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ARTIKEL/1146: Der Medizinische Dienst will nicht Kontrolleur, sondern Partner der Ärzte sein (SHÄB)


Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt 6/2010

Interview
Der MDK will nicht Kontrolleur, sondern Partner der Ärzte sein

von Dirk Schack


Die Entscheidungsträger im MDK Nord beschreiben, wie sie die Rolle des Medizinischen Dienstes und ihre Beziehungen zu den Ärzten sehen.

Das Verhältnis zwischen den in der Patientenversorgung tätigen Ärzten und Mitarbeitern des Medizinischen Dienst ist in vielen Fällen angespannt. Manche Ärzte fühlen sich von den Empfehlungen des MDK bevormundet, der MDK wiederum sieht sich zum Teil von den Medizinern falsch verstanden. Über die Ursachen des angespannten Verhältnisses sprach Dirk Schnack für das Schleswig-Holsteinische Ärzteblatt mit Peter Zimmermann (Geschäftsführer des MDK Nord), Dr. Björn Buxell (Ärztlicher Leiter) und Dr. Edelgard Gorsky-Ostmeier (Abteilungsleiterin Ambulante Versorgung). Die drei Interviewpartner machten in der Zentrale des MDK-Nord in Hamburg deutlich, dass sie an einem neuen, kollegialen Verhältnis zu den Ärzten interessiert sind und sich als unabhängig von den Krankenkassen begreifen - obwohl diese ihre Arbeit finanzieren. Ihr Anspruch ist, den Arzt zu unterstützen und konstruktiv zu begleiten.

Wenn Ärzte über den MDK sprechen, hört man fast ausnahmslos Klagen. Woran liegt es, dass Sie solch ein schlechtes Image unter Ihren Kollegen haben?

Buxell: Wir werden als Teil der Bürokratie gesehen. Das habe ich selbst als niedergelassener Allgemeinmediziner auch getan. Es gibt zwischen MDK und Ärzten Informations- und Kommunikationsdefizite, die zu Missverständnissen führen.

Wie kann das sein? Ihr Auftrag geht doch aus dem Sozialgesetzbuch klar hervor?

Buxell: Paragraf 12 SGB V besagt, dass Leistungen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein müssen und das Maß des Notwendigen nicht überschreiten dürfen. Aber was ist medizinisch notwendig? Die Priorisierungsdebatte der Ärzteschaft zeigt, dass diese Frage nicht einfach zu beantworten ist.

Dann müssten Ärzte also froh sein, dass der MDK Empfehlungen gibt? Entscheidungen zur Priorisierung werden ja immer gefordert.

Buxell: Fest steht, dass wir auch unangenehme Empfehlungen aussprechen müssen. Den Mut muss man haben, das löst natürlich auch einmal Empörung aus. Aber ein MDK von dem man nichts hört, ist kein guter MDK.

Als Hausarzt bin ich immer parteilicher Anwalt des Patienten, zwischen MDK-Gutachter und dem Versicherten besteht eine andere Beziehung.

Und den Krankenkassen, die den MDK über die Umlage finanzieren ...

Buxell: In diese Richtung geht die Wahrnehmung. Die Umlagefinanzierung sichert die Unabhängigkeit unserer Körperschaft, so hat es der Gesetzgeber gewollt.

Gorsky-Ostmeier: Leider wird oft übersehen, dass wir unabhängige Empfehlungen für die Krankenkassen aussprechen.

... die Sie nach Aktenlage treffen. Sie leiten aus Formularen ab, dass ein Hausarzt, der seinen Patienten untersucht hat, zu einer falschen Entscheidung gekommen ist. Da ist die Empörung doch nachvollziehbar.

Gorsky-Ostmeier: Wir können uns für unsere Empfehlungen auf einen anderen Hintergrund stützen. Wir können Informationen etwa aus der Rehabilitation einbeziehen, die dem behandelnden Arzt nicht vorliegen. Die Sozialmedizin ist in ihrer heutigen Komplexität nicht jedem Vertragsarzt umfassend vertraut.

Sie müssen die Ärzte also kontrollieren?

Gorsky-Ostmeier: Wir sehen uns keineswegs nur als Kontrolleure. Unser Anspruch ist ein sozialmedizinisches Add-on zur Behandlung. Patienten können auch von der Beratung durch den MDK-Gutachter profitieren, der beispielsweise bei Patienten mit einem eingeschränkten Leistungsvermögen den Zugang zur sozialen Absicherung aufzeigt. Es kommt zwar in Einzelfällen zu abweichenden Meinungen, häufig gelingt aber ein positiver Austausch mit den behandelnden Ärzten zugunsten der Patienten.

Buxell: Wir stellen keine Diagnose und geben keine Therapie vor. Wir bewerten das Leistungsvermögen eines Patienten oder die medizinische Notwendigkeit einer Leistung und kommen dabei aufgrund umfangreicher Informationen manchmal zu anderen Ergebnissen als der Arzt - das ist etwas anderes, als den Arzt zu kontrollieren.

Zimmermann: Unsere ambulanten Gutachter bearbeiten im Jahr ca. 250.000 Fälle. Widersprüche resultieren größtenteils aus abweichenden Meinungen von Versicherten, nur selten aus ärztlichen Widersprüchen.

Dennoch bleibt festzuhalten, dass viele Ärzte schlecht auf den MDK zu sprechen sind. Was können Sie denn tun, um das Verhältnis zu verbessern?

Buxell: Wir haben in Schleswig-Holstein den Ausschuss MDK-Ärztekammer und können so Missverständnisse aufklären, Informationsdefizite beseitigen, aber auch eigene Fehler aufgreifen. Außerdem beteiligen sich viele unserer Gutachter vor Ort an Ärztestammtischen und nehmen an Qualitätszirkeln teil, auch um über unsere Arbeit aufzuklären.

Leider gibt es eine kleine Fraktion von Ärzten, die wir nicht erreichen können, da eine Kommunikation verweigert wird. Die große Mehrheit der Ärztinnen und Ärzte ist jedoch aufgeschlossen und an einer Kommunikation mit uns interessiert.

Gorsky-Ostmeier: Wir haben schon viel erreicht. Ein zunehmender Teil der Ärzteschaft begreift unsere Arbeit als konstruktive Begleitung.

Bildunterschriften der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildungen der Originalpublikation:

Dr. Björn Buxell:
"Es gibt zwischen MDK und Ärzten Informations- und Kommunikationsdefizite, die zu Missverständnissen führen."

Dr. Edelgard Gorsky-Ostmeier:
"Unser Anspruch ist ein sozialmedizinisches Add-on."

Peter Zimmermann:
"Widersprüche resultieren größtenteils aus abweichenden Meinungen von Versicherten, nur selten aus ärztlichen Widersprüchen."

Gesamtausgabe des Schleswig-Holsteinischen Ärzteblatts 6/2010 im Internet unter:
http://www.aeksh.de/shae/2010/201006/h10064a.htm

Zur jeweils aktuellen Ausgabe des Schleswig-Holsteinischen Ärzteblatts:
www.aerzteblatt-sh.de

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Quelle:
Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt Juni 2010
63. Jahrgang, Seite 34 - 35
Herausgegeben von der Ärztekammer Schleswig-Holstein
mit den Mitteilungen der
Kassenärztlichen Vereinigung Schleswig-Holstein
Redaktion: Dr. Franz Bartmann (V.i.S.d.P.)
Bismarckallee 8-12, 23795 Bad Segeberg
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Das Schleswig-Holsteinische Ärzteblatt erscheint 12-mal im Jahr.


veröffentlicht im Schattenblick zum 28. Juli 2010

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