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SCHMERZ/607: Forschung - Warum Schmerz nicht gleich Schmerz ist (idw)


Deutsche Gesellschaft zum Studium des Schmerzes e.V. (DGSS) - 06.10.2011

Warum Schmerz nicht gleich Schmerz ist

Förderpreis für Schmerzforschung an Münchner Forscher


Die Wahrnehmung von Schmerz ist außergewöhnlich variabel: Mehr als jede andere, variiert die Wahrnehmung objektiv gleicher, potentiell schmerzhafter Reize von Moment zu Moment, von Person zu Person und von Gesunden zu Kranken. Die Münchner Forscher Dr. Enrico Schulz und Dr. Markus Ploner haben herausgefunden, wie diese enorme Variabilität der Schmerzwahrnehmung im Gehirn zustande kommt. Sie identifizierten zwei Typen von Hirnaktivität, die jeweils kurz- und langfristig bestimmen, wie stark ein Schmerz empfunden wird.

Für ihre Arbeit wurden sie beim Deutschen Schmerzkongress in Mannheim mit dem mit 7.000 Euro dotierten ersten Preis der Kategorie Grundlagenforschung des Förderpreises für Schmerzforschung 2011 ausgezeichnet. Der Preis wird jährlich vergeben von der Deutschen Gesellschaft zum Studium des Schmerzes e.V., Stifterin ist die Grünenthal GmbH (Aachen).

Einfaches Experiment

Die Forscher haben ein einfaches Experiment entwickelt, in dem sie einer Gruppe gesunder Probanden wiederholt objektiv gleich starke Hitzeschmerzreize verabreicht haben. Die wahrgenommene Intensität jedes einzelnen Reizes wurde von den Probanden auf einer Skala von 0 bis 10 eingeordnet. "Die Verhaltensdaten bestätigen, dass die Wahrnehmung objektiv gleicher Hitzereize von Moment zu Moment und von Person zu Person variiert", erläutert Dr. Schulz. Während des Experiments untersuchten die Wissenschaftler die Hirnaktivität mittels Elektroenzephalographie (EEG). In komplexen und innovativen Analysen der EEG-Daten setzten sie Schmerzwahrnehmung und Hirnaktivität miteinander in Beziehung.

Zwei Hirnbereiche prägen Änderungen der Schmerzwahrnehmung

"Unsere Ergebnisse zeigen, dass Schmerzwahrnehmung von zwei unterschiedlichen Typen von Hirnaktivität - den schmerzevozierten Potenzialen und den schmerzinduzierten Gamma-Oszillationen - geprägt wird", so Dr. Ploner. Variationen der Schmerzwahrnehmung von Person zu Person spiegeln sich dabei in den gut untersuchten schmerzevozierten Potenzialen wider. Variationen der Schmerzwahrnehmung von Moment zu Moment hingegen werden wesentlich durch in den letzten Jahren erstmals beschriebene hochfrequente, schmerzinduzierte Gamma-Oszillationen bestimmt. Unterschiedliche Typen von Hirnaktivität tragen somit verschiedene, einander ergänzende Information über die Variabilität der Wahrnehmung von Schmerz. Schmerzevozierte Potenziale prägen über längere Zeit unveränderliche Aspekte der Schmerzwahrnehmung, während schmerzinduzierte Gamma-Oszillationen kurzfristige Änderungen der Schmerzwahrnehmung prägen.

Schmerz besser verstehen

"Unsere Ergebnisse erlauben neue Einblicke in die Mechanismen der außergewöhnlichen Variabilität der Schmerzwahrnehmung im menschlichen Gehirn", unterstreichen die Forscher. Diese Beobachtungen trügen somit zum Wissen über die neuronalen Grundlagen des Schmerzes bei. Darüber hinaus können die Befunde zum Verständnis extremer Variationen der Schmerzwahrnehmung im Sinne von chronischem Schmerz beitragen.


Kontakt
Dr. Enrico Schulz, Dr. Markus Ploner
Klinikum rechts der Isar
Ismaninger Str. 22, 81675 München
E-Mail: eschulz@lrz.tu-muenchen.de / ploner@lrz.tu-muenchen.de

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung:
http://idw-online.de/de/institution618


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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilung
Deutsche Gesellschaft zum Studium des Schmerzes e.V. (DGSS), Meike Drießen, 06.10.2011
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 8. Oktober 2011