Platz mehr. Sie sind schon jetzt häufig abgemeldet und nicht willens solche Patienten aufzunehmen.

Die Diskussion über die Herzinfarktsterblichkeit zeigt, wie unlauter die Kampagne geführt wird. Akute Herzinfarkte primär in Kliniken mit einer 24h/7d Herzkatheterbereitschaft einzuliefern, macht Sinn und rettet Menschenleben. Daraus die Schlussfolgerung zu ziehen, dass man die anderen ohne Herzkatheter deswegen schließen sollte, ist Nonsens. Man beruft sich auf die OECD Daten zur Herzinfarktsterblichkeit, in denen Deutschland einen hinteren Platz einnimmt, obwohl unsere Kliniken mit Herzkatheterbereitschaft einen internationalen Spitzenplatz belegen.

Der Grund liegt auch in der unterschiedlichen Eintragung der Todesursache in den Sterblichkeitsregistern der OECD Länder. Hier werden Äpfel mit Birnen verglichen. Im Gegensatz dazu belegen die Zahlen des Deutschen Herzberichtes 2017 eine Halbierung der Herzinfarktsterblichkeit in deutschen Kliniken seit 1990 ähnlich wie in Dänemark in den vergangenen Jahren. Hier wird ein Problem hochstilisiert, dass so gar nicht existiert! Zusätzlich gibt es enorme Unterschiede in der Sterblichkeit zwischen den einzelnen Bundesländern, am ehesten durch sozioökonomische Unterschiede getriggert. Die Situation ist also äußert komplex und schwer zu interpretieren und es ist unseriös alle diese Faktoren zu verschweigen und monokausal darzustellen.

Wir brauchen eine seriöse Diskussion, die den enormen Versorgungsauftrag kleinerer Häuser anerkennt und honoriert, dass in Zeiten einer immer kritischer werdenden ambulanten Versorgung auf dem Land nur diese Kliniken ihn noch sicherstellen können. Strukturreform ja, aber mit Augenmaß. Versorgung der komplexen Eingriffe in Zentren ja unbedingt, aber der übrigen Fälle wohnortnah und wenn möglich integrierend sektorenübergreifend. Was wir nicht brauchen ist eine Kampagne.


Priv. Doz. Dr. Michael A. Weber
Präsident des Verbands der Leitenden Krankenhausärzte Deutschlands e.V. (VLK)

Wie es gehen kann Krankenhausversorgung gemeinsam besser zu gestalten, lesen Sie in unserer aktuellen Ausgabe von Arzt und Krankenhaus unter
www.vlk-online.de

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Quelle:
Verband der leitenden Krankenhausärzte Deutschlands e.V.
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Telefon: 0211/45 49 90, Telefax: 0211/45 49 929
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Internet: www.vlk-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 20. Juli 2019

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