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HERZ/1092: Kongress der Europäischen Gesellschaft für Kardiologie (ESC) in München (3) (idw)


Deutsche Gesellschaft für Kardiologie - Herz- und Kreislaufforschung
Pressemitteilungen vom 27.-28. August 2018

Kongress der Europäischen Gesellschaft für Kardiologie (ESC) in München
vom 25. bis 29. August 2018

1. LDL-Cholesterin nach Herzinfarkt: Je länger Präventionsprogramme laufen, desto besser
2. Studie: Bei Diabetes-Patienten halten sich Nutzen und Risiko von Aspirin-Prophylaxe in der Waage
3. Bluthochdruck-Kinder haben auch viele andere Risikofaktoren
4. Zu wenig Schlaf verhärtet und verstopft die Arterien
5. Herz-Medikamente: Frauen noch immer schlechter versorgt als Männer


1. LDL-Cholesterin nach Herzinfarkt: Je länger Präventionsprogramme laufen, desto besser

Nach einem Herzinfarkt sollten Präventionsprogramme gegen ein hohes LDL-Cholesterin möglichst langfristig sein, um nachhaltig erfolgreich zu sein, fordern Spezialisten aus Bremen auf dem ESC-Kongress.

Nach einem Herzinfarkt sollten Präventionsprogramme gegen ein hohes LDL-Cholesterin möglichst langfristig sein, fordern Spezialisten aus Bremen auf dem Europäischen Kardiologiekongress. "Ein intensives Präventionsprogramm (IPP) nach einem Herzinfarkt führt zu signifikant besseren LDL-Werten. Doch nach der Beendigung des Programms nach zwölf Monaten steigen die LDL-Werte wieder an, was nahe legt, dass auch ein Jahr nicht ausreicht, um nachhaltig niedrige LDL-Werte zu erreichen. Deshalb ist eine längerfristige Prävention erforderlich", so Dr. Stephan Michel (Bremer Institut für Herz und Kreislaufforschung). In München kommen von 25. bis 29. August 31.000 Teilnehmer aus 150 Ländern zusammen, der Kongress der Europäischen Gesellschaft für Kardiologie (ESC) ist einer der weltweit größten Medizinkongresse.

Patientenerziehung und -information führen zu einer verbesserten Therapietreue, so Dr. Michel, allerdings "haben Präventionsprogramme wie EUROACTION oder RESPONSE II bisher noch keine signifikanten Auswirkungen auf Blutfettwerte gezeigt". Dr. Michel und seine Multicenter-Studiengruppe wollten die Effekte eines modernen intensiven Präventionsprogramms nachweisen, indem sie 282 Infarktpatienten einen Monat nach der Krankenhausentlassung entweder einer herkömmlichen Betreuung zuteilten, oder einem IPP mit regelmäßigen Untersuchungen, Risikofaktor-Kontrollen, Therapieanpassungen und Informationen. Die Studie analysiert die Lipid-Profile nach 6, 12 und 24 Monaten.

Einen Monat nach der Krankenhaus-Entlassung betrugen die LDL-Werte nach einem dreiwöchigen kardialen Rehabilitationsprogramm 71,4 Milligramm/Deziliter in der IPP-Gruppe und 69,0 Milligramm/Deziliter in der Gruppe mit herkömmlicher Betreuung. Nach 12 Monaten wurde in der IPP-Gruppe mit 66,3 vs. 75,6 Milligramm/Deziliter eine signifikante Verbesserung gegenüber der Kontrollgruppe gemessen.

Nach Abschluss des IPP näherten sich die LDL-Werte allerdings wieder den Ursprungswerten an, nach 24 Monaten gab es keinen signifikanten Unterschied zur Kontrollgruppe mehr. Die Schlussfolgerung daraus, so Dr. Michel, sei also, dass Präventionsprogramm langfristig laufen müssen, wenn sie nachhaltig erfolgreich sein sollen.


Quellen:
ESC Abstract Nr. 82418; Michel et al.: Intensive prevention program after myocardial infarction: how can LDL cholesterol be reduced and how long are intensive prevention efforts needed?

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung stehen unter:
http://idw-online.de/de/institution737

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2. Studie: Bei Diabetes-Patienten halten sich Nutzen und Risiko von Aspirin-Prophylaxe in der Waage

Aspirin kann bei Diabetikern, die noch keine kardiovaskuläre Vorerkrankung haben, wirksam Herzinfarkten und Schlaganfällen vorbeugen, aber es kann zu starken Blutungen kommen. Einen Krebs-protektiven Effekt, wie ihn frühere Studien gezeigt hatten, konnte die Untersuchung nicht nachweisen.

