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VERSICHERUNG/290: Risiken absichern - Versicherungsschutz ohne Gesundheitsprüfung (Diabetes Journal)


Diabetes-Journal 11/2009 - aktiv gesund leben

Risiken absichern
Versicherungsschutz ohne Gesundheitsprüfung

Von Dipl.-Ing. Sebastian Kraatz


Todesfall, Berufsunfähigkeit, Pflegefall: Finanzielle Sicherheit in existenzbedrohenden Situationen wollen die meisten Menschen. Tritt eine solche Situation ein, ist neben vielem anderen auch zu klären, wie die finanzielle Belastung zu meistern ist. Unser Autor schildert Erfahrungen.


Welche Chancen haben chronisch kranke Menschen wie Diabetiker, eine existenzbedrohende Situation abzusichern? Meistens scheitert ein Antrag bei einem Versicherer schon bei den Gesundheitsfragen - erst recht, seit die Risikoprüfungen der Versicherer mit dem neuen Versicherungsvertragsgesetz deutlich strenger geworden sind.

Ich selbst hatte das Glück, bereits seit Ende meines Studiums einen engagierten Makler an meiner Seite zu haben, der mir damals zu einer kapitalbildenden Lebensversicherung mit Todesfallschutz verhalf. Es ist - der Hektik in der Prüfungsabteilung sei Dank - zu einer Annahme ohne Ausschlüsse gekommen. Heute würde meine Familie 50.000 Euro erhalten, sollte ich frühzeitig versterben.


Spezielle Bedingungen

Inzwischen gibt es aber auch für uns Diabetiker bei den meisten Absicherungsthemen Lösungen, sie sind nur an spezielle Bedingungen geknüpft: Bei Rentenversicherungen werden normalerweise keine Gesundheitsfragen gestellt. Einige Anbieter kombinieren ihre fondsgebundenen Produkte mit einem zusätzlichen Todesfallschutz, der je nach Versicherer auf 20.000 bis 50.000 Euro begrenzt ist. Der Risikoschutz greift erst dann voll, wenn der Vertrag mindestens drei bis vier Jahre bespart worden ist. Wegen der Wartezeit können die Versicherer auf die Gesundheitsfragen verzichten. Die Beiträge fließen während der Versicherungsdauer anteilig in den Risikoschutz und in den Sparvorgang. Am Ende der Laufzeit wird aus dem Fondsguthaben eine Rente oder eine einmalige Kapitalleistung ausgezahlt. Die Auszahlung ist im Idealfall abhängig von der Entwicklung und der Wahl der Fonds - so hoch, dass der Vorsorgesparer damit die Summe aller eingezahlten Beiträge zurückerhält. Damit hat er, pauschal gesagt, den Risikoschutz kostenlos bekommen.

Für Diabetiker bestehen leider nur geringe Chancen, eine Berufsunfähigkeits (BU)-Rente abzusichern. Selbst für den durchschnittlich "Gesunden" ist es nicht immer leicht, den passenden Schutz ohne Erschwernisse zu finden, da die Versicherer natürlich genau hinschauen, welches Risiko sie sich mit jedem Einzelnen ins Haus holen. Einige wenige Versicherer formulieren aber inzwischen keine pauschalen Ausschlussklauseln mehr für "Diabetes und diabetesbedingte Folgeerkrankungen" sondern prüfen jeden Antrag einzeln. Über einen Makler erhält man die erforderliche Hilfe für eine Voranfrage beim richtigen Anbieter. Daneben gibt es vereinzelt über die betriebliche Altersversorgung auch Gruppentarife ohne Gesundheitsfragen.

Auch die häufig als Alternativen beschriebenen Absicherungen bei schweren Krankheiten ("Dread-Disease") oder Grundfähigkeitsabsicherungen (wie Hören, Sehen, Greifen, Gehen, Autofahren, Tastaturschreiben) unterliegen einer vergleichbaren Risikoprüfung mit einer etwas veränderten Gewichtung der Gesundheitsfragen. Trotzdem sind insulinpflichtige Diabetiker damit meist ausgeschlossen, bei Diabetikern mit Tablettentherapie kann eventuell mit einem ärztlichen Gutachten eine Versicherung gefunden werden.

Vermutlich werden dann allerdings Ausschlüsse für die Folgeerkrankungen formuliert; die Folgen können gerade bei Diabetes aber so vielfältig interpretiert werden, dass eine Leistung vom Versicherer doch unwahrscheinlich wird.


