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INITIATIVE/033: Jugenddeklaration des Roten Kreuzes und des Roten Halbmonds (Zeit-Fragen)


Zeit-Fragen Nr. 27 vom 06.07.2009
Wochenzeitung für freie Meinungsbildung, Ethik und Verantwortung für die
Bekräftigung und Einhaltung des Völkerrechts, der Menscherechte und des Humanitären Völkerrechts

Internationale Jugend fordert Stärkung des Humanitären Völkerrechts

Jugenddeklaration des Roten Kreuzes und des Roten Halbmonds


thk. Am 2. Juli fand in Genf der Höhepunkt der Gedenkfeierlichkeiten für die Grundsteinlegung des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz vor 150 Jahren statt. Dort richteten 250 Jugendliche, die in den letzten drei Tagen den Weg von Solferino in Oberitalien bis nach Genf zurückgelegt hatten, in Stellvertretung für 50 Millionen freiwillige jugendliche Mitarbeiter des Roten Kreuzes und des Roten Halbmondes eine Deklaration an die Welt, in der sie Wege zu einer humaneren Welt präsentierten.

Die furchtbare Schlacht von Solferino am 24. Juni 1859 (vgl. Zeit-Fragen Nr. 24 vom 15. Juni) bildete den Ausgangspunkt für das humanitäre Wirken des Schweizers Henry Dunant. Der Geist der Brüderlichkeit und der Humanität, der das unumstössliche Fundament der Rotkreuz-Bewegung darstellt, basiert auf der Gleichheit aller Menschen.

Der Begründer des Roten Kreuzes, Henry Dunant, prägte bei einem spontanen Einsatz auf dem Schlachtfeld von Solferino mit der Einstellung «tutti fratelli» (alle sind Brüder) die bis heute unveränderte Einstellung des IKRK, das in der schweizerischen Tradition der Neutralität und der Ablehnung imperialer Machtpolitik beheimatet ist.

Wenn die heutige Jugend der Nationalen Rotkreuz-Gesellschaften und der Nationalen Gesellschaften des Roten Halbmonds die Welt auf die Bedeutung des humanitären Wirkens aufmerksam macht, so zeigt sie, dass sie den Geist von damals in sich aufgenommen hat und diesen weitertragen will. So sprechen die Jugendlichen von den «heutigen Solferinos», die unser Engagement und unseren menschlichen Einsatz brauchen. Unsere Welt hat es bitter nötig, sich auf die humanitären Grundlagen zu besinnen.

Die Zahl der Kriege sowie der Menschenrechtsverletzungen, Hungerkatastrophen und Diskriminierungen von Menschen ist nicht geringer geworden, um so mehr braucht es unser Engagement für eine bessere Welt. Das Engagement der Jugend gibt Hoffnung, und es zeigt, dass die gemeinsamen Werte nach wie vor Gültigkeit haben. Lassen wir uns vom Geist der Jugend anstecken, und helfen wir mit, eine menschlichere Welt einzurichten.

Hunderte von jungen Menschen, die die 50 Millionen jugendlichen Freiwilligen der Bewegung des Roten Kreuzes und des Roten Halbmondes repräsentieren, reisten von Solferino in Italien nach Genf in der Schweiz, um ihre Botschaft in die Welt zu bringen. Sie versammelten sich, um ihre Vision von Humanität zu definieren und um Lösungen für die «Solferinos von heute» zu finden: Armut, Konflikte, Gewalt, Migration, Krankheiten, Diskriminierung und Klimawandel. Sie präsentierten eine Deklaration, die sich an die internationalen Führungsverantwortlichen wendet und Lösungen für die heutigen humanitären Herausforderungen vorschlägt.


