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AIDS/974: Forschung - Neues Modell für HIV-Forschung in Gehirnzellen (idw)


Helmholtz Zentrum München / Deutsches Forschungszentrum für Gesundheit und Umwelt - 18.06.2015

Neues Modell für HIV-Forschung in Gehirnzellen


Neuherberg, 18. Juni 2015. Über 35 Millionen Menschen weltweit sind derzeit mit HIV-1 infiziert. Antivirale Medikamente können die Infektion aufhalten, aber nicht heilen, da sich das Virus in einem latenten, also ruhenden, Zustand in manchen Zellen versteckt. Wissenschaftlern am Helmholtz Zentrum München ist es jetzt gelungen ein Modell von latent infizierten Gehirnzellen zu etablieren und in diesen den Einfluss verschiedener Wirkstoffen auf die Aktivität des Virus zu untersuchen. Die Ergebnisse wurden nun in der Fachzeitschrift AIDS veröffentlicht.

"Ursache für die chronische Infektion sind 'ruhende' Virusgenome, die sich in langlebigen Zellen verstecken, aber durch verschiedene Faktoren aktiviert werden können", erklärt Prof. Dr. Ruth Brack-Werner vom Institut für Virologie. "Diese sogenannten latent infizierten Zellen befinden sich unter anderem im Blut und im Gehirn, wobei die HIV Latenz im Gehirn besonders schwierig zu untersuchen ist", fügt sie hinzu. Ihre Arbeitsgruppe untersucht eine spezielle Gruppe von Gehirnzellen, die sogenannten Astrozyten. Sie kommen Milliardenfach im menschlichen Gehirn vor und erfüllen dort wesentliche Funktionen beim Schutz und Stoffwechsel des zentralen Nervensystems. Zudem haben sie als reife Zellen eine sehr lange Lebensdauer.

Untersuchungen von Gehirngewebe aus verstorbenen HIV-1 infizierten Personen zeigen, dass bis zu 19% der Astrozyten HIV infiziert sein können. Bisher gab es jedoch kein experimentelles Modell zur Erforschung der HIV Latenz in diesen Zellen. "Mit unserem Modellsystem können wir die latente HIV Infektion in Astrozyten simulieren", erläutert Dr. Martha Schneider, Erstautorin der Studie. Die Forscher konnten so etwa zeigen, dass verschiedene Substanzen, darunter der Botenstoff TNF-alpha, das inaktive Virus in den Astrozyten reaktivieren können. Umgekehrt war es auch möglich die Aktivität des Virus durch Behandlung der Zellen mit bestimmten Molekülen einzuschränken. "Mithilfe bestimmter Wirkstoffkandidaten scheint eine Unterdrückung der Virusaktivität nun möglich", so Schneider.

Künftig wollen die Wissenschaftler dieses System verwenden, um die Wirkung weiterer Substanzen zu untersuchen, die die Aktivierung von HIV-1 im Gehirn verhindern könnten. Studienleiterin Brack-Werner erklärt warum: "Mehrere virale Proteine sind toxisch für Neuronen und könnten Immunschäden im Gehirn verursachen. Da sich Gehirnzellen wie Astrozyten nur sehr langsam erneuern, könnten Verluste dieser Zellen das Gehirn schädigen." Darüber hinaus wollen die Forscher auch die Wirkung bereits zugelassener Medikamente testen und so die klinische Betreuung von HIV-1 Patienten in Zukunft verbessern.


Original-Publikation:
Schneider, M. et al. (2015). A new model for post-integration latency in macroglial cells to study HIV-1 reservoirs of the brain, AIDS, DOI:10.1097/QAD.0000000000000691


Das Helmholtz Zentrum München verfolgt als Deutsches Forschungszentrum für Gesundheit und Umwelt das Ziel, personalisierte Medizin für die Diagnose, Therapie und Prävention weit verbreiteter Volkskrankheiten wie Diabetes mellitus und Lungenerkrankungen zu entwickeln. Dafür untersucht es das Zusammenwirken von Genetik, Umweltfaktoren und Lebensstil. Der Hauptsitz des Zentrums liegt in Neuherberg im Norden Münchens. Das Helmholtz Zentrum München beschäftigt rund 2.300 Mitarbeiter und ist Mitglied der Helmholtz-Gemeinschaft, der 18 naturwissenschaftlich-technische und medizinisch-biologische Forschungszentren mit rund 37.000 Beschäftigten angehören.


Das Institut für Virologie (VIRO) untersucht Viren, die Menschen chronisch infizieren und lebensbedrohliche Krankheiten hervorrufen können. Der Fokus liegt auf dem AIDS-Erreger HIV, endogenen Retroviren, die in unserer Keimbahn integriert sind, sowie Hepatitis-B- und C-Viren, die Leberzirrhose und hepatozelluläre Karzinome verursachen. Molekulare Studien identifizieren neue diagnostische und therapeutische Konzepte, um diese Virus-Erkrankungen zu verhindern und zu behandeln bzw. die Entstehung von virusinduzierten Tumoren zu vermeiden.


Fachlicher Ansprechpartner:
Prof. Dr. Ruth Brack-Werner
Helmholtz Zentrum München -
Deutsches Forschungszentrum für Gesundheit und Umwelt (GmbH)
Institut für Virologie
Ingolstädter Landstr. 1, 85764 Neuherberg
E-Mail: brack@helmholtz-muenchen.de


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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilung
Helmholtz Zentrum München - Deutsches Forschungszentrum für Gesundheit und Umwelt, Helmholtz Zentrum München, 18.06.2015
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 20. Juni 2015

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