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PFLEGE/552: Vorausschauende Planung gegen "unmenschliche Verhältnisse" (SH Ärzteblatt)


Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt 8/2012

Pflege
Vorausschauende Planung gegen "unmenschliche Verhältnisse"

Von Dirk Schnack



Nicht nur die Experten aus dem System beschäftigen sich mit der Zukunft der Pflege. Der Wirtschaftsrat der CDU hat dazu jüngst ein Positionspapier erstellt.


Die Zahlen sind nicht neu: Von heute 2,4 Millionen wird sich die Zahl der Pflegebedürftigen in Deutschland bis zum Jahr 2050 voraussichtlich auf 4,4 Millionen verdoppeln. Schon heute klagen Pflegekräfte über Bürokratie, ihre Träger über Fachkräftemangel. Wie man darauf reagieren könnte, hat der Wirtschaftsrat der CDU in einem Positionspapier dargestellt, in dem der Landesvorsitzende Philipp Murmann eine vorausschauende Planung fordert, weil er ansonsten "unmenschliche Verhältnisse" befürchtet. Fest steht für ihn, dass das Gesamtsystem bislang nicht ausreichend auf die Herausforderungen vorbereitet ist. Zu den von ihm geforderten "mutigen Schritten" zählen:

  • Solides Fundament für die Finanzierung: Die derzeitige Umlagefinanzierung hält Murmann für "nicht auskömmlich und im europäischen Vergleich unterdimensioniert". "Die Pflegeversicherungen der europäischen Partner greifen meist früher und umfänglicher", stellte Murmann fest. Sein Ansatz: die Finanzierung von Überkapazitäten im Akut-Bereich reduzieren und auf diese Weise Subventionen abbauen, zugleich die Beiträge zur Pflegeversicherung spürbar anheben.
  • Pflege entbürokratisieren: Der MDK sollte nach Ansicht des Wirtschaftsrates seine Kriterien regelmäßig im Hinblick auf den damit verbundenen Aufwand und Nutzen überprüfen. Eine verstärkte Orientierung an der Ergebnisqualität könne die Pflegekräfte entlasten und die Pflegequalität steigern. Die Dokumentation der Prozesse sollte "auf die wesentlichen Punkte beschränkt werden". Außerdem wird u. a. eine bessere Koordinierung des MDK mit der Heimaufsicht empfohlen.
  • Ausbildung und Zulassung für Pflegeberufe erleichtern: Die Ausbildungskapazitäten im Land sollten erhöht und die qualifizierte Zuwanderung systematisch gefördert werden, schlägt der Wirtschaftsrat vor. Um das Fachkräfteangebot zu erhöhen, sollten nach seiner Ansicht u. a. die Ausbildungsgänge der Pflegeberufe zusammengelegt werden. Eine Differenzierung könne im letzten Ausbildungsabschnitt oder als Weiterbildung erfolgen. Weitere Empfehlungen zu diesem Punkt: Einrichtung einer Pflegekammer als neutrale Instanz, Einführung einer externen Prüfungsvorbereitung für angelernte und ungelernte Pflegehelfer, Anerkennung der Inhalte für die Ausbildung zur einjährigen Pflegekraft.
  • Ausdifferenzierung des Pflegeangebotes beschleunigen: Neben neue Wohnformen für pflegebedürftige Menschen sollten auch mehr ambulante niederschwellige Leistungsangebote treten, um auch die häusliche Versorgung ausreichend sicherzustellen. Hier sieht der Wirtschaftsrat die Kommunen gefordert, Anreize zu schaffen. "Die starre Grenze von ambulanter und stationärer Pflege muss in zielführender Weise überwunden werden", fordert der Wirtschaftsrat. Zugleich empfiehlt er die Übernahme ärztlicher Tätigkeiten durch qualifizierte Pflegekräfte wegen des drohenden Ärztemangels als "ernstzunehmenden Ansatz".
  • Absenkung der Fachkraftquote in stationären Pflegeeinrichtungen: Die derzeit bei 50 % liegende Anforderung an die Fachkraftquote in stationären Altenpflegeeinrichtungen ist wegen des Arbeitskräftemangels nach Ansicht des Wirtschaftsrates nicht zu halten. Er empfiehlt eine Absenkung auf 40 %. "Untersuchungen haben gezeigt, dass die Pflegequalität darunter nicht leidet, sondern eher das Gegenteil zu beobachten ist. Begleitet durch geeignete Organisationsstrukturen und Prozessanpassungen stehen dann mehr Mittel für die gebotene Betreuungsqualität und pflegerische Versorgung zur Verfügung", begründet der Wirtschaftsrat diese Forderung.


Gesamtausgabe des Schleswig-Holsteinischen Ärzteblatts 8/2012 im Internet unter:
http://www.aeksh.de/shae/2012/201208/h12084a.htm

Zur jeweils aktuellen Ausgabe des Schleswig-Holsteinischen Ärzteblatts:
www.aerzteblatt-sh.de

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Quelle:
Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt August 2012
65. Jahrgang, Seite 22
Herausgegeben von der Ärztekammer Schleswig-Holstein
mit den Mitteilungen der
Kassenärztlichen Vereinigung Schleswig-Holstein
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Das Schleswig-Holsteinische Ärzteblatt erscheint 12-mal im Jahr.


veröffentlicht im Schattenblick zum 15. September 2012