Jugenddeklaration des Roten Kreuzes und des Roten Halbmonds

Wir, die Jugend des Roten Kreuzes und des Roten Halbmonds, vereinigt auf dem Schlachtfeld von Solferino, bekräftigen die Vision des damals 31jährigen Henry Dunant. Seine Vision der Humanität hat die Welt verändert und hat uns unter den gemeinsamen Emblemen der Hoffnung vereinigt. 150 Jahre später hat sich seine grossartige Idee in einer globalen humanitären Bewegung von 100 Millionen Freiwilligen im Roten Halbmond und Roten Kreuz verwirklicht. Wir, die Jugend aus 150 Ländern, repräsentieren die 50 Millionen jugendlichen Freiwilligen der Bewegung des Roten Kreuzes und des Roten Halbmonds. Wir haben uns versammelt, um unsere Vision von Humanität darzulegen und die «Solferinos» von heute anzugehen. Armut, Konflikte, Gewalt, Migration, Krankheit, Diskriminierung und Klimawandel sind einige der Probleme, unter denen 100 Millionen Menschen überall auf der Welt leiden und die es zu lösen gilt. Unsere Generation erlebt einen beispiellosen Wandel.

So wie Henry Dunant die Menschen von Solferino mobilisierte, um Leiden zu lindern, und so, wie er dann die Welt aufrief, humanitäre Hilfe zu leisten, so sind wir selbst tätig geworden und bitten heute die Führungsverantwortlichen der Welt:

die Jugend als Vertreter des Wandels anzuerkennen;
die einzigartigen Fähigkeiten und Möglichkeiten, die nur junge Menschen einbringen können, zu nutzen, wie zum Beispiel interkulturelle Kommunikation und innovative Anwendung von Technologie;
die Jugend bei der Entscheidungsfindung und den Planungsprozessen auf allen Stufen einzubeziehen;
darauf hinzuwirken, dass die Jugend bei der Entwicklung und Umsetzung von Programmen eine verstärkte Rolle spielen kann, indem ihr die nötigen Mittel zur Verfügung gestellt werden;
vermehrt den Fokus auf schulische und moralische Bildung durch Gleichaltrige als eine tragende Methode der Prävention zu legen.

Wir sprechen mit einer Stimme und rufen die Internationale Gemeinschaft dazu auf, mit uns zusammenzuarbeiten, um mehr zu tun, es besser zu tun und mehr zu erreichen. In einer Welt voller Herausforderungen verpflichten wir uns - die Jugend der Bewegung des Roten Kreuzes und des Roten Halbmonds:

1. einen tiefgreifenden Wandel und die Entwicklung von Fähigkeiten voranzutreiben,
   um Harmonie und positive Verhaltensweisen innerhalb der Gemeinschaften zu fördern;

2. unsere sieben Grundsätze als Vertreter eines Verhaltenswandels in unseren
   Gemeinschaften zu leben;

3. auf Gewalt zu verzichten, den Respekt vor der Vielfalt und eine Kultur des Friedens
   in der Welt zu fördern;

4. uns auch in unserem persönlichen Leben gegen Diskriminierung einzusetzen;

5. gemäss dem Humanitären Völkerrecht alles zu tun, um das Leiden in bewaffneten
   Konflikten zu reduzieren und aktiv Informationen über die Regeln in bewaffneten
   Konflikten zu verbreiten, selbst in Friedenszeiten.



Wir rufen unsere nationalen Gesellschaften dazu auf:

1. Der Jugend zu ermöglichen, eine entscheidende Rolle dabei einzunehmen, eine
   positive Verhaltens- und Einstellungsänderung in unseren Gemeinschaften zu bewirken.
   Dies mittels schulischer und moralischer Bildung durch Gleichaltrige, wie zum Beispiel
   in der Initiative der Föderation: «Jugend als Vertreter des Wandels»;

2. die verletzlichsten Gruppen bei Entscheidungsfindungen einzubeziehen;

3. zu erklären, dass Diskriminierung jeglicher Art in unserer Bewegung unakzeptabel
   ist - inklusive der Diskriminierung von Geschlecht und sexueller Ausrichtung.


Wir fordern die Regierungen der Welt und die Internationale Gemeinschaft auf:

1. das Wissen über die Verschiedenheit der Menschen, den Respekt vor ihnen zu fördern
   und jegliche Diskriminierung zu verhindern;

2. darüber zu wachen, dass Erziehung und Bildung dazu genutzt werden, der Gewalt
   gegenüber Kindern und Jugendlichen sowie deren Misshandlung vorzubeugen;

3. das Humanitäre Völkerrecht sowohl in bewaffneten Konflikten als auch in
   Friedenszeiten zu respektieren und sicherzustellen, dass alle Fälle, bei denen es
   verletzt wird, genau untersucht werden;

4. dafür zu sorgen, dass das Humanitäre Völkerrecht Teil der schulischen Lehrpläne wird;

5. die Waffenkontrolle zu verbessern - unter besonderer Beachtung von Handfeuerwaffen; und

6. ernsthaft das Problem von Kindern anzugehen, die in bewaffneten Konflikten
   involviert sind. Dazu gehört auch ihre Reintegration in die Gesellschaft nach
   Beendigung der Konflikte.


