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AUSLAND/1589: Afrika - Mehr Geld für Gesundheit, aber die Probleme sind größer als die Kassen (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 17. September 2010

Afrika: Mehr Geld für Gesundheit - Aber die Probleme sind größer als die Kassen

Von Susan Anyangu-Amu


Nairobi, 17. September (IPS) - Die Staats- und Regierungschefs afrikanischer Staaten hatten auf ihren Gipfeltreffen im Juli in Kampala eine positive Nachricht parat. Sie wollen künftig 15 Prozent ihres Haushaltsbudgets in die Gesundheit ihrer Bürger investieren. Doch was sich nach viel anhört, reicht bei weitem nicht aus, um die drastischen Versorgungslücken zu schließen.

In Afrika leben zwölf Prozent der Weltbevölkerung, aber 22 Prozent aller Kranken. Im subsaharischen Teil des Kontinents sind allein zwei Drittel aller Menschen HIV-positiv, und 4,5 Millionen Kinder unter fünf sterben dort jedes Jahr an Durchfallerkrankungen, Unterernährung, Lungenentzündung, Malaria oder an den Folgen einer HIV-Infektion.

Selbst 15 Prozent der öffentlichen Ausgaben seien unzureichend, meint Thomas Kibua von der Afrikanischen Stiftung für Medizin und Forschung (AMREF). "Um die UN-Millenniumsentwicklungsziele (MDGs) zur Armutsbekämpfung bis 2015 zu erreichen, müssten die Staaten ihre Ausgaben im Gesundheitswesen auf 45 Prozent ihrer Haushalte aufstocken", so seine Rechnung.


Mindestens 40 Dollar pro Kopf

Dem schließt sich Rotimi Sankore von der Afrikanischen Allianz für öffentliche Gesundheit (APHA) an. "Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfiehlt Gesundheitsausgaben von mindestens 40 Dollar pro Kopf, und dafür müssten die Regierungen ihre Budgets deutlich anheben", fordert er.

Selbst das könnte nicht reichen, denn die WHO setzt bei ihrer Empfehlung ausreichende Ernährung, den Zugang zu sauberem Trinkwasser und eine funktionierende Abwasserentsorgung als gegeben voraus. "Um diese Grundvoraussetzungen zu erfüllen, müssen die Regierungen in zusätzliche Bereiche investieren, etwa in menschliche Ressourcen und in die Infrastruktur", sagt Sankore.

Hier tut sich ein tiefer Graben auf. Mehr als die Hälfte der Staaten des Kontinents gibt weniger als 14 Dollar pro Kopf für Gesundheit aus, in vielen Ländern sind es gerade einmal zwischen einem und vier Dollar. "Mit solchen Kleinbeträgen kann man die Lücken nicht füllen", so der Experte.


Keine Ärzte, keine Schwestern

Der Mangel an finanziellen Mitteln schlägt sich nieder in einem Mangel an Fachkräften. In den afrikanischen Ländern südlich der Sahara müssen 70 Prozent der Frauen ihre Kinder ohne medizinische Betreuung zur Welt bringen. Entsprechend hoch ist die Müttersterblichkeit. In Ländern wie Burkina Faso, Kamerun, Madagaskar, Mali, Nigeria oder dem Tschad liegt die Rate sogar bei über 95 Prozent.

Hinzu kommt, dass die Hälfte aller Afrikaner keinen Zugang zu essentiellen Medikamenten hat. Die hohe Geburtensterblichkeit versuchen verschiede Länder mit kostenloser oder extrem subventionierter Geburtsbegleitung zu lösen, andere bilden verstärkt Fachkräfte speziell für die ländlichen Regionen aus. In Mosambik etwa erhalten Mitarbeiter im Gesundheitswesen Zusatzausbildungen, so dass Schwestern, Pfleger und Gesundheitsberater Medikamente verabreichen und OP-Schwertern und -pfleger im Notfall einen Kaiserschnitt durchführen können. Für mehr reicht das Geld kaum. So fehlt es an Krankenhäusern, in denen die neuen Fachkräfte arbeiten können.


Empfehlungen für Selbstständigkeit

Um mehr Menschen mit lebensrettenden Medikamenten versorgen zu können, müssen Fabriken gebaut werden, um die Präparate vor Ort produzieren zu können. Es gilt Verteilungszentren und Lager aufzubauen und die Ausgabe der Arzneien zu organisieren. Wissenschaftler und Laboranten müssen ausgebildet, Rechte und Lizenzen erworben und ausgehandelt werden, empfiehlt APHA.

Um mit den geringen zur Verfügung stehenden Mitteln den maximalen Effekt zu erzielen, müsse man ganz unten ansetzen, argumentiert Rotimi Sankore. Schon wenn man sich darauf konzentriere, die Übertragung des Aids-Virus von der Mutter auf das Kind zu verhindern, könne die Zahl die HIV-positiven Kinder drastisch reduziert und hohe Behandlungskosten eingespart werden.

Im Moment werde ein Großteil des afrikanischen Gesundheitswesens durch internationale Spenden und Entwicklungshilfe finanziert, erläutert Sankore. Aber ein Dauerzustand dürfe das nicht sein. "Einige Staaten leben zu 50 Prozent oder mehr von Geldern aus dem Ausland, das ist nicht haltbar." Die Empfängerländer müssten zeitlich begrenzte Hilfsprogramme nutzen, um eigene finanzierbare Lösungen zu finden. (Ende/IPS/sv/2010)


Links:
http://www.amref.org/
http://www.who.int/workforcealliance/members_partners/member_list/aphra/en/index.html
http://www.ipsnews.net/news.asp?idnews=52832

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Quelle:
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veröffentlicht im Schattenblick zum 21. September 2010