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ARTIKEL/1195: Schiffsarztbörse - Horizonterweiterung an Bord (SH Ärzteblatt)


Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt 4/2011

Schiffsarztbörse
Horizonterweiterung an Bord: Aus Praxis oder Klinik an den Südpol

Von Dirk Schnack


Eine vom Lübecker Arzt Dr. Christian Ottomann gegründete Schiffsarztbörse bringt Mediziner und Schiffseigner zusammen. Alle Fachrichtungen gesucht.

Das Römische Reich schrieb für Schiffe seiner Marine für 200 Mann Besatzung einen Schiffsarzt als Duplicarii (Legionär mit doppeltem Sold) an Bord vor. Dessen Aufgabe lag vor allem darin, die Ruderer auf ihre körperliche Eignung zu untersuchen - und in der Seeschlacht Pfeile aus den verwundeten Soldaten zu ziehen. Auf solche Abenteuer müssen sich Schiffsärzte in der Neuzeit nicht mehr einlassen. Abwechslung in den beruflichen Alltag und neue Erfahrungen bringt eine Tätigkeit als Schiffsarzt aber auf jeden Fall. Dr. Christian Ottomann hat dies auf eigenen Schiffspassagen erfahren. Nun hat der an der Lübecker Universitätsklinik tätige Chirurg eine Schiffsarztbörse gegründet, um Schiffseigner und Ärzte zusammenzubringen. Er vermittelt Ärzte aller Fachrichtungen, bietet Interessenten die freie Wahl über Einsatzzeitraum, Schiff und Einsatzgebiet, wirbt mit "persönlicher und beruflicher Horizonterweiterung" und ggf. mit der kostenfreien Mitnahme einer Begleitperson.

Natürlich muss sich ein Schiffsarzt auch mit der Seekrankheit bei seinen Mitreisenden auseinandersetzen. Als temporärer Schiffsarzt ist man Grund- und Notfallversorger und manchmal auch Zahnarzt. Als festangestellter Schiffsarzt stellt man dauerhaft die medizinische Versorgung an Bord sicher, indem man zusätzlich die Verantwortung für die Einhaltung der hygienischen und Sicherheitsvorschriften trägt, als Präventivmediziner impft und Infektionen an Bord vorbeugt. Das Spektrum der zu behandelnden Erkrankungen ist ähnlich breit wie in einer Hausarztpraxis, in erster Linie hängt es von der Zusammensetzung der Crew und der Passagiere ab. "Die häufigste Ursache ärztlicher Konsultationen sind Atemwegserkrankungen von Passagieren, Hauterkrankungen der Crew sowie Verletzungen. Dabei verletzen sich die Passagiere eher an Land, Besatzungsmitglieder an Bord", lautet die Erfahrung von Ottomann, der als Schiffsarzt schon Nord- und Südpol gesehen hat. Auf seiner Homepage erläutert Ottomann, dass Herz-Kreislauferkrankungen bei Passagieren häufig auftreten, auch zahnärztliche Behandlungen sind bei Crewmitgliedern oft erforderlich. Zum Berufsbild zählen außerdem tropenmedizinische Aspekte.

Das breite Spektrum der ärztlichen Tätigkeit an Bord allein beinhaltet nach seinen Erfahrungen genügend Abwechslung und Reiz: "Es ist faszinierend, weil man nicht weiß, was einen erwartet", sagte Ottomann im Gespräch mit dem Schleswig-Holsteinischen Ärzteblatt. Daneben machen die Eindrücke an zum Teil exotischen Zielen auf der Erde, die man ohne diese Tätigkeit vielleicht nie gesehen hätte, die Fahrten als Schiffsarzt attraktiv. Einen schmalen Ausschnitt seiner Erlebnisse zeigen die von ihm stammenden Fotos auf diesen Seiten.

