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AUSLAND/1577: Kenia - Mannbarkeitsriten ohne riskante Nebenwirkungen - Mediziner machen mobil (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 25. August 2010

Kenia: Mannbarkeitsriten ohne riskante Nebenwirkungen - Mediziner machen mobil

Von Susan Anyangu-Amu


Nairobi, 25. August (IPS) - In Kenias Westprovinz ist es wieder soweit: Wie immer in Jahren mit geraden Zahlen lassen im August Tausende von jungen Männern die traditionelle Beschneidung über sich ergehen. Doch der Schnitt zur Mannbarkeit ist für viele der Zehn- bis 18-Jährigen mit hohen Gesundheitsrisiken verbunden. Deshalb plädieren Ärzte für eine zeitgemäße Modifizierung des Jahrhunderte alten Rituals, die medizinische und traditionelle Aspekte gleichermaßen berücksichtigt. Die Regierung unterstützt die Aufklärungsarbeit.

Die Ärzte raten den Eltern vor Ort, die Söhne kurz nach der Geburt von einem medizinisch geschulten Personal unter hygienischen Bedingungen beschneiden zu lassen, ohne die späteren traditionellen Initialriten aufzugeben. Für die Bukusu im Bezirk Bungoma ist die seit dem 19. Jahrhundert durchgeführte Zirkumzision des männlichen Nachwuchses ein unverzichtbares Ritual. Solange sie allerdings nach alter Tradition praktiziert wird, kostet sie viele Probanden das Leben.

In diesem Jahr werden etwa 20.000 junge Bukusu nach alter Tradition beschnitten, berichtete Nicholas Muraguri. Der Mediziner leitet in Kenia das Nationalprogramm zur Kontrolle von Aids und sexuell übertragbaren Krankheiten. Er verweist auf Statistiken, denen zufolge bei 40 Prozent der Betroffenen mit oft lebensgefährlichen Komplikationen wie schweren Blutungen, Infektionen, Wundbrand oder einer Verstümmelung des Penis gerechnet werden muss, von dem Risiko einer HIV-Infektion ganz zu schweigen.

Muraguri betont, die freiwillige, medizinisch kontrollierte Beschneidung sei ein wichtiger Teil der strategischen HIV/Aids-Prävention. Sie wird auch vom HIV/Aids-Programm des UN-Kinderhilfswerks (UNICEF) befürwortet. Der mögliche Nutzen dieses Eingriffs werde jedoch in sein Gegenteil verkehrt, wenn dabei mehrere Jungen mit demselben blutigen Messer beschnitten oder direkt nach der Zirkumzision zum Geschlechtsverkehr aufgefordert werden.


Nicht beschnittene Männer sozial geächtet

Für den Bukusu Dennis Kuloba, einen traditionellen Beschneider, ist es undenkbar, auf das überlieferte Bescheidungsritual zu verzichten. "Nicht beschnittene Männer werden von der Gemeinschaft nicht akzeptiert und genießen keinen Respekt", betont er. Kuloba hat sein Handwerk von Älteren gelernt und verwendet zur Zirkumzision den so genannten Lutembe, ein zweischneidiges Spezialmesser. Er sterilisiere es mit einer Mischung aus Lehm und Asche und benutze es jeweils nur bei einem Jungen, um das HIV-Risiko auszuschließen, wie er erklärt.

Muraguri und sein Team wollen den jungen Männern ihre traditionelle Kultur nicht ausreden, sondern dafür sorgen, dass sie bei einer Zirkumzision nicht ihr Leben riskieren. "Wir setzen uns für eine unbedenkliche Beschneidung in medizinischen Einrichtungen ein", erklärt er. "Von Großvätern und anderen älteren Verwandten können die jungen Männer später alles über den Sinn des traditionellen Rituals erfahren", fügt er hinzu.

Damit eine Zirkumzision unter medizinischer Kontrolle auch für die arme, oft arbeitslose Landbevölkerung bezahlbar ist, hat die kenianische Regierung in der Westprovinz die Gebühren für eine Beschneidung kräftig gesenkt. Während sie landesweit zwischen sechs und zwölf US-Dollar liegen, werden in den Bezirken Bungoma und Kakamega nur 2,5 Dollar verlangt. "Zudem veranstalten wir während der gesamten traditionellen Beschneidungszeit mobile Camps, in denen der Eingriff kostenlos ist", berichtet Muraguri. "Wir nutzen diese Gelegenheit und informieren junge Männer, die zu uns kommen, auch über Familienplanung und andere Gender-Themen."

David Alnwick, der als Berater für das HIV/Aids-Programm von UNICEF arbeitet, hofft, dass die traditionelle Zirkumzision bald ganz abgeschafft wird. "Die Gesundheitsministerin bemühen sich, mit verschiedenen Maßnahmen die jungen Männer davon abzubringen. Wir sehen zwar ein, dass sie ein wichtiger Bestandteil ethnischer Identität ist, doch manche traditionellen Beschneider leisten miserable Arbeit."
(Ende/IPS/mp/2010)


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veröffentlicht im Schattenblick zum 27. August 2010