Berufsunfähigkeitsrente

Bei dauerhafter Arbeitsunfähigkeit (normalerweise länger als sechs Monate) gilt ein Patient als berufsunfähig (BU). Das Arbeitseinkommen ist dann bereits weggefallen, die Krankenversicherung (Krankengeld) leistet nicht mehr, sobald eine BU festgestellt ist. Der Staat springt mit einer sehr bescheidenen Rente erst dann ein, wenn eine Erwerbsunfähigkeit (EU) nachgewiesen ist. Die volle EU-Leistung erhält nur, wer nicht länger als drei Stunden täglich in einer 5-Tage-Woche eine beliebige Tätigkeit ausüben kann. Eine private Berufsunfähigkeitsrente soll verhindern, dass ein dauerhaft kranker Mensch zum Sozialfall wird. Je nach Berufsgruppe werden zwischen 20 und 25 Prozent der arbeitenden Bevölkerung vor dem 65. Lebensjahr von Berufsunfähigkeit betroffen.


Sparprozess erhalten!

Neben der DU-Rente, die das wegfallende Einkommen ersetzen soll, muss bei Berufsunfähigkeit ebenfalls der für das Alter vorgesehene Sparprozess aufrechterhalten werden; ansonsten droht spätestens mit Renteneintritt der Sturz in die Sozialhilfe. Damit ein begonnener Sparprozess bei Berufsunfähigkeit nicht beendet werden muss, bieten die meisten Versicherer eine Beitragsbefreiung an. Der Versicherer bespart dann den bestehenden Vorsorgevertrag von sich aus weiter und, wenn zuvor vereinbart, erhöht sogar den Beitrag um bis zu 10 Prozent pro Jahr. Diese BU-Beitragsbefreiung kann wie beim Todesfallschutz ohne Gesundheitsprüfung und mit einer Wartefrist von drei Jahren bei einigen Anbietern integriert werden.

Es gibt auch Konzepte mit stark verkürzten Gesundheitsfragen, bei denen ein behandlungsbedürftiger Diabetes nicht erwähnt werden muss. Diese Zusatzabsicherung ist für klassische wie auch für fondsgebundene Sparvorgänge möglich, dabei sind einige der Angebote auch als steuergeförderte Rentenvorsorge (Basisrente "Rürup-Rente") nutzbar.

Besondere Gedanken mache ich mir darüber, wie ich im Pflegefall die zusätzliche zeitliche und finanzielle Belastung von meiner Familie fernhalten kann.


Renten mit zusätzl. Todesfallschutz
Mann oder Frau, geboren
Versicherungsdauer:
Todesfallsumme:
jährlicher Beitrag:
= Gesamtaufwand:
1970
bis Alter 65 50.000,00 Euro
483,62 Euro
12.574,00 Euro
Auszahlung am Vertragsende:
(bei durchschnittlich 6 Prozent
Wertentwicklung jährlich)
12.771,00 Euro



Im Pflegefall?

Die erforderlichen Kosten, die bereits bei häuslicher Hilfe und geringem Pflegeaufwand anfallen, sind von der sozialen Pflegeversicherung nur anteilig gedeckt, bei vollstationärer Pflege wird nur die Hälfte des Bedarfs ersetzt. Ein privates Pflegetagegeld als notwendige Ergänzung bekomme ich nicht. Auch hier gibt es über ein Sparkonzept eine Lösung: Nach einer Aufschubzeit von mindestens 12 Jahren kann der Versicherungsnehmer wählen, ob er aus dem Vertrag später eine herkömmliche Rente, eine Kapitalauszahlung oder den Versicherungsschutz für eine Pflegerente erhalten möchte. Die Leistungen aus der Pflegerente sind nicht an die Einstufung der gesetzlichen Pflegeversicherung gekoppelt: Sie werden nach dem Bedingungswerk des Versicherers berechnet. Die Beiträge können in Raten oder auch einmalig gezahlt werden, somit ist man von Anfang an völlig flexibel. Abhängigvon Alter und Geschlecht des Versicherungsnehmers sowie von der geplanten Anspardauer unterscheiden sich die Beiträge sehr stark, deshalb ist hier eine persönliche Berechnung und Beratung notwendig, um das Verhältnis von Nutzen und Aufwand für den individuellen Einzelfall abzuwägen.

