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FORSCHUNG/225: Studie eröffnet ersten Schritt hin zu personalisierter Lithiumtherapie bei bipolaren Störungen (idw)


Universitätsklinikum Carl Gustav Carus Dresden - 21.03.2016

Studie eröffnet ersten Schritt hin zu einer personalisierten Lithiumtherapie bei bipolaren Störungen


An der Medizinischen Fakultät Carl Gustav Carus der TU Dresden werden seit vielen Jahren Daten bipolar erkrankter Patienten ausgewertet. Die ersten Ergebnisse weisen darauf hin, dass bestimmte molekulare Strukturen ausschlaggebend sind, welche Patienten von einer Lithiumtherapie profitieren, indem beispielsweise die Suizidalität gesenkt werden kann. In einer gemeinsamen Publikation internationaler Forscher im renommierten Fachjournal "THE LANCET" wurde insbesondere herausgearbeitet, dass die große Anzahl von Patientendaten erstmals die Möglichkeit bietet, die genetischen Grundlagen, weshalb Lithium solch eine positive Wirkung bei vielen Patienten entfaltet, wissenschaftlich zu untersuchen.

Seit 60 Jahren gehört das Spurenelement Lithium zur äußerst wirksamen Standardtherapie bei Depressionen und Manisch-Depressiver Krankheit (bipolare Störung). Bislang liegen allerdings kaum wissenschaftlich belegte Studienergebnisse vor, wie der Wirkmechanismus von Lithium genau funktioniert und welche Patientengruppen am meisten von einer entsprechenden Behandlung profitieren. "Wir haben bei unseren Patienten immer wieder beobachtet, dass Lithium eines der wenigen Medikamente ist, welches langfristig Suizidgedanken ausschalten kann. Es gibt kein anderes Medikament, das so ausgeprägt suizidale Gedanken und Handlungen vermindert", sagt Professor Michael Bauer, der Direktor der Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie am Universitätsklinikum Carl Gustav Carus. "Heute findet man kaum noch ein Medikament auf dem Arzneimittelmarkt, das über 60 Jahre hinweg noch verordnet wird, und trotzdem stellen wir immer noch weiter neue Wirkaspekte fest, die uns überraschen. Beispielsweise haben wir während der Analyse langjähriger Behandlungsdaten festgestellt, dass Lithium auch einen gewissen Schutz vor Gedächtnisverlust und Demenz aufweist. Im Laborversuch konnte ganz klar die neuroprotektive Wirkung von Lithium nachgewiesen werden", so Professor Bauer. "Wenn Patienten Lithium über zehn oder zwanzig Jahre einnehmen, dann sinkt auch die Demenzrate." All das waren Gründe, die dafür sprachen, Lithium noch genauer unter die Lupe zu nehmen.

Bereits 2008 hat sich ein internationales Forscherkonsortium in Dresden getroffen, um ganz detailliert Patientendaten zu erfassen und diese auszuwerten. Professor Bauer, der vor acht Jahren unter anderem die Initiative gestartet hat, hegt große Erwartungen, dass die über 3.000 Datensätze einen neuen Einblick in die Wirkmechanismen von Lithium geben, die bislang noch nicht umfassend erforscht sind.

Lithium löst eine Reihe von intrazellulären Effekten aus. Das Salz erhöht beispielsweise auch die Serotoninausschüttung. Ein möglicher Grund, weshalb es in der Therapie so wirksam einsetzbar ist. Viele Patienten, die eine lange schwere Manie oder bipolare Erkrankung durchlebt haben, gelten mit der Einnahme des Medikaments als geheilt. "Wir unterscheiden in drei Gruppen: exzellente Lithiumresponder, Patienten, bei denen das Medikament weniger deutlich und solche, bei denen es gar nicht anschlägt. Interessant dabei ist, dass sich ähnlich der bipolaren Erkrankung auch das Ansprechverhalten auf das Medikament vererbt", so Professor Bauer.

An der Medizinischen Fakultät Carl Gustav Carus läuft zu diesem Forschungsschwerpunkt gerade eine vom Dresdner Forscherteam initiierte große mehrzentrische bundesweite Studie, gefördert durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung. Dabei bietet sich die Chance, den sofortigen Effekt von Lithium auf Suizidgedanken bei Depressionen nachzuweisen, etwas, was bisher noch für kein einziges Medikament belegt werden konnte.


Informationen zum Forschungsverbund
http://www.conligen.org

Publikation
Genetic variants associated with response to lithium treatment in bipolar disorder: a genome-wide association study, in: The Lancet, Volume 387, Issue 10023, 12-18 March 2016, Pages 1085-1093
doi:10.1016/S0140-6736(16)00143-4
www.thelancet.com

Weitere Informationen finden Sie unter
http://www.uniklinikum-dresden.de/psy

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung stehen unter:
http://idw-online.de/de/institution1564

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilung
Universitätsklinikum Carl Gustav Carus Dresden, Konrad Kästner, 21.03.2016
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 24. März 2016

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