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INFEKTION/1155: Malaria in Afrika - Krankheit der Armen (Securvital)


Securvital 2/2011 - März/April
Das Magazin für Alternativen im Versicherungs- und Gesundheitswesen

Malaria in Afrika
Krankheit der Armen

Von Constanze Löffler


Jedes Jahr sterben eine Million Menschen in Afrika und Südostasien an den Folgen einer Malaria-Infektion. Bislang ist es nicht gelungen, die Krankheit entscheidend einzudämmen. Aber neue Forschungen machen Hoffnung.


Malaria, haikubalika, Malaria ("Wir geben der Malaria keine Chance"). Trotz der beschwörenden Worte dieses Kinderliedes kommen die infektiösen Moskitos immer wieder, jeden Tag mit der Dämmerung. Sie warten bei den Wasserlöchern, an denen die Kinder spielen, und in den öffentlichen Latrinen. Und sie dringen in die Wohnhäuser und öffentlichen Gebäude ein. Eine Woche, nachdem die Mücken zugestochen haben, ist das Fieber da. Begleitet von Kopfschmerzen, von Übelkeit und Erbrechen. Ohne Behandlung ist das erst der Beginn: "Die Menschen sterben an lebensbedrohlichen Komplikationen wie Blutarmut oder Koma, wenn die Parasiten in den kleinsten Blutgefäßen des Gehirns haften bleiben", sagt Prof. Rolf Horstmann, Malariaforscher und Leiter des Bernhard-Nocht-Instituts für Tropenmedizin in Hamburg.

Knapp zwei Milliarden US-Dollar - die höchste Summe jemals - wurden im Jahr 2010 im Kampf gegen die Malaria ausgegeben. Dennoch erkranken nach wie vor jedes Jahr eine Viertel Milliarde Menschen an der Tropenseuche. Eine Million davon sterben, die überwältigende Mehrheit in den afrikanischen Ländern südlich der Sahara. Die Weltgesundheitsorganisation WHO hat es vorgerechnet: Alle 45 Sekunden rafft es ein afrikanisches Kind an Malaria hin. Damit geht jeder fünfte Kindstod auf Kosten der Erkrankung. Weil das kindliche Immunsystem Jahre braucht, um sich der Erreger zu erwehren. Und weil sich die Kinder nicht selbst schützen können. Schwangere trifft es ebenfalls hart: Mit einer erhöhten Müttersterblichkeit, durch Frühgeburten und untergewichtige Neugeborene.


Resistente Antibiotika

Darüber hinaus hat die Erkrankung verheerende wirtschaftliche Folgen. Allein in Afrika betragen die volkswirtschaftlichen Verluste laut WHO zwölf Milliarden Dollar jährlich. Einige afrikanische Länder geben bis zu 40 Prozent ihrer Gesundheitsausgaben nur für Malaria aus. "Malaria ist eine Krankheit der Armen", sagt Horstmann. So versäumen beispielsweise malariakranke Kinder den Unterricht. Ihr Bildungsdefizit trägt dazu bei, erneut ein Leben in Armut zu verbringen. Touristen meiden malariagefährdete Gebiete. Ausländische Investoren zögern, ihr Geld in Landstrichen mit hohem Krankenstand und geringer Produktivität anzulegen.

Der Krankheit ist nur schwer Einhalt zu gebieten: Gegen mehrere Antibiotika hat der Erreger dank seiner üppigen genetischen Ausstattung Resistenzen entwickelt. Bekannte Malariamittel wie Chloroquin sind nur noch begrenzt wirksam. Indem der Parasit die Proteine auf seiner Außenhülle ständig verändert, ist er für die Immunabwehr praktisch unsichtbar.


Medikamente aus China

Vor ein paar Jahren entdeckte man endlich ein Kraut, das den Mikroben gewachsen ist: Artemisinin, gewonnen aus den Blättern und Blüten von Artemisia annua (Einjähriger Beifuß), einer unscheinbaren Heilpflanze, die man auch in der traditionellen chinesischen Medizin anwendet. "Trotz erster Resistenzen in Südostasien ist Artemisinin das einzig wirksame Mittel, was wir im Moment haben", sagt Horstmann. Damit das noch lange so bleibt, darf der Wirkstoff nur kombiniert mit anderen Präparaten gegeben werden.

Damit Ärzte in ein paar Jahren nicht gänzlich ohne effiziente Medikamente dastehen, arbeiten einige hundert Wissenschaftler weltweit an rund 20 Medikamenten gegen Malaria. Unterstützt wird die Arbeit von der gemeinnützigen Stiftung "Medicines for Malaria Venture" (MMV). Seit ein paar Jahren investiert auch die Bill & Melinda Gates Stiftung mehrere Millionen Dollar jährlich in die Entwicklung von Präparaten.