Eine Variante zur Pflegerente sind Rentenversicherungen, bei denen man zu Rentenbeginn mit einer ärztlichen Untersuchung den Gesundheitszustand dokumentiert: Bei den schweren Erkrankungen, die erfahrungsgemäß zu einer starkverkürzten Lebensdauer führen, erhöht der Versicherer dann die Rentenzahlung prozentual. Es steht also in der verkürzten restlichen Lebenszeit mehr Liquidität für die notwendige Versorgung des Versicherten zur Verfügung.


Pflegefall

Einteilung der Leistungen nach den Pflegestufen am Beispiel eines privaten Versicherers:

Stufe I: 50 Prozent der versicherten Rente
Stufe II: (einschl. Demenz): 75 Prozent der versicherten Rente
Stufe III: 100 Prozent = maximal 2000 Euro


Unfallversicherung

Als zusätzliche Absicherung bei Unfällen kann bei dauerhafter Invalidität nach einem von außen plötzlich auf den Körper einwirkenden Ereignis eine Kapitalzahlung abgesichert werden. Die Definition des Begriffes "Unfall" hat sich in den vergangenen Jahren verändert, so dass heute in guten Bedingungswerken auch Folgen von Insektenbissen, Gewebebrüche durch Überanstrengung, Vergiftungen durch Verschlucken etc. eingeschlossen sind.


"Diabetes": unterschiedlich

Diabetes muss bei Antragstellung angegeben werden; die einzelnen Anbieter gehen mit diesem Thema sehr unterschiedlich um. Oftmals gilt aber die "Mitwirkungsklausel" als vereinbart, das heißt, dass alle "Unfallfolgen, bei denen Diabetes mitwirkt, vom Versicherungsschutz ausgeschlossen sind. Verschlimmerungen des Diabetes begründen keinen Anspruch auf Versicherungsleistungen."

Speziell Folgeerscheinungen wie Netzhautablösungen oder Bewusstseinseintrübungen (Hypoglykämie etc.) können damit als nicht versichert gelten. Das bedeutet: Wenn man im Zustand der Unterzuckerung stürzt und sich dabei verletzt - zum Beispiel an Kopf oder Wirbelsäule -, dann müsste die Versicherung auch bei schlimmen Folgen nicht bezahlen.


Fragebogen und HbA1c

Alternativverlangen andere Anbieter einen einseitigen Fragebogen zur Diabetestherapie (u. a. Angabe von drei Blutzuckerwerten mit Datum und HbA1c) oder es wird ohne Auflagen versichert, wenn das HbA1c unter 7,5 Prozent liegt. Fragwürdig ist dabei natürlich, welche Aussagekraft diese Werte zur Einstellung des Diabetes tatsächlich haben. In letzter Zeit sind vermehrt Unfallkonzepte mit zusätzlicher Rentenzahlung auf den Markt gekommen, die auch bei schweren Krankheiten als Ursache der Invalidität leisten. Hier gelten aber ähnliche Kriterien in der Risikoprüfung wie zuvor schon bei Dread-Disease- und Grundfähigkeitsabsicherung erwähnt:

Ein insulinpflichtiger Diabetiker wird ziemlich sicher nicht angenommen, für Patienten mit Tablettentherapie bestehen Chancen.


Krankenversicherung

Dies ist zwar kein echter Ersatz für eine Berufsunfähigkeitsrente, aber besser als gar kein Schutz.

Nur die privaten Krankenversicherer haben für die meisten chronisch Kranken keine Konzepte zur Vollversicherung. Die Aufnahme von bereits erkrankten Menschen in einen Tarif ist für den Anbieter ein nicht kalkulierbares Risiko. Wer als Diabetiker bisher in einer gesetzlichen Krankenkasse versichert ist, wird dies weiterhin bleiben.


Von Steuer absetzen

Die Kosten der Krankenversicherung sind in der jüngsten Gesetzgebung aber wesentlich stärker berücksichtigt worden: Ab dem 1. Januar 2010 können alle für die Krankenversicherung aufgebrachten Beiträge in voller Höhe von der Steuer abgesetzt werden. Diese Entlastung wird beim Arbeitnehmer bereits mit dem monatlichen Lohnsteuerabzug verrechnet. In sehr vielen Fällen ergibt sich so eine erhebliche Zusatzliquidität. Dieses Geld, davon bin ich überzeugt, ist in einem passgenauen Vorsorgekonzept sehr gut investiert.

