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POLITIK/1743: Rösler-Rede - Änderung des Infektionsschutzgesetzes und weiterer Gesetze, 24.03.11 (BPA)


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Rede des Bundesministers für Gesundheit, Dr. Philipp Rösler, zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Infektionsschutzgesetzes und weiterer Gesetze vor dem Deutschen Bundestag am 24. März 2011 in Berlin:


Sehr geehrter Herr Präsident!
Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordnete!

Schätzungen zufolge gibt es jährlich 400.000 bis 600.000 sogenannte Krankenhausinfektionen und aufgrund solcher Infektionen jährlich circa 7.500 bis 15.000 tote Menschen in Deutschland. Es trifft dann meist die Älteren, die Schwachen und im wahrsten Sinne des Wortes die Kranken im System. All diese Menschen haben keine Lobby. Sie haben keine Interessenvertreter - mit einer Ausnahme: Diejenigen, die genau die Interessen dieser Menschen vertreten, sind die Abgeordneten des Deutschen Bundestages; denn die Initiative zu diesem Gesetz zur Änderung des Infektionsschutzgesetzes stammt aus den Reihen der Abgeordneten von CDU/CSU und FDP.

Das gemeinsame Ziel ist es, mit den vorhandenen guten Instrumenten - auch mit den Instrumenten, die die Vorgängerregierungen geschaffen haben - die Menschen in Deutschland künftig vor solchen Krankenhausinfektionen besser schützen zu können, als dies bisher der Fall ist.

Ein Problem bei diesen Infektionen ist nicht allein ihre hohe Zahl, sondern der Anteil an resistenten Erregern. Fachleute beziffern den Anteil der Krankenhausinfektionen in Deutschland aufgrund dieser Erreger auf bis zu 20 Prozent. In den Niederlanden - zum Vergleich - beträgt dieser Anteil gerade einmal ein Prozent.

Man kann solche Resistenzen durch den richtigen Einsatz von antibiotischen Medikamenten verhindern. Deswegen sieht dieses Gesetz die Einrichtung einer "Kommission Antiinfektiva, Resistenz und Therapie" am Robert Koch-Institut vor. Das ist eine wissenschaftliche Kommission, die Leitlinien für den richtigen Gebrauch von Antibiotika entwickeln soll. Denn uns geht es nicht nur darum, Infektionen, die es gibt, zu bekämpfen, sondern auch darum, Infektionen durch einen besseren und optimalen Einsatz von Antibiotika von vornherein zu verhindern.

Die Existenz solcher Gesetze allein reicht aus unserer Sicht nicht aus. Zum Teil gibt es zwar schon gute Empfehlungen; die Deutsche Antibiotika-Resistenzstrategie ist hier nur ein Beispiel. Aber wir müssen auch dafür sorgen, dass solche Gesetze dann in der Praxis umgesetzt werden.

Am Robert Koch-Institut gibt es bereits eine Kommission; sie heißt "Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention", kurz: KRINKO. Diese Kommission hat schon längst Empfehlungen entwickelt, wie beispielsweise die Prozesse in den Kliniken, aber auch die baulichen Maßnahmen daraufhin ausgerichtet werden können, um die Anzahl von Krankenhausinfektionen künftig zu reduzieren oder sie gar ganz zu vermeiden.

Das Problem ist nur, dass solche Vorschläge bisher nur empfehlenden Charakter haben. Mit diesem Gesetz bekommen diese Fachempfehlungen eine höhere Verbindlichkeit. Wir stellen damit sicher, dass es nicht nur gute Gesetze und nicht nur gute Vorgaben gibt, sondern dass diese Vorgaben im klinischen Alltag auch umgesetzt werden. So können die Menschen vor Krankenhausinfektionen besser geschützt werden.

Erreichen wollen wir dies, indem wir den Ländern die Möglichkeit geben, ohne ein eigenes Landeshygienegesetz eine Hygieneverordnung auf Grundlage des Infektionsschutzgesetzes des Bundes auf den Weg zu bringen. Bisher gibt es nur sieben Bundesländer, die eine solche eigene Hygieneverordnung haben. Wir wollen nicht nur, dass mehr Länder Hygieneverordnungen auf den Weg bringen und dass sie dies schneller tun, sondern wir wollen auch möglichst einheitliche Standards. Nach diesem Gesetzestext wäre die Einheitlichkeit dadurch gegeben, dass immer dann davon auszugehen ist, dass man den Stand der Wissenschaft eingehalten hat, wenn man die Empfehlungen der KRINKO befolgt. Damit stellen wir beide Ziele sicher: mehr und schneller erlassene Hygieneverordnungen auf Landesebene und gleichzeitig eine Vereinheitlichung. Erreger machen nicht an Landesgrenzen halt. Deswegen hat es Sinn, die Schutzmaßnahmen nicht an Landesgrenzen auszurichten, sondern möglichst bundeseinheitlich auszugestalten.

Ebenso wollen wir dafür sorgen, dass die Ergebnisse solcher Maßnahmen künftig gemessen werden können und diese Ergebnisse veröffentlicht werden, damit die Menschen ein Stück weit selbst einen Einblick in die Hygienesituation in den jeweiligen medizinischen Einrichtungen bekommen. Auch das kann bewirken, dass der Anreiz für die Kliniken größer wird, selber für bessere Hygienemaßnahmen zu sorgen.

Ebenso möchten wir, dass die Menschen, die heute mit resistenten Erregern befallen sind, schon im ambulanten und nicht erst im stationären Bereich als Hochrisikopatient erkannt werden und dass sie, noch bevor sie mit solchen hochresistenten Stämmen stationär im Krankenhaus aufgenommen werden, davon befreit, also saniert werden. Dadurch wird verhindert, dass sich solche Erreger in den Kliniken verbreiten. Wir wollen die betroffenen Menschen, wie gesagt, von vornherein im ambulanten Bereich von diesen Erregern befreien und damit einen höheren Schutzgrad in den Kliniken erreichen.

Insgesamt können wir feststellen, dass es schon heute durchaus gute Maßnahmen gibt, zum Beispiel die "Aktion Saubere Hände", die ganz konkret in den klinischen Alltag integriert werden können. Wir brauchen aber weitere Instrumente; wir haben einige vorgeschlagen. Fachleute gehen davon aus, dass man die Zahl der Infektionen durch bessere Hygienemaßnahmen langfristig um 20 bis 30 Prozent senken kann. Es sollte unser gemeinsames Ziel sein, die Zahl der Krankenhausinfektionen zum Schutz der Patientinnen und Patienten zu senken.


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Quelle:
Bulletin Nr. 32-5 vom 24.03.2011
Rede des Bundesministers für Gesundheit, Dr. Philipp Rösler,
zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Infektionsschutzgesetzes
und weiterer Gesetze vor dem Deutschen Bundestag am 24. März 2011 in Berlin
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veröffentlicht im Schattenblick zum 26. März 2011