Aspirin kann bei Diabetikern, die noch keine kardiovaskuläre Vorerkrankung haben, wirksam Herzinfarkten und Schlaganfällen vorbeugen, aber es kann zu starken Blutungen kommen. Das sind zentrale Ergebnisse der ASCEND-Studie (A Study of Cardiovascular Events iN Diabetes), die auf dem Europäischen Kardiologiekongress in München präsentiert wurde. Zeitgleich wurde die Arbeit auch im New England Journal of Medicine veröffentlicht. Einen Krebs-protektiven Effekt, wie ihn frühere Studien gezeigt hatten, konnte die Untersuchung nicht nachweisen.

Diabetes-Patienten haben generell ein erhöhtes Herz-Kreislauf-Risiko. Aspirin reduziert nachweislich das Risiko eines neuerlichen kardiovaskulären Ereignisses nach einem Herzinfarkt oder Schlaganfall, und wird bei Patienten mit einer kardiovaskulären Vorerkrankung empfohlen. Die Rolle von Aspirin in der Primärprävention - also bei Menschen ohne bestehende Herz-Kreislauferkrankung - hingegen ist bisher weniger eindeutig, weil die Substanz auch mit einem erhöhten Risiko starker Blutungen verbunden ist.

"Wir konnten in der aktuellen Studie klar zeigen, dass Aspirin das Risiko kardiovaskulärer Ereignisse wie Herzinfarkte, Schlaganfälle oder Transitorische Ischämische Attacken (TIA) reduziert, es erhöht aber auch das Blutungsrisiko, insbesondere im Magen-Darm-Trakt", berichtete in München die Hauptautorin der Studie, Prof. Jane Armitage von der Universität Oxford. "Insofern gibt es also keinen eindeutigen Benefit. Einen Krebs-protektiven Effekt, wie er immer wieder diskutiert wird, konnten wir in dieser Studie nicht nachweisen. Wir werden aber die Studienteilnehmer weiterverfolgen um zu sehen, ob es diesbezüglich langfristig positive Effekte gibt."

Für die ASCEND-Studie wurden zwischen 2005 und 2011 insgesamt 15.480 Patienten mit Diabetes untersucht, die keine kardiovaskuläre Vorerkrankung aufwiesen. Sie erhielten entweder 100 mg Aspirin täglich oder Placebo. Während einer durchschnittlichen Follow-up-Periode von 7,4 Jahren erlitten 8,5 Prozent der Patienten in der Aspirin-Gruppe ein kardiovaskuläres Ereignis (Herzinfarkt, Schlaganfall oder TIA), in der Placebo-Gruppe waren es 9,6 Prozent: Bei 11 von 1.000 Teilnehmern ließ sich also ein solches Ereignis vermeiden, das entspricht einer relativen Risikoreduktion von 12 Prozent.

Dem gegenüber gab es bei 4,1 Prozent der Studienteilnehmer in der Aspirin-Gruppe schwere Blutungen, und bei 3,2 Prozent in der Placebo-Gruppe: 9 von 1.000 Teilnehmern hatten also eine Aspirin-bedingte schwere Blutung, das entspricht einer relativen Risikozunahme von 29 Prozent. Nutzen und Risiko der Aspirin-Prophylaxe hielten sich also die Waage, wie die Studienautoren betonten.

Informationen zur Finanzierung der Studie: British Heart Foundation, Medical Research Council Population Health Research Unit (MRC-PHRU), Bayer AG, Solvay, Abbott und Mylan

Offenlegung: Die Studie wurde unabhängig von den Sponsoren von der Clinical Trail Service Unit & Epidemiological Studies Unit (CTSU) des Nuffield Department of Population Health, Universität Oxford, entworfen und durchgeführt. Die Studienleiter befolgen die CTSU-Richtlinien und nehmen keine Zahlungen oder Honorare von pharmazeutischen Unternehmen an.