Noch eine Anmerkung zu den Begriffen Arbeitsunfähigkeit (AU) und Berufsunfähigkeit (BU): Diese sind zwar gesundheitlich bedingte Beeinträchtigungen, schließen sich aber gegenseitig aus.

AU bedeutet (als arbeits- und krankenversicherungsrechtlicher Begriff) einen vorübergehenden Zustand mit der Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit in absehbarer Zeit.

BU bezieht sich - laut Definition - nicht allein auf den gesundheitlichen Zustand des Patienten, sondern auf dessen Leistungsfähigkeit beim konkret ausgeübten Beruf. Ist man länger als sechs Monate arbeitsunfähig und dabei zu mindestens 50 Prozent im Beruf eingeschränkt, dann wird der Versicherer auf Antrag eine BU bescheinigen. Ein Arzt kann daher zwar eine AU feststellen, aber nie eine BU.


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Versicherung mit Diabetes: Zusicherungen schriftlich festhalten!

Eine vernünftige Risiko-Absicherung - sei es für Krankheit, Unfälle oder Invalidität - ist für jeden ratsam. Für Menschen mit chronischen Krankheiten ist es allerdings meist schwer, eine Versicherung zu erhalten:

Fragen zu Gesundheitszustand sowie zu bisherigen Erkrankungen und Behandlungen müssen vollständig, umfassend und wahrheitsgemäß beantwortet werden. Wird der Diabetes aber wahrheitsgemäß angegeben, dann hat dies meist eine Ablehnung zur Folge - das Risiko erscheint für die Versicherer schlicht zu hoch. Derzeit gibt es leider keinen Ausweg aus dem Dilemma, denn ein Verschweigen des Diabetes ist unzulässig und würde dazu führen, dass die Versicherung im Schadensfall nicht bezahlen muss.

Ein kleiner Hoffnungsschimmer: Die Risikoprüfung und -bewertung vor Vertragsabschluss erfolgt immer im Einzelfall. Es kommt daher gar nicht selten vor, dass der eine Diabetiker vom selben Unternehmen versichert, der andere dagegen abgewiesen wird.

Ich empfehle daher grundsätzlich, am besten einen unabhängig (!) arbeitenden Versicherungsmakler zu beauftragen, welcher dann aus der Vielzahl von Anbietern möglicherweise einen Versicherer herausfinden kann, der einen angemessenen Vertrag anbietet. Allerdings muss nicht selten mit einem Risikozuschlag (in Höhe von bis zu 100 Prozent) der normalen Prämie gerechnet werden.

Unbedingt sollte man die Vertragsbedingungen sehr genau lesen: Eine Versicherung, die dann nicht zahlen will, wenn der Diabetes in irgendeiner Form am Schadensfall "mitwirkt", ist eigentlich meist unbrauchbar. Wer beispielsweise aufgrund des Diabetes einen Schlaganfall erleidet und ein Pflegefall wird, könnte dann keine Leistungen erwarten. Auch eine Unfallversicherung würde dann nicht bezahlen müssen, wenn man in einer Unterzuckerung stürzt und sich hierbei verletzt.

Im Zweifel sollten Sie nachfragen und etwaige Zusicherungen des Versicherungsagenten unbedingt schriftlich festhalten.

Oliver Ebert


Kontakt
Dipl.-Ing. Sebastian Kraatz
Unabhängiger Versicherungsmakler
MLP Finanzdienstleistungen AS
Geschäftsstelle Darmstadt 1
Birkenweg 24
64295 Darmstadt
Tel. 061 51/13016 15
Fax 06222/9090 5310
E-Mail: Sebastian.Kraatz@mlp.de


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Quelle:
Diabetes-Journal 11/2009, Seite 66 - 69
Herausgeber: Verlag Kirchheim + Co GmbH
Kaiserstr. 41, 55116 Mainz
Tel.: 06131/960 70 30, Fax: 06131/960 70 90
E-Mail: info@kirchheim-verlag.de
Internet: www.diabetes-journal.de

Das Diabetes-Journal erscheint monatlich.
Einzelheft: 3,80 Euro
Jahres-Abonnement: 38,40 Euro

Diabetes-Journal gibt es auch auf CD als
Daisy/MP3-Hörzeitschrift für Blinde und Sehbehinderte:
Westdeutsche Blindenhörbücherei
Harkortstr. 9, 48163 Münster, Tel.: 0251/71 99 01


veröffentlicht im Schattenblick zum 29. Dezember 2009