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PSYCHOLOGIE/094: ADHS bei Erwachsenen - Coachen statt therapieren (Thieme)


Thieme Verlag / FZMedNews - Montag, 28. Oktober 2013

ADHS bei Erwachsenen: Coachen statt therapieren



ADHS endet nicht mit dem achtzehnten Geburtstag - bei vielen Betroffenen bleiben Probleme wie Reizbarkeit und fehlende Konzentration bis ins Erwachsenenalter hinein bestehen. "Dennoch sind Menschen mit ADHS sind nicht per se krank", sagt Birgit Boekhoff. Sie besitzen sogar ausgeprägte Stärken: Sie sind oft kreativer und fantasiebegabter als andere, hilfsbereit, sensibel und spontan. Die Ergotherapeutin, die in Hannover freiberuflich als ADHS-Coach und Trainerin tätig ist, sieht ADHS deshalb vielmehr als besondere Persönlichkeitskonstitution, die die Betroffenen selbst verstehen und annehmen müssen. In der Fachzeitschrift "ergopraxis" (Georg Thieme Verlag, Stuttgart. 2013) stellt sie ein von ihr entwickeltes ADHS-Coaching vor, mit dem ihre Klienten lernen, ihren Alltag selbstständig zu managen.

"Für die Einzeltherapie von ADHS im Erwachsenenalter gibt es bisher kein evaluiertes Therapiekonzept", sagt Birgit Boekhoff. In ihrer langjährigen Tätigkeit als Ergotherapeutin und ADHS-Coach hat sie daher selbst ein Konzept entwickelt, das sie eher als Training und Coaching denn als Therapie verstanden wissen möchte. Ein Stützpfeiler dieses Trainings ist es zunächst, den Betroffenen über ADHS zu informieren und ihm die medizinischen und psychologischen Grundlagen des eigenen Erlebens und Verhaltens zu erklären. "Der Klient muss seine besonderen Stärken und Schwächen verstehen und annehmen", so Boekhoff. Gemeinsam mit dem ADHS-Trainer werden dann realistische Ziele formuliert - etwa die Vermeidung von Konflikten in der Partnerschaft oder eine Steigerung der Arbeitseffizienz. Der entscheidende Schritt für den Erfolg des Trainings ist es letztlich, individuell passende Alltagsstrukturen zu finden und Strategien zu entwickeln, mit denen der Klient die selbst gesteckten Ziele erreichen kann.

Als Beispiel berichtet Boekhoff von einem Klienten, der vor allem seine Konflikte im privaten Bereich verringern wollte. Seine Ehefrau beschwerte sich über seine Unzuverlässigkeit und Vergesslichkeit. Ihm half es, wichtige Absprachen nicht zwischen Tür und Angel zu treffen, sich nicht gleichzeitig mit anderen Dingen zu beschäftigen - etwa E-Mails zu lesen -, und mehr Blickkontakt zu halten. So schaffte er es, Absprachen als wichtig zu verbuchen und besser abzuspeichern.

Auf ähnliche Weise konnte der Klient auch die Rahmenbedingungen bei der Arbeit positiv verändern. Viele ADHS-Betroffene sind nur eingeschränkt leistungsfähig, weil sie sich zu leicht ablenken lassen. Sie können sich nur schlecht konzentrieren oder nehmen sich zu viele Aufgaben gleichzeitig vor. "Entscheidend ist hier unter anderem der Umgang mit Störungen am Arbeitsplatz", sagt Birgit Boekhoff. Meist gebe es störungsintensivere und störungsärmere Zeiten. Aufgaben, die viel Konzentration erfordern, sollten dann möglichst in ruhige Phasen gelegt werden. Zum anderen sollte der Klient sich auch gezielt ungestörte Zeiten schaffen, indem er das Telefon umlenkt, die Bürotür schließt und Kollegen mitteilt, wann er zu sprechen ist und wann nicht. Kommt es doch zu einer Störung, hilft es, den eigenen Gedankengang kurz noch zu beenden und sich eine Notiz zu machen, bevor man sich der Störung zuwendet.

Prinzipiell gelte es, die eigenen Stärken zu nutzen und die Schwächen zu managen, sagt Birgit Boekhoff. Ihre Erfahrungen machen Betroffenen Mut - denn auch wenn man die gegebene Persönlichkeitskonstitution nur bedingt ändern kann, so lässt sich doch der Alltag in vielen Fällen ADHS-gerecht strukturieren.


B. Boekhoff:
Stärken nutzen, Schwächen managen
ergopraxis 2013; 6 (10); S. 26-32

Weitere Informationen zum ADHS-Coaching:
www.adhs-trainerin.de

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Quelle:
FZMedNews - Montag, 28. Oktober 2013
Georg Thieme Verlag KG
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veröffentlicht im Schattenblick zum 31. Oktober 2013