Wir, die Jugendlichen der Bewegung des Roten Kreuzes und des Roten Halbmondes, verpflichten uns:

1. unseren Teil beizutragen, stärkere Gesellschaften aufzubauen, indem wir das unschätzbare
   Wissen, die Ressourcen, die Energie, die Fähigkeiten und Netzwerke der jungen Generation
   nutzen, um die Bewegung durch das 21. Jahrhundert zu führen;

2. die Entwicklung einer breiter gefächerten Basis von jungen Freiwilligen zu fördern,
   um uns auf lokaler Ebene um die Nöte der bedürftigsten Menschen zu kümmern;

3. zu ehrlicher, transparenter Selbstevaluation - dazu gehört auch die regelmässige
   Überprüfung der Strategien und Leitlinien auf allen Führungsebenen, um so die Teilnahme
   der Jugend in unserer Bewegung überall auf der Welt zu stärken;

4. dass junge Frauen und Männer die gleichen Chancen haben sollen, Führungspositionen
   wahrzunehmen und deren Erfolge zu kommunizieren;

5. regionale Netzwerke aufzubauen und zu stärken, um so lokale und internationale
   Jugendstrukturen wirksam werden zu lassen; und

6. vermehrt Medien und neue Technologien zu nutzen, um für die Sache einzutreten,
   Ideen auszutauschen und wirkungsvoll zu kommunizieren.



Wir rufen die nationalen Gesellschaften auf:

1. jungen Menschen Wirkungsmöglichkeiten und Unabhängigkeit zu geben, sie auszubilden
   und zu fördern, indem mit ihnen Verantwortung, Entscheidungsgewalt und -findung in
   gleichwertiger Partnerschaft geteilt werden;

2. junge Menschen in die Entscheidungsfindungsprozesse an regionalen und internationalen
   satzungsgemässen Sitzungen einzubeziehen;

3. in der Föderation zusammenzuarbeiten, um die dringend notwendige Beschaffung von
   finanziellen und menschlichen Ressourcen zu gewährleisten, die es braucht, um die
   Entfaltung der Jugend auf regionaler und nationaler Ebene zu unterstützen;

4. Ressourcen und Entwicklungsmöglichkeiten zur Verfügung zu stellen, um zu
   ermöglichen, dass die freiwilligen Mitarbeiter der Arbeit treu bleiben und sich stetig
   weiterentwickeln können; und

5. sich zu verpflichten, dass die Geschlechter gleichberechtigt behandelt werden -
   insbesondere in Führungspositionen.


Wir rufen die Regierungen der Welt und die internationale Gemeinschaft auf:

1. sich für bessere Bildungsmöglichkeiten für Frauen zu verpflichten - dazu gehört
   auch der Zugang zu Führungspositionen; und

2. jungen Menschen Wirkungsmöglichkeiten und Unabhängigkeit zu geben, sie auszubilden
   und zu fördern, indem mit ihnen Verantwortung, Entscheidungsgewalt und -findung in
   gleichwertiger Partnerschaft geteilt werden;


Wir, die jungen Freiwilligen der Bewegung des Roten Kreuzes und des Roten Halbmondes, verpflichten uns:

1. die Präventionsmassnahmen für sexuell übertragbare Krankheiten wie HIV zu
   verstärken, dies mittels Aufklärung durch Gleichaltrige, Verteilung von Kondomen und
   andere angemessene Massnahmen;

2. das «Recht auf Wissen» über die Gefährdung durch Drogen zu fördern, indem die
   Aufklärung durch Gleichaltrige und die Teilnahme der ganzen Gemeinschaft verstärkt werden;

3. zu handeln, um die Stigmatisierung und Diskriminierung zu eliminieren, die mit
   Tuberkulose, HIV und Drogenkonsum verbunden ist;

4. freiwillige, unentgeltliche Blutspenden zu fördern, um Leben zu retten - eine
   gesunde Lebensweise zu fördern und humanitäre Werte durch Programme, wie sie der
   Club 25 propagiert, zu vermitteln; und

5. die Sicherheit auf den Strassen als eine humanitäre Herausforderung anzunehmen,
   indem wir junge Leute ermutigen, sich verantwortungsvoll zu verhalten.