Ottomann hat festgestellt, dass das Angebot an Schiffstouren für Ärzte intransparent ist und es viel Zeit erfordert, eine Fahrt zu finden, die den eigenen Vorstellungen entspricht. Die Idee, mit der Schiffsarztbörse für mehr Transparenz zwischen Angebot und Nachfrage zu sorgen, setzt er erst seit März um. Sein Ziel ist ein Pool von mindestens 150 interessierten ärztlichen Kollegen, auf die je nach Qualifikation und Anforderung des Schiffseigners zurückgegriffen werden kann. Die Börse betreibt er nach eigenen Angaben nicht mit der Absicht, Gewinn zu erzielen. Die bei einer erfolgreichen Vermittlung anfallende Provision ist erforderlich, um die entstehenden Kosten zu decken.

Ob ein Schiffsarzt an Bord eines Schiffes sein muss, wird durch nationale Vorschriften geregelt. Die Internationale Arbeitsorganisation der Vereinten Nationen empfiehlt einen Arzt auf Schiffen mit mehr als 100 Personen an Bord und Fahrten über mehr als drei Tage. Ab 800 Personen an Bord soll das Schiff über zwei Schiffsärzte verfügen. In der internationalen Schifffahrt ist es üblich, dass Schiffsärzte bei zeitlich begrenzten Einsätzen die Schiffsreise sowie Kost und Logis erhalten. Die Kabine des Schiffsarztes ist meistens im mittleren bis oberen Preissegment angeordnet. Je nach Auftraggeber ist zudem die kostenfreie Mitnahme einer Begleitperson möglich. Spezialaufträge, länger dauernde Einsätze bzw. Einsätze auf Schiffen ab einer bestimmten Größe und Passagieranzahl werden in der Regel entlohnt. Die Honorarsätze differieren dabei sehr stark und sind abhängig von der jeweiligen Reederei bzw. dem Schiffseigner. Auf Schiffen, die unter deutscher Flagge fahren, gilt die GOÄ.

Die Schiffsarztbörse prüft die ärztlichen und maritimen Qualifikationen des Interessenten und erstellt anhand der vom Arzt angeforderten Unterlagen ein Persönlichkeitsprofil des Arztes inklusive Schiffsarzterfahrung und Sprachkenntnissen. Der Arzt sollte natürlich nicht nur schwimmen können und gerne auf dem Wasser sein. Bei Atlantiküberquerungen per Segeljacht wird auch vom Arzt ein Segelschein vorausgesetzt. Wann Ottomanns nächste Reise als Schiffsarzt stattfindet und wohin sie den Chirurgen führen wird, steht noch nicht fest. Nach Arktis und Antarktis ist die Atlantiküberquerung ein Traum, den er sich auf jeden Fall noch erfüllen möchte. Aber unabhängig von dem maritimen Ziel ist jede Seefahrt eine gesunde Abwechslung vom Klinikalltag, aus dem sich neue Kraft für die Patientenversorgung schöpfen lässt. Diesem Ziel dient die neu gegründete Schiffsarztbörse.

Weitere Information unter: www.schiffsarztboerse.de.

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Gesamtausgabe des Schleswig-Holsteinischen Ärzteblatts 4/2011 im Internet unter:
http://www.aeksh.de/shae/2011/201104/h11044a.htm

Zur jeweils aktuellen Ausgabe des Schleswig-Holsteinischen Ärzteblatts:
www.aerzteblatt-sh.de

Bildunterschriften der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildungen der Originalpublikation:
- Eselspinguin (Pygoscellis papua) in der Antarktis.
- Das Polar Expeditionsschiff Prof. Molchanov.

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Quelle:
Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt April 2011
64. Jahrgang, Seite 34 - 35
Herausgegeben von der Ärztekammer Schleswig-Holstein
mit den Mitteilungen der
Kassenärztlichen Vereinigung Schleswig-Holstein
Redaktion: Dr. Franz Bartmann (V.i.S.d.P.)
Bismarckallee 8-12, 23795 Bad Segeberg
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Das Schleswig-Holsteinische Ärzteblatt erscheint 12-mal im Jahr.


veröffentlicht im Schattenblick zum 8. Juli 2011

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