Quellen:
ASCEND - A randomized trial of aspirin versus placebo for primary cardiovascular prevention in 15,480 people with diabetes, wurden auf dem ESC-Kongress in folgenden Sitzungen präsentiert: Pressekonferenz Hot Line - Late Breaking Clinical Trials 2 Hot Line Session

Meet the trialist ASCEND, 27. August 2018, 12 Uhr 40

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3. Bluthochdruck-Kinder haben auch viele andere Risikofaktoren

Kinder und Jugendliche mit Bluthochdruck haben gegenüber Gleichaltrigen mit normalem Blutdruck ein 2,1fach höheres Risiko für Übergewicht, ein 3,6mal höheres Risiko für abdominale Adipositas ("inneres Bauchfett") und ein 1,5mal höheres Risiko für Insulinresistenz, einer Vorstufe von Diabetes, berichten deutsche Forscher auf dem Europäischen Kardiologiekongress in München.

Kinder und Jugendliche mit Bluthochdruck haben gegenüber Gleichaltrigen mit normalem Blutdruck ein 2,1fach höheres Risiko für Übergewicht, ein 3,6mal höheres Risiko für abdominale Adipositas ("inneres Bauchfett") und ein 1,5mal höheres Risiko für Insulinresistenz, einer Vorstufe von Diabetes. Zu diesem Ergebnis kam die "PEP Family Heart Studie Nürnberg", in der 7.076 Kinder und Jugendliche in einem Alter zwischen 3 und 18 Jahren auf acht Risikofaktoren untersucht wurden, z.B. Übergewicht, abdominale Adipositas, Blutfettwerte, Nüchternzuckerwerte. 361 der Teilnehmer hatten Bluthochdruck.

Diese Studienergebnisse unterstreichen die Bedeutung der Untersuchung auf weitere Risikofaktoren für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, wenn bei einem Kind oder Jugendlichen ein Risikofaktor vorliegt, und bei Bedarf einer entsprechenden Behandlung.

Die Studie wurde von Prof. Dr. Peter Schwandt (Arteriosklerose Präventionsinstitut, München und Nürnberg) auf dem Kongress der Europäischen Gesellschaft für Kardiologie (ESC) vorgestellt. In München kommen von 25. bis 29. August 31.000 Teilnehmer aus 150 Ländern zusammen, was den Kongress zu einem der weltweit größten Medizinkongresse macht.


Quellen:
ESC Abstract Nr. 84848; Schwandt et al.: Cardiometabolic risk factors in hypertensive children and adolescents: The PEP Family Heart Study

Best Posters 5: Best Posters in preventive cardiology

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4. Zu wenig Schlaf verhärtet und verstopft die Arterien

Wer täglich weniger als sechs Stunden schläft oder öfter in der Nacht aufwacht, hat ein erhöhtes Arteriosklerose-Risiko und häufiger ein metabolisches Syndrom. Studienteilnehmer mit den meisten Schlafunterbrechungen hatten wesentlich häufiger mehrere Arterienabschnitte mit Arteriosklerose als jene mit den wenigsten Schlafunterbrechungen. Diese Ergebnisse der PESA-Studie wurden auf den Europäischen Kardiologiekongress in München vorgestellt.

Wer täglich weniger als sechs Stunden schläft oder häufig in der Nacht aufwacht, hat ein erhöhtes Arteriosklerose-Risiko. "Zu wenig Schlaf und Unruhe während der Nacht sollten als Risikofaktoren für das Verstopfen oder Verengen von Arterien gesehen werden", sagt Dr. Fernando Dominguez (Madrid) bei der Präsentation der PESA-Studie auf einer Pressekonferenz des Europäischen Kardiologenkongresses. In München werden von 25. bis 29. August 31.000 Teilnehmer aus 150 Ländern zusammen kommen, der Kongress der Europäischen Kardiologengesellschaft (ESC) ist einer der weltweit größten Medizinkongresse.

Die PESA-Studie untersuchte das Schlafverhalten von 3.974 gesunden Erwachsenen mit einem Durchschnittsalter von 46 Jahren über eine Woche. Die Studienteilnehmer wurden in Untergruppen eingeteilt, mittels dreidimensionalem Ultraschall wurde Arteriosklerose in den Hals- und Bein-Arterien gemessen. Nachdem alle wichtigen Risikofaktoren statistisch berücksichtigt worden waren, zeigte sich, dass Studienteilnehmer mit sehr kurzer Schlafdauer signifikant mehr Arteriosklerose aufwiesen als solche mit täglich 7 bis 8 Stunden Schlaf. Studienteilnehmer mit den meisten Schlafunterbrechungen hatten wesentlich häufiger mehrere Arterienabschnitte mit Arteriosklerose als jene mit den wenigsten Schlafunterbrechungen.

