Schattenblick →INFOPOOL →MEDIZIN → KRANKHEIT

HERZ/563: Bluthochdruck - Kathetertherapie in der Kritik (Thieme)


Thieme Verlag / FZMedNews - Dienstag, 17. April 2012

Bluthochdruck - Kathetertherapie in der Kritik



fzm - Wenn ein zu hoher Bluthochdruck durch Medikamente nicht ausreichend gesenkt werden kann, verspricht seit kurzem eine Katheterbehandlung eine dauerhafte Lösung. Etwa 160 Zentren bieten die sogenannte renale Denervation in Deutschland bereits an, doch die Therapie ist umstritten. In der Fachzeitschrift "DMW Deutsche Medizinische Wochenschrift" (Georg Thieme Verlag, Stuttgart. 2012) diskutieren zwei Experten über das Für und Wider.

Die renale Denervation erfolgt über einen Katheter, der von der Leiste aus bis in die Nierenarterie vorgeschoben wird. Mittels hochfrequenter Radiowellen werden Nervenfasern in der Umgebung der Arterie zerstört, die die Blutdruckregulierung beeinflussen. Der Eingriff dauert etwa 45 bis 60 Minuten. Ziel dieses Eingriffes ist es, den Blutdruck dauerhaft zu senken - auch bei Patienten, denen mehrere Medikamente nicht geholfen hatten.

Dr. med. Felix Mahfoud, der die Therapie am Universitätsklinikum des Saarlandes in Homburg durchführt, betrachtet die renale Denervation als komplikationsarm. Er verweist auf Studienergebnisse, in denen die Blutdruckwerte sechs Monate nach der Therapie um 32/12 mmHg gesenkt wurden. Folgeschäden an den Nierenarterien seien auch nach drei Jahren, solange liegen die Behandlungen der ersten Studie zurück, bisher nicht aufgetreten. Weitere Erfahrungen zu den Langzeiteffekten erfassen Ärzte laut Dr. Mahfoud derzeit in einem internationalen Register.

Während Dr. Mahfoud in der renalen Denervation eine "willkommene Alternative im Spektrum der antihypertensiven Behandlungsmöglichkeiten" sieht, mahnt Professor Heinrich Holzgreve, München, zur Vorsicht. Bislang sei nicht klar, ob die renale Denervation die Folgeschäden des Bluthochdrucks vermeide, wie dies für Medikamente belegt ist. Unklar sei auch, ob nicht doch noch Folgeschäden an den Nierenarterien auftreten. Der Internist befürchtet, dass eine Narbenbildung langfristig zu Engstellen, Stenosen, in den Nierenarterien führt. Professor Holzgreve weist darauf hin, dass die renale Denervation in den USA derzeit nicht zugelassen ist. Die dortige Aufsichtsbehörde FDA (U.S. Food and Drug Administration) hat eine weitere Studie gefordert, in der die renale Denervation mit einer Placebobehandlung, also einer Scheintherapie, verglichen wird. Diese Symplicity-HTN3-Studie wird derzeit durchgeführt.

Der Internist verweist außerdem auf Erfahrungen der Berliner Charité, wo nur jeder fünfte zur renalen Denervation überwiesene Patient diesen Eingriff benötigte. "Meine Erfahrungen bei der Zuweisung von circa 100 Patienten mit vermeintlich therapierefraktärer Hypertonie bestätigen diese Aussagen: mit ganz wenigen Ausnahmen konnte der Blutdruck bei allen normalisiert werden", schreibt Professor Holzgreve. Der Internist weist auch darauf hin, dass die meisten Patienten nach einer renalen Denervation weiterhin Medikamente gegen ihren Blutdruck einnehmen müssen. Die Katheterbehandlung unterstützt die Wirkung der Medikamente, ersetzt sie aber in der Regel nicht.


F. Mahfoud:
Renale Sympathikusdenervation bei arterieller Hypertonie - Pro
DMW Deutsche Medizinische Wochenschrift 2012: 137 (14): S.720

H. Holzgreve:
Renale Sympathikusdenervation bei arterieller Hypertonie - Contra
DMW Deutsche Medizinische Wochenschrift 2012: 137 (14): S.721

*

Quelle:
FZMedNews - Dienstag, 17. April 2012
Georg Thieme Verlag KG
Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Rüdigerstraße 14, 70469 Stuttgart
Telefon: 0711-8931-319, Fax: 0711-8931-167
Internet: www.thieme.de/presseservice/fzmednews/


veröffentlicht im Schattenblick zum 20. April 2012