Helmholtz Zentrum München / Deutsches Forschungszentrum für Gesundheit und Umwelt - 26.08.2016
Allergieforschung: Reaktion auf Hausstaubmilben hängt vom Alter ab
Neuherberg, 26. August 2016. Bei erwachsenen Hausstaubmilben-Allergikern führt eine Kaskade von Entzündungssignalen auf der Oberfläche der Atemwege zum sogenannten Airway Remodeling. Dieser Prozess ist nicht durch die standardmäßige Cortisontherapie zu beeinflussen. Das berichten Forscher am Helmholtz Zentrum und der Technischen Universität München in der neuesten Ausgabe des "Journal of Allergy and Clinical Immunology".
Weltweit sind mehr als 300 Millionen Menschen von Asthma betroffen. Ein häufiges Symptom in diesem Zusammenhang ist das Airway Remodeling: ein krankhafter Umbau der Atemwegsstruktur, bedingt durch fehlgesteuerte Reparaturprozesse.* Je nach Alter der Patienten können als Leukotriene bekannte Botenstoffe dabei eine wichtige Rolle spielen, wie Forscher um Dr. Julia Esser-von Bieren nun herausfanden. "Es gibt zwar bereits Medikamente, die gegen Leukotriene gerichtet sind, über die genauen Krankheitsmechanismen wissen wir aber noch viel zu wenig", so die Gruppenleiterin am Zentrum Allergie und Umwelt (ZAUM), einer gemeinsamen Forschungseinrichtung des Helmholtz Zentrums und der Technischen Universität München.
Die Forschenden interessierten sich in der aktuellen Arbeit vor allem dafür, ob es altersbedingte Unterschiede bei der Ausprägung einer Hausstaubmilben-Allergie gab. Sie untersuchten in Zusammenarbeit mit Prof. Benjamin Marsland vom Universitätsspital CHUV in Lausanne ein entsprechendes Versuchsmodell. Dabei stellte sich heraus, dass ein Extrakt aus Hausstaubmilben unterschiedliche Reaktionen hervorrief, je nachdem in welchem Zeitfenster er auf das Immunsystem trifft.
"Auffällig ist, dass Leukotriene vor allem dann eine wichtige Rolle zu spielen scheinen, wenn Erwachsene eine Allergie erwerben", berichtet Katharina Dietz, die Erstautorin der Studie. "Sie sind Teil einer ganzen Kaskade von Signalen, die letztlich zur Reaktion auf den Hausstaubmilbenextrakt führt." Dabei involviert sind der Studie zufolge vor allem das Signalprotein Wnt5a, die Enzyme Transglutaminase 2 und Phospholipase A2 sowie die Leukotriene selbst. Diese Ergebnisse konnten die Wissenschaftler in menschlichen Zellen und Nasenpolypengewebe von Patienten bestätigen.
Interessant war für die Forscher auch, woher diese Moleküle stammen: so konnten sie zeigen, dass vor allem die Epithelzellen der Bronchien die Kaskade selber antreiben. "Bisher wurde angenommen, dass die Leukotriene bei Allergien hauptsächlich von bestimmten weißen Blutkörperchen, den sogenannten eosinophilen Granulozyten, produziert werden", ordnet Studienleiterin Esser-von Bieren die Ergebnisse ein.
Aber die Ergebnisse dienen nicht nur dem Verständnis, sondern sind auch für die Therapie relevant, denn: "Diese Kaskade lässt sich durch eine Cortisonbehandlung, wie sie standardmäßig bei Allergikern durchgeführt wird, nicht aufhalten", so Esser-von Bieren. Sie hält es daher für möglich auch, dass sich die Ergebnisse künftig auch therapeutisch auswirken könnten: "Die starke Präsenz der Leukotrienkaskade im entzündeten Atemwegsepithel widerlegt die verbreitete Annahme, dass strukturelle Zellen als Leukotrien-Produzenten zu vernachlässigen sind. Im Gegenteil: Bei einer chronischen, Kortison-resistenten Entzündung in Form von Asthma oder Nasenpolypen sollte je nach Alter und Allergiestatus des Patienten die Anwendung von Medikamenten erwogen werden, die auf die Leukotrienkaskade im Atemwegsepithel zielen."
Weitere Informationen
• Hintergrund:
Die aktuelle Studie führte Experten für unterschiedliche Teilbereiche in
einer Kooperation zusammen: Die ZAUM-Forscher aus München sind bestens
vertraut mit den Reaktionen des Atemwegepithels. Erst kürzlich konnten sie
zeigen, wie Allergien die Oberfläche der Atemwege prägen
http://www.helmholtz-muenchen.de/presse-medien/pressemitteilungen/2015/pressemitteilung/article/30463/index.html.