"Menschen mit kurzem oder unterbrochenem Schlaf hatten auch weit häufiger ein metabolisches Syndrom, also eine Kombination von Diabetes, hohem Blutdruck und Übergewicht", sagt Dr. Dominguez. Es sei sinnvoll, einen guten Nachtschlaf anzustreben, zum Beispiel durch körperliche Aktivitäten und das Vermeiden von Kaffee und fettem Essen vor dem Schlafengehen.


Quellen:
ESC Abstract Nr. 84134; Dominguez et al.: Association of actigraphy-measured sleep parameters and subclinical atherosclerotic burden: the PESA study

Pressekonferenz: The ZZZs of heart health: the art of good sleeping

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5. Herz-Medikamente: Frauen noch immer schlechter versorgt als Männer

Unterschiede bei den Verschreibungsraten von Herz-Kreislauf-Medikamenten zwischen bereits erkrankten Frauen und Männern zeigen zwar eine abnehmende Tendenz, sind aber alles andere als verschwunden. Das Geschlecht ist bei drei von vier untersuchten Evidenz-basierten Medikamentengruppen noch immer ein wichtiger Faktor bei der Verschreibung, so eine Untersuchung aus Köln.

Unterschiede bei den Verschreibungsraten von Herz-Kreislauf-Medikamenten zwischen bereits erkrankten Frauen und Männern zeigen zwar eine abnehmende Tendenz, sind aber alles andere als verschwunden. Das Geschlecht ist bei drei von vier untersuchten Evidenz-basierten Medikamentengruppen noch immer ein wichtiger Faktor bei der Verschreibung: Der Faktor Geschlecht war 2016 statistisch signifikant bei der Antiplättchen-Therapie, bei Blutdrucksenkern vom Typ der ACE-Hemmer und bei Cholesterinsenkern vom Typ der Statine, eine Ausnahme sind Blutdrucksenker vom Typ der Beta-Blocker. "Diese Ergebnisse bestätigen, dass es noch immer von herausragender Bedeutung ist, die Sekundärprävention bei Frauen mit einer Herz-Kreislauf-Krankheit zu verbessern", so Dr. Bernd Hagen (Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung, Köln) auf dem Europäischen Kardiologiekongress, bei dem in München 31.000 Spezialisten aus 150 Ländern zusammenkommen. Die Arbeit hat die Verschreibungsraten bei den vier genannten Medikamentengruppen im Jahr 2008 mit dem Jahr 2016 in der Region Nordrhein verglichen.

Die Gesamtverschreibungen zeigen eine insgesamt steigende Tendenz, die bei Frauen stärker ausgeprägt war als bei Männern. "Als Ergebnis verringerten sich die Unterschiede der Verschreibungsraten zwischen Männern und Frauen, blieben aber besonders bei Statinen und Anti-Plättchen-Medikamenten relativ groß", so Dr. Hagen. Zwischen 2008 und 2018 verringerten sich die Unterschiede bei den Verschreibungsraten zwischen Männern und Frauen bei Anti-Plättchen Medikamenten von 7,1 auf 6,3 Prozent, bei Beta Blockern von 4,8 auf 2,5 Prozent, bei ACE-Hemmern von 5,9 auf 4,6 Prozent und bei Statinen von 10,5 auf 8,3 Prozent.


Quellen:
ESC Abstract Nr. 81656; B. Hagen et al.: Different prescription rates between men and women with cardiovascular disease. Can a disease management program close the gap?

Health economics and policy to improve cardivascular care and outcomes

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Über die Europäische Gesellschaft für Kardiologie
Die Europäische Gesellschaft für Kardiologie (ESC) vereinigt Medizinerinnen, Mediziner und Angehörige anderer Gesundheitsberufe aus mehr als 150 Ländern. Sie setzt sich dafür ein, die Herz-Kreislauf-Medizin weiter zu entwickeln und unterstützt die Menschen dabei, länger und gesünder zu leben.

Über den ESC-Kongress 2018
Der ESC-Kongress ist weltweit die größte und einflussreichste wissenschaftliche Veranstaltung im Bereich der Herz-Kreislauf-Medizin. Der ESC-Kongress 2018 findet vom 25. bis 29. August in der Messe München satt. Das wissenschaftliche Programm ist hier zu finden.


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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilung
Deutsche Gesellschaft für Kardiologie - Herz- und Kreislaufforschung e.V.
Pressemitteilungen vom 27.-28. August 2018
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 1. September 2018

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