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SCHMERZ/613: Schmerzmittelmissbrauch wird zukünftig erschwert (idw)


Deutsche Gesellschaft zum Studium des Schmerzes e.V. (DGSS) - 20.12.2011

Schmerzmittelmissbrauch wird zukünftig erschwert

Medizinische Fachgesellschaften begrüßen die Empfehlung zur BTM-Rezeptpflicht für kurz wirksames Opioid


Eines der am häufigsten missbrauchten Schmerzmittel, die Kombination aus dem Opioid Tilidin und Naloxon in schnell im Organismus freigesetzten Tabletten und Tropfen, wird künftig schwieriger zugänglich sein: Anfang Dezember hat der Sachverständigenausschuss im Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM, Bonn) empfohlen, entsprechende Medikamente unter die betäubungsmittelrechtlichen Regelungen zu stellen.

Die medizinischen Fachgesellschaften Deutsche Gesellschaft zum Studium des Schmerzes e.V. (DGSS), Deutsche Gesellschaft für Schmerztherapie e.V. (DGS), Deutsche Gesellschaft für Palliativmedizin (DGP) und der Arbeitskreis "Gesundheitsschutz für Anästhesisten" der Deutschen Gesellschaft für Anästhesie und Intensivmedizin (DGAI) begrüßen diese Entscheidung angesichts des hohen Missbrauchspotentials. Die Versorgung Schmerzkranker wird sich nach Ansicht der Experten dadurch nicht verschlechtern: Lang wirksame Darreichungsformen (Retard-Tabletten) mit denselben Wirkstoffen wurden ausdrücklich von der Regelung ausgenommen. Positiver Trend: Lang wirksame Tabletten werden häufiger verschrieben

Schon seit Jahren werden in Deutschland weit mehr lang wirksame Tabletten verschrieben als kurz wirksame Tropfen, die den Wirkstoff schnell freisetzen - ein positiver Trend, der die Schmerzspezialisten freut. Denn: "Der einzig sinnvolle Anwendungsbereich für die kurz wirksamen Tropfen ist die Behandlung von Krebsschmerz bei Kindern, für die Tabletten falsch dimensioniert sind", erklärt der Vorsitzende der DGP Prof. Dr. Friedemann Nauck. Der Schmerzspezialist Prof. Dr. Christoph Maier fügt hinzu: "In der Schmerztherapie wollen wir sonst die lang wirkende Anwendungsformen."

"Sofern in einzelnen Fällen schnellwirkende Tilidin/Naloxon Tropfen erforderlich sind, können diese immer noch gezielt von Ärzten auf dem erforderlichen Spezialrezept (BTM-Rezept) verordnet werden", meint Dr. Gerhard H. H. Müller-Schwefe, Präsident der DGS.

Missbrauch zur Entspannung

Die kurz wirksamen Tropfen werden von zahlreichen Nutzern missbräuchlich zur Entspannung eingenommen und leider auch von manchen Ärzten fahrlässig verschrieben. Rezepte für Tilidin/Naloxon Tropfen gehören in Deutschland zu den am häufigsten gefälschten. "Sobald ein solches Medikament nur noch auf BTM-Rezept zu verordnen ist, ist das medizinische Personal sensibilisiert; solche Rezepte werden nicht leichtfertig ausgestellt" erläutert Prof. Maier, der sich seit Jahren im Auftrag der DGAI auch um die Suchtgefahr von Ärzten selbst kümmert. Hinzu komme, dass BTM-Verschreibungen einer besonderen Kontrolle unterliegen, so dass mögliche "schwarze Schafe" unter den Ärzten vorsichtiger mit solchen Verschreibungen umgehen werden".


Weitere Informationen
Prof. Dr. Christoph Maier
Leitender Arzt der Abteilung für Schmerztherapie
Berufsgenossenschaftliches Universitätsklinikum Bergmannsheil
Bürkle-de-la-Camp-Platz 1, 44789 Bochum
E-Mail: christoph.maier@rub.de

Literatur zum Thema
http://www.bfarm.de/DE/Bundesopiumstelle/BtM/sachverst/Protokolle/Ergebnisse_38.html
Maier C.
Auch Sucht ist eine Krankheit.
Schmerz 2008
22:639-643 Arzneimittelreport 2010

Weitere Informationen finden Sie unter
http://www.bfarm.de/DE/Bundesopiumstelle/BtM/sachverst/Protokolle/Ergebnisse_38.html
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Hintergrund Tilidin/Naloxon

Der Wirkstoff Tilidin, ein starkes Opioid, kam in den 1970er Jahren auf den Markt und wurde schnell von Drogenabhängigen missbraucht. Der Hersteller fügte daher den Wirkstoff Naloxon hinzu, der die suchtfördernde Wirkung des Opioids im Gehirn bei einer Injektion verhindert. Bei Einnahme der Tropfen oder Tabletten wird Naloxon durch die Leber abgebaut, so dass das Opioid alleine wirken kann. Die Kombination der beiden Wirkstoffe in Form lang wirksamer Tabletten ist in der Behandlung starker Schmerzen sehr wertvoll, denn durch das Naloxon sind einige sonst häufige Nebenwirkungen wie Verstopfung seltener. "Deswegen sind wir besonders froh über die differenzierte Empfehlung des BfArM, die lang wirksame Darreichungsformen von den BTM-Regelungen ausnimmt", so Prof. Dr. Wolfgang Koppert, Präsident der DGSS.

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung:
http://idw-online.de/de/institution618


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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilung
Deutsche Gesellschaft zum Studium des Schmerzes e.V. (DGSS), Meike Drießen, 20.12.2011
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 22. Dezember 2011