"Medikamente allein reichen nicht aus, um die Malaria wirksam zu bekämpfen", sagt Horstmann. Vektor-Kontrolle sei notwendig, um den Infektionsweg zu unterbrechen. Laut WHO die effektivste Maßnahme: Mit Insektiziden beschichtete Moskitonetze, die bis zu fünf Jahre halten. Hilfsorganisationen wie World Vision verteilen seit ein paar Jahren in akribisch geplanten Aktionen Netze an Kinder, die jünger als fünf Jahre sind, und an schwangere Frauen.

"Medikamente allein reichen nicht aus, um die Malaria wirksam zu bekämpfen."
Prof. Rolf Horstmann, Tropenmediziner

"An die 500.000 Menschenleben könnten in Afrika südlich der Sahara gerettet werden, wenn alle Kinder unter imprägnierten Netzen schliefen", sagt Christian Lengeler vom Schweizer Tropeninstitut in Basel. Für die renommierte Cochrane Collaboration werteten Lengeler und sein Forscherteam 22 Studien aus: Die Anzahl der Malariaerkrankungen halbierte sich durch die vorbehandelten Netze im Vergleich zu Regionen, in denen keine oder nicht imprägnierte Netze benutzt wurden. Auch Folgeerkrankungen traten seltener auf; die Kindersterblichkeit sank um ein Fünftel.

Vielerorts besprüht man die Innenwände der Häuser mit Insektiziden. Auf diesem Weg konnte die Malaria vor über 50 Jahren in Nordamerika und Europa ausgerottet werden, vor allem mit Dichlordiphenyltrichlorethan, abgekürzt DDT. Das Insektizid geriet unter Verdacht, beim Menschen Krebs auszulösen, und wurde in den 70er Jahren in den meisten westlichen Industrieländern verboten. Damals wurde es allerdings zur Schädlingsbekämpfung auf Feldern tonnenweise ausgebreitet. Heute wird DDT wieder gezielt zur Bekämpfung von krankheitsübertragenden Insekten, insbesondere bei Malaria, hergestellt und verwendet. Allerdings sind erste Mückenstämme resistent gegen gängige Insektizide. Günstige und verträgliche Alternativen dazu gibt es nicht.


Hoffnung auf Impfstoff

Ein neuer Impfstoff gegen die Malaria soll künftig vor allem den Kindern zugutekommen. 16.000 Heranwachsende in Burkina Faso, Gabun, Ghana, Kenia, Malawi, Mosambik und Tansania testen derzeit RTS,S - einen Impfstoff, der die körpereigene Abwehr gegen Malaria stärkt. Das aussichtsreiche Vakzin ist nach über 20 Jahren Forschung in der letzten von drei gesetzlich vorgeschriebenen Testphasen. In bisherigen Untersuchungen hat RTS,S die Zahl der Malariaerkrankungen für einen Zeitraum von mindestens acht Monaten um gut die Hälfte gesenkt. "Dafür, dass sich der Parasit ständig wandelt, wirkt der Impfstoff erstaunlich gut", sagt Horstmann. Wie schnell nachgeimpft werden muss, um vor allem die Kinder auf Dauer zu schützen, werden weitere Studien zeigen müssen. Verlaufen die Tests wie erwartet, könnte RTS,S schon 2013 auf dem Markt sein.


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MALARIAZYKLUS
Wenn weibliche Moskitos der Gattung Anopheles zustechen und Blut saugen, übertragen sie winzige Krankheitserreger (Plasmodien). Über die Leber landen diese Einzeller in den roten Blutkörperchen. Dort vermehren sie sich massenhaft und lösen Wechselfieber aus, das alle paar Tage wiederkommt. Stechen die Mücken einen Malariakranken, bildet sich in ihnen eine neue Generation von Erregern, die beim nächsten Mückenstich ein neues Opfer infizieren können.


EMPFEHLUNG FÜR REISENDE
Jedes Jahr werden 600 bis 1.000 Malariafälle in Deutschland gemeldet. Die Dunkelziffer ist schätzungsweise viermal so hoch. Am besten vermeiden Sie Malaria, indem Sie die Mückenstiche verhindern (langärmelige Kleidung, Insektenspray, Moskitonetz). Eine medikamentöse Malariaprophylaxe beginnt meistens eine Woche vor der Reise und hört vier bis sechs Wochen danach auf. Je nach Reiseziel bieten sich Wirkstoffe wie Chloroquin, Mefloquin, Doxycyclin, Proguanil oder Pyrimethamin an. Lassen Sie sich rechtzeitig vor der Reise von einem Tropenmediziner beraten.


Bildunterschriften der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildungen der Originalpublikation:
- Im Labor sind die Forscher den Malaria-Erregern auf der Spur, die sich ständig verändern.
- In der Schule lernen sudanesische Kinder den Umgang mit Moskitonetzen.


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Quelle:
Securvital 2/2011 - März/April, Seite 32 - 34
Das Magazin für Alternativen im Versicherungs- und Gesundheitswesen
Herausgeber: SECURVITA GmbH - Gesellschaft zur Entwicklung
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Redaktion: Norbert Schnorbach (V.i.S.d.P.)
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veröffentlicht im Schattenblick zum 17. Juni 2011