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SCHLAGANFALL/158: "Zeit ist Hirn" - Stroke Units retten Leben (Freiburger Uni-Magazin)


Freiburger Uni-Magazin - 6/Dezember 2008

"Zeit ist Hirn"
'Stroke Units' verbessern die Chancen, einen Schlaganfall zu überleben

Von Silvia Cavallucci


Wer einen Schlaganfall erlitten hat, war häufig von massiven Folgeschäden betroffen, die in der Regel zur dauernden Pflegebedürftigkeit führten. Durch die Einrichtung von 'Stroke Units' - Schlaganfalleinheiten - an neurologischen und internistischen Kliniken, können die Chancen zu überleben und ohne Behinderung weiter zu leben immens verbessert werden. Seit genau neun Jahren ist in Freiburg das Universitätsklinikum mit einer Stroke Unit ausgestattet.


Wer plötzlich halbseitig gelähmt ist, Sprachstörungen oder Schluckbeschwerden hat, sollte sich so schnell wie möglich in ärztliche Behandlung begeben. "Bei zehn Prozent der Fälle tritt in den Wochen nach Abklingen der Symptome, am häufigsten innerhalb der ersten Woche, ein Schlaganfall ein", so Prof. Andreas Hetzel, Leitender Oberarzt der Neurologie der Uniklinik Freiburg. Auch wenn die Beschwerden nach kurzer Zeit wieder abklingen, könnten sie Vorboten eines Schlaganfalls sein. Ein Schlaganfall - er heißt so, weil er innerhalb von Sekunden auftritt - ist ein plötzlicher neurologischer Ausfall, der durch eine Blutung oder einen Verschluss im Gehirn verursacht wird. Beim Verdacht auf einen Schlaganfall muss sofort ein Notarzt gerufen werden, der den Patienten in die nächstgelegene Stroke Unit, eine Schlaganfall-Station, einweisen lässt. "Zeit ist Hirn" lautet das Motto bei einem Schlaganfall. "Bei jeder unbehandelten Viertelstunde gehen weitere Nervenzellen verloren", betont der Neurologe. Die gerufenen Notärzte kennen in der Regel die Kliniken, in denen eine Stroke Unit zur Verfügung steht. In Baden-Württemberg besteht mit 54 Einheiten mittlerweile eine flächendeckende Versorgung, mit herausragenden Erfolgen: Die spezialisierten Einheiten reduzieren die Dauer des Krankenhausaufenthalts um die Hälfte. Lagen früher Schlaganfallpatienten 15 Tage im Krankenhaus, können sie heute bereits nach sieben Tagen entlassen werden. Weitere positive Ergebnisse: Weniger Patienten müssen im Anschluss zur Rehabilitation, die Anzahl der Betroffenen, die nach einem Schlaganfall in ein Pflegeheim kommen, sinkt um ein Viertel, und weniger Patienten sind nach der Entlassung aus dem Krankenhaus auf fremde Hilfe angewiesen.


Stroke Units retten Leben

Was ist das Besondere an Stroke Units? Zunächst einmal sind Stroke Units auf einen Schlaganfall vorbereitet. Dadurch sind sie sowohl auf eine schnelle und sichere Akutdiagnostik eingerichtet als auch auf die sofort folgende Lyse-Therapie, bei der die verstopften Gefäße mit Hilfe von Medikamenten sehr schnell wieder eröffnet und die Blutgerinnsel aufgelöst werden. Jede Stroke Unit ist mit einer Überwachungsstation ausgestattet, die - ähnlich einer Intensivstation - kontinuierlich Blutdruck, Blutzucker und Atmung des Patienten überwacht. Entgleist zum Beispiel der Stoffwechsel, ist ein sofortiges Eingreifen möglich - ein (weiterer) Schlaganfall wird verhindert. "Dass das multidisziplinäre Team auf Schlaganfälle spezialisiert ist, verhindert außerdem Behandlungsfehler und Komplikationen. Harnwegsinfektionen, Decubiti, also Wundliegen, oder Lungenentzündungen treten seltener auf", so Hetzel.


Hilfe per Teleradiologie und Teleneurologie

Acht Betten stehen in der neurologischen Station des Universitätsklinikums Freiburg für die Stroke Unit bereit. Zwischen 1996 und 2000 wurden in vielen großen Kliniken in Deutschland solche spezialisierten Einheiten eingerichtet. Bereits in den 1980er Jahren erkannte die moderne Neurologie, wie wichtig intensive Überwachungsbetten sind. In den 1990er Jahren waren in Baden-Württemberg Stroke Units auch politisch erwünscht, was zu Verhandlungen mit den Krankenkassen führte. Diese übernehmen heute die Kosten der Rundumbetreuung der Patienten und sparen im Gegenzug Geld bei den Folgekosten. Hetzel war Mitbegründer der Stroke Unit der Universitätsklinik Freiburg, die seit Oktober 1999 besteht. Bis 2006 leitete er die Einheit. Hetzel baut heute im Krankenhaus Lörrach eine lokale Schlaganfalleinheit auf, die mit dem Universitätsklinikum vernetzt ist. Um auch in Krankenhäusern ohne 24-stündige Präsenz von Neurologen - wie eben in Lörrach - die bestmögliche Versorgung von Schlaganfallpatienten zu gewährleisten, erhalten die dortigen diensthabenden Ärzte eine Fortbildung. In unklaren oder schwierigen Fällen kann das Krankenhaus Lörrach per Teleradiologie und Teleneurologie die Stroke Unit der Universitätsklinik Freiburg um Rat fragen. Ziel ist es, in Zukunft die Lyse-Therapie auch dort rund um die Uhr einzusetzen. In schweren Fällen wird oft auch ein kombiniertes Verfahren, das Bridging, angewandt: Der Patient wird in der akuten Phase vor Ort behandelt, erhält eventuell das Lyse-Medikament über die Venen verabreicht und wird dann im Hubschrauber nach Freiburg geflogen. Mit spezieller Bildgebung wird dort entschieden, ob darüber hinaus auch noch eine Katheter-gestützte Lyse-Therapie zur Wiedereröffnung der Hirnarterien eingesetzt wird.


Schlaganfall ist dritthäufigste Todesursache

Das Durchschnittsalter für einen Schlaganfall liegt bei circa 80 Jahren, allerdings können auch jüngere Menschen davon betroffen sein. Durch die erhöhte Lebenserwartung steigt die Gefahr, einen Schlaganfall zu erleiden, proportional an. "In Zukunft wird ein Schlaganfall die häufigste vaskuläre Todesursache sein, noch vor dem Herzinfarkt", ist sich Hetzel sicher. Bereits heute steht der Schlaganfall nach Herzinfarkt und Krebs auf Platz drei der Todesursachen in Deutschland. Um einem Schlaganfall vorzubeugen, gilt übrigens das Gleiche wie bei Herzerkrankungen: Nicht rauchen, Entspannung, viel Bewegung und eine gesunde Ernährung.


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Quelle:
Freiburger Uni-Magazin Nr. 6/Dezember 2008, Seite 13
Herausgeber: Albert-Ludwigs-Universität Freiburg,
der Rektor, Prof. Dr. Hans-Jochen Schiewer
Redaktion: Eva Opitz (verantwortlich)
Kommunikation und Presse
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veröffentlicht im Schattenblick zum 6. Januar 2009