Wir rufen unsere nationalen Gesellschaften auf:

1. sich der Tuberkulosebehandlung und der HIV-Prävention anzunehmen und deren
   Stigmatisierung zu bekämpfen; und

2. freiwillige, unentgeltliche Blutspenden zu unterstützen - insbesondere von jungen Spendern.


Wir rufen die Regierungen der Welt und die internationale Gemeinschaft auf:

1. den Drogen- und Alkoholmissbrauch als eine humanitäre Herausforderung zu behandeln,
   und nicht als eine kriminelle Tat; und

2. Erste Hilfe und Strassensicherheit in die nationalen Lehrpläne aufzunehmen und
   angemessene finanzielle und logistische Ressourcen zur Verfügung zu stellen.


Wir, die jungen Freiwilligen der Bewegung des Roten Kreuzes und des Roten Halbmondes, verpflichten uns:

1. an der Vorbereitung auf Katastrophen, am Einsatz im Katastrophenfall und der
   Bergung teilzunehmen und insbesondere auch an innovativen Lösungen im Bereich der
   psychosozialen Hilfe mitzuwirken;

2. unseren Verpflichtungen in bezug auf den Klimawandel gerecht zu werden und jeden
   Tag kleine Schritte zu unternehmen, indem wir die Bildung durch Gleichaltrige nutzen,
   um unsere Gemeinschaften zu verändern;

3. dem Klimawandel nachhaltig Rechnung zu tragen und insbesondere für den Schutz von
   Klima-Migranten einzustehen;

4. für die Nahrungsmittelsicherheit einzutreten - nach dem Grundsatz «Sichere Nahrung
   für ein sicheres Leben»; und

5. für den Zugang zu Trinkwasser einzutreten und unseren Beitrag zu nachhaltigen
   Lösungen zu leisten.



Wir rufen unsere nationalen Gesellschaften auf:

1. Die existierenden Verpflichtungen bezüglich des Klimawandels durchzusetzen.


Wir rufen die Regierungen der Welt und die internationale Gemeinschaft auf, die Anfälligkeit gegenüber Katastrophen zu reduzieren, indem:

1. sie zur Linderung und Anpassung an den Klimawandel aktive und dynamische Beziehungen
   auf allen Ebenen eingehen;

2. sie sich auf die kommenden humanitären Auswirkungen des Klimawandels vorbereiten,
   wie zum Beispiel auf die Klima-Migranten, um deren Schutz garantieren zu können;

3. sie die eingegangene Verpflichtung, eine nachhaltige Wassersicherheit für alle
   zu garantieren, weiter wahrnehmen.


Das ist unsere Vision

Wir planen, den 100. Jahrestag unserer Föderation im Jahre 2019 mit der Verwirklichung dieser Ziele zu krönen. Wir sind bereit, unsere Verantwortung wahrzunehmen, aber wir können dies nicht alleine tun. Wir brauchen die Hilfe der nationalen Gesellschaften und Regierungen, damit wir uns der «Solferinos von heute» annehmen können. Wir fordern das Rote Kreuz und den Roten Halbmond, die nationalen Regierungen und die internationale Gemeinschaft dringlich auf, mehr zu tun - es besser zu machen - mehr zu erreichen.

Teilnehmer des 3. Welttreffens der Jugend des Roten Kreuzes und des Roten Halbmondes«Youth on the move», Solferino, Juni 2009

Quelle:
www.icrc.org/web/fre/sitefre0.nsf/htmlall/solferino-youth-event-020709?opendocument

(Übersetzung Zeit-Fragen)


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Quelle:
Zeit-Fragen Nr. 27 vom 06.07.2009
Wochenzeitung für freie Meinungsbildung, Ethik und Verantwortung
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veröffentlicht im Schattenblick zum 16. Juli 2009