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SCHMERZ/610: Forschung - Wie chronische Schmerzen das Nervensystem verändern (idw)


Universitätsklinikum Heidelberg - 29.11.2011

Wie chronische Schmerzen das Nervensystem verändern

- Europäischer Forschungsrat fördert Professor Dr. Rohini Kuner mit rund 2 Millionen Euro
- ERC Advanced Grant für ausgezeichnete Heidelberger Schmerzforschung


Die international renommierte Schmerzforscherin Professor Dr. Rohini Kuner, Pharmakologisches Institut der Universität Heidelberg, erhält vom Europäischen Forschungsrat (ERC) eine hochdotierte Förderung für Spitzenforscher in Europa: Der ERC Advanced Grant in Höhe von rund 2 Millionen Euro läuft über fünf Jahre. Die Wissenschaftlerin und ihr internationales Team untersuchen, wie chronische Schmerzen entstehen und das Nervensystem verändern.

Im Fokus des geförderten Projektes mit dem Titel "The molecular and cellular basis of structural plasticity and reorganisation in chronic pain" stehen dabei molekulare und zelluläre Prozesse, die sich möglicherweise auch als Ansatzpunkte für neue Therapiemöglichkeiten eignen.

Dem Schmerzgedächtnis auf der Spur

Jeder fünfte Europäer leidet an chronischen Schmerzen. Ob Nervenschädigungen bei Diabetes oder Nervenverletzungen, etwa nach einem Unfall, ob Menschen mit anhaltenden Entzündungen von Haut, Organen oder Gelenken oder Patienten nach einer Amputation: Während akute Schmerzen sinnvolle Warnsignale sind, haben chronische Schmerzen ihren Sinn und Warncharakter weitgehend verloren. Das Nervensystem hat sich dabei verändert, von einzelnen Molekülen über Nervenzellen bis hin zu Nervenbahnen, Rückenmark und Gehirnarealen. Diese Eigenschaft wird Plastizität genannt. "Die Veränderungen bleiben, auch wenn der Schmerz-Auslöser nicht mehr vorhanden ist", erklärt Professor Dr. Rohini Kuner. Der Körper hat ein so genanntes Schmerzgedächtnis ausgebildet.

Bislang haben sich Forschungen vor allem darauf konzentriert, wie sich die Aktivität von Nervenzellen bei chronischen Schmerzen ändert. Professor Kuner geht nun einen neuen Weg: Wie sind Nervenzellen miteinander verknüpft? Wie verändern sich diese Verbindungen in den verschiedenen Stadien von Schmerzerkrankungen, z.B. bei Verletzungen von Nerven oder beim Wachstum eines Tumors? Und sind die neuen Verknüpfungen die Ursache für chronische Schmerzen? "Wenn wir diese grundlegenden Informationen haben, können wir auch pharmakologische Untersuchungen durchführen, um gezielt neue Therapien zu entwickeln", sagt Kuner.

Mit Hilfe modernster Mikroskopietechniken können die Forscher funktionelle Strukturveränderungen innerhalb des Nervensystems im Mausmodell live filmen. "Wir nutzen dabei die Möglichkeit, in Heidelberg mit einem interdisziplinären Team arbeiten zu können", so die Wissenschaftlerin. Dazu gehören unter anderem Professor Dr. Björn Ommer, Bildverarbeitungszentrum HCI (Heidelberg Collaboratory for Image Processing), und Professor Dr. Thomas Kuner, Institut für Anatomie und Zellbiologie.

Grant für exzellente Wissenschaftler

"Dank der Förderung können wir neuartige Projekte angehen, die in ihrer Erfolgsprognose etwas risikoreicher sind. Wenn sie jedoch gelingen, dann mit sehr großem Erfolg. Diese Freiräume können die Wissenschaft enorm vorantreiben", freut sich Professor Kuner, die sich im harten Auswahlverfahren des Europäischen Forschungsrates erfolgreich durchgesetzt hat. Dieser setzt sich für eine Förderung der grundlagenorientierten Forschung ein, um visionäre Projekte voranzutreiben und neue interdisziplinäre Wissensgebiete zu erschließen. Zu den Förderlinien gehört der ERC Advanced Grant, der sich an herausragende, bereits etablierte Forscher wendet. Zu diesem Erfolg habe ihr hoch motiviertes Team ebenso beigetragen wie das dynamische wissenschaftliche Umfeld und die exzellente Infrastruktur innerhalb der Medizinischen Fakultät und des Biomedizinischen Campus in Heidelberg, betont Professor Kuner.

Die 1970 in Indien geborene Rohini Kuner studierte in Mumbai, wurde an der University of Iowa, USA, promoviert und war mit Unterstützung des Emmy-Noether-Programms der Deutschen Forschungsgemeinschaft am Pharmakologischen Institut der Universität Heidelberg tätig. Seit 2006 hat sie dort eine Professur inne und leitet seit 2009 das Institut als Geschäftsführende Direktorin. Ihre Forschung ist bereits mehrfach durch wissenschaftliche Förderpreise ausgezeichnet worden, darunter 2006 den Chica und Heinz Schaller-Förderpreis, 2008 den Ingrid zu Solms-Preis für biomedizinischen Forschung und 2010 den Patrick Wall Award der internationalen Schmerzgesellschaft.


Weitere Informationen:
www.medizinische-fakultaet-hd.uni-heidelberg.de/Pharmakologisches-Institut.102627.0.html
www.medizinische-fakultaet-hd.uni-heidelberg.de/Kuner.107599.0.html

Ansprechpartner:
Professor Dr. Rohini Kuner
Pharmakologisches Institut
Universität Heidelberg
E-Mail: rohini.kuner@pharma.uni-heidelberg.de

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Das Universitätsklinikum Heidelberg ist eines der größten und renommiertesten medizinischen Zentren in Deutschland; die Medizinische Fakultät der Universität Heidelberg zählt zu den international bedeutsamen biomedizinischen Forschungseinrichtungen in Europa. Gemeinsames Ziel ist die Entwicklung neuer Therapien und ihre rasche Umsetzung für den Patienten. Klinikum und Fakultät beschäftigen rund 10.000 Mitarbeiter und sind aktiv in Ausbildung und Qualifizierung. In mehr als 50 Departments, Kliniken und Fachabteilungen mit ca. 2.000 Betten werden jährlich rund 550.000 Patienten ambulant und stationär behandelt. Derzeit studieren ca. 3.600 angehende Ärzte in Heidelberg; das Heidelberger Curriculum Medicinale (HeiCuMed) steht an der Spitze der medizinischen Ausbildungsgänge in Deutschland.
www.klinikum.uni-heidelberg.de

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung:
http://idw-online.de/de/institution665


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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilung 184 / 2011
Universitätsklinikum Heidelberg, Dr. Annette Tuffs, 29.11.2011
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 1. Dezember 2011