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HERZ/436: Frostige Herzkatheter - Herzrasen beenden mit 70 Grad minus (Thieme)


Thieme Verlag / FZMedNews - Mittwoch, 28. Oktober 2009

Frostige Herzkatheter: Herzrasen beenden mit 70 Grad minus


fzm - Bei der Behandlung von Herzrhythmusstörungen setzen Ärzte nun auch auf frostige Temperaturen. Die Spitze der Katheter, mit deren Hilfe sie die Auslöser eines Herzrasens im Herzen beseitigen, sind auf bis zu 70 Grad unter Null abgekühlt. Die neue Behandlung ist für den Patienten schmerzlos und könnte langfristig komplikationsärmer sein als die derzeit benutzten "Hitze"-Katheter, berichtet eine Expertin in der Fachzeitschrift "DMW Deutsche Medizinische Wochenschrift" (Georg Thieme Verlag, Stuttgart. 2009).

Herzkatheter zur Behandlung von Herzrhythmusstörungen sind seit etwa einem Jahrzehnt im Einsatz. Die Ärzte nutzen sie, um von den Herzkammern aus Gewebe zu beseitigen, das Ausgangspunkt für eine Gruppe von Erkrankungen ist, bei denen die Herzfrequenz, oft anfallsweise, deutlich erhöht ist. Mit derzeitigen Kathetern wird das Gewebe durch hochfrequente Wellen im Radiobereich zerstört, weshalb die Therapie auch als Radiofrequenzablation bezeichnet wird. Die meisten Rhythmusstörungen können so erfolgreich und sicher behandelt werden, erklärt Professor Uta Hoppe von der Universität zu Köln. Es gebe jedoch auch Risiken. Zum einen können sich nach der Behandlung Blutgerinnsel bilden. Gelangen diese mit dem Blutstrom ins Gehirn, können sie einen Schlaganfall auslösen. Zum anderen kam es immer wieder vor, dass bei der Radiofrequenzablation versehentlich gesunde Bereiche des Herzmuskels beschädigt wurden. Dann war die Therapie nicht nur wirkungslos. Einige Patienten benötigten später sogar einen Herzschrittmacher.

Diese Risiken lassen sich bei der Cryoablation, wie die Behandlung mit dem Kältekatheter genannt wird, weitgehend vermeiden, hofft Professor Hoppe. Die Katheter enthalten in ihrem Inneren ein feines und robustes Schlauchsystem, das flüssigen Stickstoff an die Katheterspitze pumpt, wo es verdampft und über einen anderen Schlauch sofort wieder abgesaugt wird. Professor Hoppe: Infolge der Kälte haftet die Spitze an der Herzwand, was die Lokalisierung des Katheters in dem schnell schlagenden Herzen erleichtere. Professor Hoppe: Die Katheterspitze wird zunächst nur auf 0 bis minus 10 Grad abgekühlt, um zu prüfen, ob sie ihr Ziel erreicht hat. Bei diesen Temperaturen wird das Gewebe nur kurz betäubt, das Herzrasen verschwindet nur vorübergehend. Die Experten sprechen vom Cryomapping. Erst wenn die Ärzte sicher sind, dass sie den Ausgangspunkt des Herzrasens gefunden haben, kühlen sie die Katheterspitze auf bis zu minus 70 Grad Celsius ab, was den Herzschlag auf Dauer normalisiert. Ein Sensor an der Katheterspitze ermöglicht den Ärzten ständig eine Kontrolle der Temperatur.

Die dabei entstehenden Läsionen sind in der Oberfläche kleiner und zur Umgebung hin schärfer begrenzt als nach einer Radiofrequenzablation, erläutert Professor Hoppe. Dadurch sinke nicht nur die Gefahr, dass sich ein Gerinnsel bildet, das einen Schlaganfall auslöst. Zusammen mit der größeren Zielgenauigkeit könne die Cryoablation auch bei Patienten eingesetzt werden, bei denen die Radiofrequenzablation zu riskant wäre.

Die bisherigen Studien haben gezeigt, dass die Therapie für die Patienten schmerzfrei sei und selten zu Komplikationen führe, versichert die Medizinerin. Aufgrund der noch fehlenden Langzeiterfahrungen betrachtet sie die Therapie aber derzeit noch nicht als Standardverfahren.


D. Rottlaender, L. J. Motloch, U. C. Hoppe:
Cryothermie: Eine neue Perspektive in der interventionellen Therapie von Herzrhythmusstörungen?
DMW Deutsche Medizinische Wochenschrift 2009; 134 (43): S. 2174-2178


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Quelle:
FZMedNews - Mittwoch, 28. Oktober 2009
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veröffentlicht im Schattenblick zum 3. November 2009