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RHEUMA/298: Neuer Entzündungsmechanismus für Krankheitsentstehung entdeckt (idw)


Universität Greifswald - 26.11.2019

Neuer Entzündungsmechanismus für die Entstehung von Rheuma entdeckt

Forschungsergebnisse verstärken vermuteten Zusammenhang von Erkrankung und Nikotinmissbrauch


Eine internationale Forschergruppe um den Greifswalder Rheumatologen PD. Dr. Lukas Bossaller hat einen neuartigen Entzündungsmechanismus entdeckt, der für Patienten mit Rheumatoider Arthritis (entzündliches Gelenkrheuma) in Zukunft neue Therapiemöglichkeiten bieten könnte. Die Wissenschaftler fanden heraus, dass es in den zur Infektionsabwehr dienenden weißen Blutkörperchen (Fresszellen) bei einer entzündlichen Form des Zelltodes zu einer Aktivierung von Enzymen, den sogenannten Peptidylarginin-Deiminasen, kommt.

Diese Form des entzündlichen Zelltodes wurde zuvor bereits bei Rauchern in Lungenproben nachgewiesen und könnte eine Erklärung dafür sein, warum sich eine Rheumatoide Arthritis überproportional häufig bei Rauchern entwickelt. Die Studienergebnisse wurden in der renommierten "Cutting Edge Sektion" des amerikanischen Journals of Immunology (*) veröffentlicht.

Neuer möglicher Therapieansatz durch Blockade der schädlichen Enzyme

Die Rheumatoide Arthritis ist eine chronische Entzündung der Gelenke, an der jeder hundertste Mensch im Laufe seines Lebens erkrankt. Die genauen Ursachen für die Entstehung einer Rheumatoiden Arthritis sind bisher nicht bekannt. Man vermutet, dass eine genetische Veranlagung und Umweltfaktoren dafür verantwortlich sind, dass sich die natürlichen Abwehrkräfte des Patienten gegen die eigenen Gelenke und Organe richten. Ein wichtiger diagnostischer Marker zum Nachweis einer Rheumatoiden Arthritis sind Autoantikörper, die gegen citrullinierte Oberflächenstrukturen von körpereigenen Eiweißmolekülen gerichtet sind, sogenannte "anti-citrullinierte Peptid-Antikörper" (ACPAs). Mit Citrullinierung bezeichnet man die Umwandlung der Aminosäure Arginin in die verwandte Aminosäure Citrullin. Diese Antikörper weisen eine hohe Spezifität und Sensitivität in der Rheumadiagnostik auf und können schon vor Ausbruch der Erkrankung auftreten. Außerdem finden sich diese Autoantikörper bei einer besonders schweren Form der rheumatischen Gelenkzerstörung.

Das Vorkommen von Autoantikörpern gegen citrullinierte Eiweißmoleküle bei Rheumatoider Arthritis deutet darauf hin, dass eine gestörte Aktivität von Enzymen, die das Arginin zu Citrullin umwandeln, zur Entstehung der Krankheit beitragen. Diese Enzyme werden Peptidylarginin-Deiminasen (PAD) genannt. Blutplasmaproben und die Gelenkinnenhaut von Patienten mit Rheumatoider Arthritis enthalten hohe Konzentrationen an citrullinierten Eiweißmolekülen.

Die Abfolge von Ereignissen, die zur Aktivierung dieser PAD-Enzyme während einer Entzündungsreaktion führen, ist derzeit noch nicht genau bekannt. Das Forscherteam berichtete erstmals, dass es in Fresszellen zu einer ausgeprägten Citrullinierung körpereigener Proteine kommt, wenn diese Zellen einen entzündlichen Zelltod sterben. "Darüber hinaus konnten wir erkennen, dass eine Blockade der PAD-Enzyme auch die gesundheitsgefährdende Entzündung durch das 'Inflammasom' - einem Eiweißkomplex in den Fresszellen, vermindert", erläuterte PD Dr. Lukas Bossaller. "Das ist insofern ein wichtiges Ergebnis unserer Studie, weil sich daraus neue und erfolgversprechende Therapieansätze für betroffene Patienten entwickeln könnten."

Der Leiter der Arbeitsgruppe, PD Dr. Lukas Bossaller (45), hat in Berlin sein Abitur abgelegt, in Göttingen Medizin studiert und am Max-Planck-Institut für Immunbiologie in Freiburg promoviert. Im Anschluss an eine Weiterbildung zum internistischen Rheumatologen am Universitätsklinikum in Freiburg hat der Mediziner in den USA an der University of Massachusetts Medical School zu Entzündungsvorgängen und Autoimmunerkrankungen geforscht und ab 2013 eine eigene Forschungsgruppe an der Medizinischen Hochschule Hannover aufgebaut. Seit 2016 leitet er den Bereich Rheumatologie innerhalb der Klinik und Poliklinik für Innere Medizin A an der Universitätsmedizin Greifswald und behandelt mit seinem Team und modernsten Methoden eine rasch wachsende Zahl ambulanter und stationärer Patienten mit rheumatologischen und immunologischen Erkrankungen.


Hintergrund Rheuma

Rheuma entsteht durch Störungen des Immunsystems. Es handelt sich um eine Gruppe von Autoimmunerkrankungen, bei der körpereigene Bestandteile vom Immunsystem als fremd erkannt werden und so eine Entzündungsreaktion in den Gelenken und anderen Organen ausgelöst wird. Oft sind die Ursachen und Auslöser unbekannt, auch erbliche Veranlagungen und Umweltfaktoren (z.B. das Rauchen) können eine Rolle spielen. Schmerzhafte und geschwollene Gelenke sind ein Symptom rheumatischer Erkrankungen. Etwa 1,5 Millionen Menschen leiden in Deutschland unter entzündlich-rheumatischen Erkrankungen. Hinzu kommen etwa 20.000 rheumakranke Kinder
(Quelle: dgrh.de).


(*) Originalartikel in The Journal of Immunology
Cutting Edge: Protein Arginine Deiminase 2 and 4 Regulate NLRP3 Inflammasome-Dependent IL-1β Maturation and ASC Speck Formation in Macrophages Neha Mishra, Lidja Schwerdtner, Kelly Sams, Santanu Mondal, Fareed Ahmad, Reinhold E. Schmidt, Scott A. Coonrod, Paul R. Thompson, Markus M. Lerch and Lukas Bossaller
J Immunol August 15, 2019, 203 (4) 795-800
DOI: https://doi.org/10.4049/jimmunol.1800720
www.jimmunol.org/content/203/4/795.long

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung stehen unter:
http://idw-online.de/de/institution65

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilung
Universität Greifswald - 26.11.2019
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 30. November 2019

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