Die Schweizer Forscherinnen und Forscher aus Lausanne widmen sich der
Entschlüsselung der zeitlichen Abfolge der Allergieprozesse. Unter anderem
befassen sie sich mit der Entstehung von Asthma in der frühen Entwicklungsphase
und welche Rolle beispielsweise Mikroben dabei spielen
http://www.snf.ch/de/fokusForschung/newsroom/Seiten/news-140515-medienmitteilung-mikroben-in-lunge-schuetzen-vor-asthma.aspx
* Dies beinhaltet beispielsweise die vermehrte Einlagerung von Bindegewebe in die Wand der Bronchien, eine Zunahme von schleimbildenden Drüsenzellen im Bronchialepithel oder ein verstärktes Wachstum von Muskelzellen in den Atemwegswänden. Ein wichtiger Auslöser für diesen fehlerhaften Umbau sind offenbar fortwährende Entzündungsprozesse in den Atemwegen.
Original-Publikation:
Dietz, K. et al. (2016): Age dictates a steroid resistant cascade of
Wnt5a, transglutaminase-2 and leukotrienes in inflamed airways. Journal of
Allergy and Clinical Immunology, doi: 10.1016/j.jaci.2016.07.014
•- Das Helmholtz Zentrum München verfolgt als Deutsches Forschungszentrum für
Gesundheit und Umwelt das Ziel, personalisierte Medizin für die Diagnose,
Therapie und Prävention weit verbreiteter Volkskrankheiten wie Diabetes
mellitus und Lungenerkrankungen zu entwickeln. Dafür untersucht es das
Zusammenwirken von Genetik, Umweltfaktoren und Lebensstil. Der Hauptsitz
des Zentrums liegt in Neuherberg im Norden Münchens. Das Helmholtz Zentrum
München beschäftigt rund 2.300 Mitarbeiter und ist Mitglied der
Helmholtz-Gemeinschaft, der 18 naturwissenschaftlich-technische und
medizinisch-biologische Forschungszentren mit rund 37.000 Beschäftigten
angehören.
www.helmholtz-muenchen.de
- Das Zentrum Allergie und Umwelt (Leitung: Prof. Dr. Carsten Schmidt-Weber)
in München ist eine gemeinsame Einrichtung von Helmholtz Zentrum München
und Technischer Universität München. Die in der deutschen
Forschungslandschaft einzigartige Kooperation dient der fachübergreifenden
Grundlagenforschung und Verknüpfung mit Klinik und klinischen Studien.
Durch diesen translationalen Ansatz lassen sich Erkenntnisse über
molekulare Entstehungsmechanismen von Allergien in Maßnahmen zu ihrer
Vorbeugung und Therapie umsetzen. Die Entwicklung wirksamer, individuell
zugeschnittener Therapien ermöglicht betroffenen Patienten eine bessere
Versorgung.
www.zaum-online.de
- Die Technische Universität München (TUM) ist mit mehr als
500 Professorinnen und Professoren, rund 10.000 Mitarbeiterinnen und
Mitarbeitern und 39.000 Studierenden eine der forschungsstärksten
Technischen Universitäten Europas. Ihre Schwerpunkte sind die
Ingenieurwissenschaften, Naturwissenschaften, Lebenswissenschaften und
Medizin, ergänzt um Wirtschafts- und Bildungswissenschaften. Die TUM
handelt als unternehmerische Universität, die Talente fördert und Mehrwert
für die Gesellschaft schafft. Dabei profitiert sie von starken Partnern in
Wissenschaft und Wirtschaft. Weltweit ist sie mit einem Campus in Singapur
sowie Verbindungsbüros in Brüssel, Kairo, Mumbai, Peking, San Francisco
und Såo Paulo vertreten. An der TUM haben Nobelpreisträger und Erfinder
wie Rudolf Diesel, Carl von Linde und Rudolf Mößbauer geforscht. 2006 und
2012 wurde sie als Exzellenzuniversität ausgezeichnet. In internationalen
Rankings gehört sie regelmäßig zu den besten Universitäten Deutschlands.
www.tum.de
Fachliche Ansprechpartnerin:
Dr. Julia Esser-von Bieren
Helmholtz Zentrum München -
Deutsches Forschungszentrum für Gesundheit und Umwelt (GmbH)
Institut für Allergieforschung & Zentrum Allergie und Umwelt
Ingolstädter Landstr. 1, 85764 Neuherberg
E-Mail: julia.esser-von-bieren@tum.de
Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung stehen unter:
http://idw-online.de/de/institution44
*
Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilung
Helmholtz Zentrum München - Deutsches Forschungszentrum für Gesundheit und Umwelt
Sonja Opitz, Abteilung, 26.08.2016
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de
veröffentlicht im Schattenblick zum 31. August 2016
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