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FORSCHUNG/072: Neue Methode zur Diagnostik von Lungenerkrankungen (idw)


Leibniz Universität Hannover - 03.08.2011

Neue Methode zur Diagnostik von Lungenerkrankungen

Kooperationsprojekt analysiert die Tröpfchenentstehung in der menschlichen Lunge


Patientinnen und Patienten mit chronischen Lungenleiden müssen oft unangenehme invasive Untersuchungen wie Bronchoskopien zur Diagnose und Verlaufskontrolle ihrer Erkrankungen über sich ergehen lassen. Eine neue Methode, die die Ausatemluft von Patienten analysiert, könnte in Zukunft viele dieser aufwendigen Untersuchungen ersetzen. Ein Kooperationsprojekt der Leibniz Universität Hannover, der Medizinischen Hochschule Hannover, des Fraunhofer-Instituts für Toxikologie und Experimentelle Medizin ITEM in Hannover und der RWTH Aachen untersucht Aerosole in der Ausatemluft, um herauszufinden, welche Mechanismen in der erkrankten Lunge ablaufen. Mit der Methode können voraussichtlich auch Frühformen zum Beispiel der chronisch obstruktiven Lungenerkrankung (COPD) bedeutend eher erkannt und behandelt werden. Anhand der Größe und Anzahl der ausgeatmeten Aerosol-Tröpfchen soll erkannt werden, ob ein Frühstadium der Krankheit vorliegt beziehungsweise wie weit die Erkrankung fortgeschritten ist. Bei der COPD, die besonders häufig langjährige Raucher trifft, verengen sich die Atemwege chronisch.

Ein Team unter der Leitung von Prof. Jörg Seume vom Institut für Turbomaschinen und Fluid-Dynamik der Leibniz Universität entwickelt im Projekt, das seit 2007 läuft, ein Simulationsmodell der Abläufe in der Lunge. Zum Vergleich stehen den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern Daten zur Verfügung, die an der Medizinischen Hochschule bei Lungenfunktionsprüfungen gesammelt werden. Die Mediziner analysieren, wie viele Aerosole ein Patient ausatmet. Diese Aerosole sind nicht-flüchtige Tröpfchen mit einer Größe im Mikrometer-Bereich (Tausendstel Millimeter), die in der Ausatemluft festgestellt werden können. Am Institut wird ein im Computer erzeugtes Modell eines Lungengangs erstellt, das mithilfe von Strömungssimulationen die Vorgänge in der Lunge nachstellt. "Unsere ersten Ergebnisse für die Vorgänge in gesunden Lungen haben die medizinischen Studien bestätigt", sagt Heide von Seggern, Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut. "Aktuell laufen Untersuchungen zur Tröpfchenbildung in erkrankten Lungen."

Die Wissenschaftler haben zunächst analysiert, wie die Aerosolentstehung in der Lunge überhaupt funktioniert. Die Vorgänge der Tröpfchenbildung zu ergründen ist vor allem deshalb so schwierig, weil es mit dem Bronchoskop nicht möglich ist, in die winzigen Strukturen der unteren Atemwege zu gelangen, um dort die Aerosolentstehung direkt zu beobachten. Die Computermodelle, die am Institut entwickelt werden, dienen dazu, die Tröpfchenbildung in den unteren Atemwegen zu verstehen. Erst auf der Grundlage dieses Verständnisses der Vorgänge innerhalb der Lunge können künftig die Ergebnisse der Analyse der Ausatemluft bewertet werden.

In den unteren Atemwegen schließt sich durch die Annäherung der Lungenbläschenwände während der Ausatmung ein Flüssigkeitsfilm im Lungenbläschen. Dieses proteinhaltige Fluid schützt die Lunge vor Austrocknung und dem Zusammenfallen. Die Strömungssimulationen der hannoverschen Wissenschaftler zeigen, dass bei der Einatmung, während der sich die Wände wieder voneinander entfernen, der Film zunächst erhalten bleibt, ähnlich wie bei Seifenblasen. Im Verlauf der Dehnung öffnet sich das Lungenbläschen jedoch so weit, dass der ausgedünnte Film irgendwann platzt. Durch das Platzen entstehen Tröpfchen, die beim Ausatmen nach außen befördert werden.

Die Oberflächenspannung des Fluidfilms hat Einfluss auf die Größenverteilung der Tropfen. Es soll geklärt werden, welchen Einfluss die entzündlichen Verengungen der Lungengänge, die bei einer Erkrankung entstehen, auf die Tropfenbildung haben. Durch die Untersuchung der Ausatemluft könnten in Zukunft etwa beginnende COPD-Erkrankungen bei sogenannten "gesunden Rauchern" erkannt werden, die selber noch nichts von ihrer Lungenerkrankung wissen. Dadurch könnten Lungenerkrankungen früher behandelt und die Prognose der Krankheitsverläufe verbessert werden.


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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilung
Leibniz Universität Hannover, Jessica Lumme, 03.08.2011
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veröffentlicht im Schattenblick zum 5. August 2011