Securvital 3/2019 - Juli-September
Das Magazin für Alternativen im Versicherungs- und Gesundheitswesen
Arzneimittel für Kinder
Wie viel Medizin tut gut?
von Norbert Schnorbach
Wenn Kinder krank sind, brauchen sie viel Zuwendung und bei Bedarf die richtige Medizin. Allerdings gibt es dabei viele Fragen und große Unklarheiten.
Es gibt eine alte Faustregel: Wenn eine Tablette für Erwachsene
die richtige Menge ist, dann eine halbe für Kinder. Doch vor dieser
schlichten Rechnung warnen die Ärzte. Sie ist meistens falsch und
mitunter gefährlich. Denn Kinder sind keine kleinen Erwachsenen, die
man einfach als halbe Portion behandeln kann. Der kindliche Körper
reagiert auf viele Wirkstoffe sensibler als Erwachsene. Je nach
Lebensalter funktioniert der Stoffwechsel anders, die Organe
entwickeln sich unterschiedlich. Säuglinge nehmen Salbenwirkstoffe
über die Haut viel schneller auf als Erwachsene. Bei Kleinkindern
reagieren Magen und Nieren anders auf Arzneimittelwirkstoffe. Bei
Jugendlichen ändert sich der Hormonhaushalt. Deshalb brauchen Kinder
und Heranwachsende je nach Lebensalter und Beschwerden eine gezielte
Dosierung und manchmal auch ganz andere Medikamente als Erwachsene.
Doch in der ärztlichen Praxis und in der medizinischen Forschung gibt es große Unklarheiten. Das betrifft nicht nur die Dosierung, sondern die grundsätzlichere Frage, ob Wirkstoffe überhaupt für Kinder in bestimmten Altersstufen geeignet sind.
"Viele Arzneimittel, die bei Kindern eingesetzt werden, sind nicht ausreichend an Kindern geprüft und deshalb auch nicht für sie zugelassen", kritisiert Professor Berthold Koletzko, Vorsitzender der Stiftung Kindergesundheit. Nach Angaben der Stiftung sind Kinder- und Jugendärzte häufig auf Arzneimitteln angewiesen, die bisher nur an Erwachsenen getestet wurden. "Eine fatale Situation", meint Koletzko.
Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) bestätigt die Problematik. Wegen der unzureichenden Arzneimittelprüfungen sei den Ärzten in vielen Fällen nicht bekannt, welches "die geeignete, das heißt die zugleich wirksame und sichere Dosierung" für Kinder sei. In der Vergangenheit waren Pharmahersteller nicht zu Kinderstudien verpflichtet. Erst seit 2007 gilt eine europaweite Regelung zur Verbesserung der Medikamentensicherheit. Seither sind die Produzenten verpflichtet, neue Arzneimittel vor der Zulassung auf ihre Unbedenklichkeit und Wirksamkeit auch bei Kindern zu überprüfen. Das hat Fortschritte gebracht, aber die Entwicklung von Medikamenten orientiert sich weiterhin an Erwachsenen. Kinder sind, was die Arzneimittelsicherheit angeht, "immer noch Stiefkinder der Medizin", meint die Stiftung Kindergesundheit.
Dass großer Nachholbedarf besteht, gibt die pharmazeutische Industrie zu. "Schätzungen zufolge sind mehr als 50 Prozent der Arzneimittel, die bei Kindern eingesetzt werden, nicht an ihnen erprobt", räumt der Verband Forschender Arzneimittelhersteller (vfa) ein. Bei der Behandlung von schweren Krankheiten stehen die Ärzte dann vor einem Dilemma, wenn die zur Verfügung stehenden Medikamente und ihre Dosierung nur für Erwachsene geprüft und zugelassen sind. Das ist in den Krankenhäusern häufig der Fall.
In der täglichen Praxis haben viele Kinderärzte noch ein anderes Anliegen an die Eltern. Nicht bei jedem harmlosen Krankheitszeichen ist es notwendig, gleich mit pharmazeutischen Mitteln wie Antibiotika zu arbeiten. Das sieht auch die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) so: "Oft ist es gar nicht ratsam, sofort auf Medikamente zurückzugreifen, zum Beispiel bei jedem Fieber gleich Fieberzäpfchen zu verabreichen." Manche Beschwerden ließen sich oft schon durch liebevolle Zuwendung und einfache Hausmittel wie Wärme, Massage und Kräutertees lindern.
Bei leichten Erkrankungen können bewährte Hausmittel die Beschwerden wirkungsvoll lindern. Sie können die Selbstheilungskräfte des Kindes stärken und die Genesung unterstützen. Einfache Infekte heilen bei Kindern oft auch ohne pharmazeutische Produkte. Sprechen Sie mit dem Kinderarzt darüber.
Einige Beispiele für hilfreiche Maßnahmen:
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Quelle:
Securvital 3/2019 - Juli-September, Seite 24 - 25
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veröffentlicht im Schattenblick zum 4. Juli 2019
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