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HINTERGRUND/200: Nahost - Musikalischer Widerstand gegen israelische Blockade (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 11. März 2014

Nahost: Klingender Widerstand gegen israelische Blockade - Band aus dem Gaza-Streifen macht Palästinensern Hoffnung

von Khaled Alashqar


Bild: © Khaled Alashqar/IPS

Die Band Watar bei einem Auftritt im Gaza-Streifen
Bild: © Khaled Alashqar/IPS

Gaza-Stadt, 11. März (IPS) - Wie die meisten Menschen im Gaza-Streifen sind auch die sechs jungen Männer voll des Zorns über die von Israel verhängte Blockade und die daraus erwachsene Armut. Doch sie haben die Möglichkeit, ihren Gefühlen durch Musik Luft zu machen - auch ohne aggressive Töne.

Es gibt viel zu sagen - oder vielleicht besser zu singen - über die Abriegelung und ihre Folgen: Mehr als anderthalb Millionen Menschen im Gazastreifen leben unter der strikten Blockade. Armut und Verzweiflung haben seitdem erheblich zugenommen. Viele Bewohner des Gebietes sind arbeitslos, vor allem Hochschulabsolventen. Die Träume von einer besseren und sichereren Zukunft sind zerstoben.

Unter solch schwierigen Umständen haben sich die Sechs dazu entschlossen, mit ihrer Band 'Watar' gegen die Verzweiflung anzusingen. 'Watar' heißt auf Arabisch 'Melodie'. Die Bandmitglieder greifen vor allem zu westlichen Instrumenten und singen in arabischer, englischer und französischer Sprache.


Ein Lied aus den Trümmern

Nach dem israelischen Angriff auf den Gaza-Streifen 2009, der 1.400 Menschen das Leben kostete und der eine unglaubliche Zerstörung anrichtete, rief Ala Shoublak seine Freunde zur Gründung der Band zusammen. "Alles war kaputt, auch Schulen, Straßen und Gebäude. Selbst das einzige Theater im Gaza-Streifen, das der Palästinensischen Gesellschaft des Roten Halbmonds gehört, war bombardiert worden. Wir beschlossen, unsere Musikinstrumente zu holen, um von den Trümmern des zerstörten Theaters aus für Frieden und Freiheit zu singen - trotz des schlimmen Geruchs nach Tod um uns herum", sagt Shoublak.

Seit dem Start vor fünf Jahren hat sich die Gruppe kontinuierlich weiterentwickelt. Die Mitglieder kauften neue Instrumente und begannen, öffentlich aufzutreten. Inzwischen ist die Band ziemlich bekannt und hat viele Anhänger, vor allem Schüler und Studenten in Gaza-Stadt. Das ist nicht weiter erstaunlich, weil ihre Songs von den Hoffnungen der jungen Leute auf ein besseres Leben und auf Frieden handeln.


"Leid nach außen tragen"

Wie Shoublak erklärt, hat die Band zwei klare Ziele. "Zunächst wollen wir mit Hilfe der Musik sowie mit unseren Botschaften von Frieden und Freiheit unseren Widerstand gegen die Besatzung und die Blockade zum Ausdruck bringen. Zweitens wollen wir die Hoffnungen junger Menschen inmitten des Leids im Gaza-Streifen nach außen tragen. Deshalb singen wir auch auf Englisch und Französisch."

Vor Kurzem hat die Band unter dem Titel 'Dawsha' ('Lärm' auf Arabisch) einen Song herausgebracht, der sich großer Beliebtheit erfreut und viele junge Leute zum Mitsingen animiert.

Die Publizistik-Studentin Mariam Abu-Amer schloss sich den Musikern während des Projekts 'Gaza singt für Freiheit und Frieden' an. "Es war eine einzigartige Erfahrung, mit Watar zu arbeiten", sagt sie. "Ich hatte die Chance, meinem Volk gegenüber meine Träume und Hoffnungen als junge Frau auszudrücken und andere Palästinenserinnen zu ermutigen, selbst Musik zu machen."

Doch Watar könnte trotz aller Erfolge eine größere finanzielle und professionelle Unterstützung gut gebrauchen. Aufgrund der Engpässe können die Musiker keine CD herausbringen. Alles in allem mussten sie auch die Erfahrung machen, dass Musik inmitten der politischen und wirtschaftlichen Krise keine Priorität genießt. Die von der radikal-islamistischen Hamas angeführte Regierung konzentriert sich darauf, auf die dringenden humanitären Bedürfnisse zu reagieren.

Dem Generaldirektor des Kulturministeriums, Mohammed Alaraieer, zufolge versucht man zwar, auf die kulturellen Bedürfnisse der Menschen einzugehen und die Künstler dazu zu ermuntern, sich auf die Zukunft Palästinas und den Widerstand gegen die israelische Besatzung zu konzentrieren. Doch wegen der Blockade sei das Ministerium nicht in der Lage, große Hilfe zu leisten.


Hilfe von Frankreich

Gruppen wie Watar bemühen sich daher um den Rückhalt internationaler Organisationen und Institutionen, die im Gaza-Streifen angesiedelt sind. Das französische Kulturzentrum hat es der Band gestattet, auf seinem Gelände Workshops und Konzerte zu veranstalten. Das Zentrum hat die Gruppe außerdem mit europäischen Musikern zusammengebracht und eine Kulturreise nach Frankreich und in andere Länder Europas organisiert.

Das Nationale Edward-Said-Musikinstitut ist die einzige Einrichtung im Gaza-Streifen, die Musik lehrt und eine professionelle Ausbildung anbietet. Bis vor kurzem besuchten nur wenige Schüler die Kurse. Doch seitdem sich Watar auch im Ausland einen Namen machen konnte, nimmt die Zahl zu.

Nach Ansicht des Psychologieprofessors Fadil Abu-Hein von der Al-Aqsa-Universität in Gaza-Stadt ist der Erfolg der Band teils auf die schwierigen Lebensbedingungen zurückzuführen. "Die Jugendlichen sind generell ehrgeizig und voll der Hoffnung. Leid ist eine Triebfeder für den Erfolg und hat die Band Watar ermutigt, an ein internationales Publikum heranzutreten, gerade weil die Menschen im Gazastreifen von der Außenwelt abgeschnitten sind."

Moralischen Auftrieb erhielten die Bewohner des Gaza-Streifens im vergangenen Jahr, als Mohammed Assaf aus Gaza-Stadt den 'Arab Idol'-Talentwettbewerb gewann. (Ende/IPS/ck/2014)


Link:

http://www.ipsnews.net/2014/03/gazans-find-tuneful-resistance/

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IPS-Tagesdienst vom 11. März 2014
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veröffentlicht im Schattenblick zum 12. März 2014