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INTERVIEW/063: HipHop Open Air - ein kleiner Internationalismus ...    Zynik im Gespräch (SB)


Interview am 5. Mai 2018 in Hamburg-St. Pauli


Mit Zynik trat ein Hamburger Rapper auf dem Klassenfest - HipHop Open Air gegen Staat und Kapital 2018 auf, dessen kämpferische Ansagen nicht zuletzt an die kurdische und türkische Linke gingen. Internationalistisch, klassenbewußt - linksradikaler HipHop bewegt auf eine Weise, die in Beine, Fäuste und nach vorne geht. Anschließend beantwortete Zynik dem Schattenblick einige Fragen zur Reichweite seiner politischen Botschaften.


Im Gespräch - Foto: © 2018 by Schattenblick

Zynik
Foto: © 2018 by Schattenblick

Schattenblick (SB): Zynik, wie lange machst du schon Hip Hop?

Zynik: Das kann ich gar nicht so genau sagen, weil es immer fließende Übergänge gab. Lieder schreibe ich schon sehr lange. Mein erstes Release hatte ich tatsächlich 2015, aber Mucke gemacht habe ich auf jeden Fall schon vorher.

SB: Wir sind hier auf dem Klassenfest, einem linken HipHop-Event. Wie verhält sich die Szene hier, bleibt sie ganz unter sich oder gibt es Übergänge auch ins Lager des für Radio und Fernsehen tauglichen Mainstream-HipHop?

Zynik: Politische Acts oder Szene-Rap mobilisieren natürlich ein ganz anderes Publikum, speziell Leute aus der linken Szene. Entsprechend wird auch nur ihre Klientel angesprochen. Deswegen finde ich es auch gut, daß man hier ein breiter gefächertes Line Up hat. Das macht den Unterschied, weil so auch Leute kommen, die einfach nur die Mucke mögen.

SB: Du bringst in deinem Auftritt explizit politische Botschaften. Sicherlich willst du auch erfolgreich sein und mit deiner Musik Geld verdienen. Siehst du dafür überhaupt eine Chance mit politisch linksradikalen Ansagen?

Zynik: Das ist zwiegespalten. Es ist auf jeden Fall noch Luft nach oben offen, was jetzt die Reichweite angeht. Die Mucke, die ich mache, ist immer politisch, weil nach meiner Ansicht alles politisch ist, was man anspricht, selbst persönliche Krisen lassen sich oft auf politische Dinge herunterbrechen. Nun ist nicht jeder Track so holzschnitzartig klar und sozusagen eindeutig politisch. Was die Erfolgschancen angeht, stellen gerade politische Songs natürlich ein Nischenphänomen dar. Aber ich glaube, im Prinzip muß das Ziel sein, aus dieser Nische herauszukommen und nicht allein Musik für die Szene zu machen, sondern eine breitere Masse von Leuten anzusprechen. Es ist immer schön, wenn die Szene feiert, aber wenn man einen politischen Anspruch hat, geht es auch darum, ein breiteres Zielpublikum zu erreichen.

SB: Kannst du dir vorstellen, daß man über HipHop auch Menschen politisieren kann, die nur an der Musik interessiert sind, aber möglicherweise durch die Botschaften und Texte ins Nachdenken kommen?

Zynik: Ich glaube absolut, daß HipHop eine Möglichkeit ist, Leute zu politisieren. Sicherlich ist vieles im HipHop überspitzt und einiges auch oft plakativ, was ich aber gar nicht schlimm finde. Es spricht in diesem Sinne auch nichts gegen einen linken Populismus, er wird dadurch inhaltlich nicht falsch. Ich fange ja nicht an, plötzlich verquere Thesen zu vertreten, sondern bleibe in dem, was ich sage, fundiert. Die Aussagen dürfen ruhig plakativ sein, solange sie inhaltlich richtig bleiben.

Natürlich darf man sich nicht einfach auf Unsinn berufen, nur weil es zieht. Gleichwohl bin ich der Überzeugung, daß linker, inhaltlich richtiger Populismus durchaus nötig und wichtig ist und sich über Musik gut transportieren läßt. Sicherlich gibt es auch dafür Grenzen. Dennoch macht es keinen Sinn, Das Kapital in einem Track herunterzubeten, weil es schnell langweilig wird. Die eigene Message soll musikalisch ansprechend sein und viele Leute erreichen. Ich denke, da muß man einen schmalen Grat finden, denn es ist gar nicht so leicht, politische Inhalte so zu verpacken, daß es nicht langweilig wird und am Ende des Tages nicht nur eine Szene, sondern auch eine breite Masse anspricht.

SB: Im deutschsprachigen HipHop gibt es viele Acts von Leuten mit einem migrantischen Hintergrund.

Zynik: Absolut.

SB: Hat man als Bio-Deutscher möglicherweise das Problem, weniger gut anzukommen, wenn man nicht so im Milieu drin ist?

Zynik: Das glaube ich nicht. Vielmehr ist HipHop ein Genre, bei dem es auch in der breiten Wahrnehmung darum geht, ob ein Song geil ist oder nicht. Meines Erachtens spielt die Herkunft da keine Rolle. Das ist ja das Schöne am HipHop, auch wenn viele Leute es gerne so darstellen, als würde man als Deutscher nicht akzeptiert werden, aber das ist Schwachsinn. HipHop ist ein Genre, das wirklich nationalitätenübergreifend funktioniert. Insofern gibt es überhaupt keine Problematik zwischen Herkunft und Akzeptanz.

SB: Müßte es dann nicht, eben weil viele bekannte Acts aus migrantischen Communities stammen, im Grunde unmöglich sein, daß sich der deutsche HipHop durch rechts vereinnahmen läßt, weil es soviele Rapper gibt, die nicht ins Weltbild rechter Kräfte passen?

Zynik: Absolut, zumal ich glaube, daß Hip Hop schon immer eine widerständische, nationenübergreifende Subkultur im positiven Sinne war, die sich gegen eine Form des Establishments gerichtet hat. Gleichwohl greift er oft Elemente des Kapitalismus auf wie den Konsumwahn, teure Marken, teure Autos. Das ist definitiv ein Faktor im HipHop, der weit verbreitet und problematisch ist und damit konform mit diesem System geht. Dazu gehört auch das Konkurrenzprinzip, das im HipHop schon sehr stark vertreten ist. Aber gleichzeitig besitzt HipHop ein riesiges Potential, das sich tatsächlich sehr gut für politische Zwecke verwenden läßt.

SB: Du bringst Tonträger heraus oder veröffentlichst Songs im Internet. Willst du damit auch über das Regionale hinaus bekannt werden?

Zynik: Natürlich habe ich den Anspruch, daß viele Leute meine Musik hören. Gleichzeitig muß es auf einer politischen Ebene das Ziel sein, nicht explizit für die Szene zu arbeiten, sondern inhaltlich eine breite Masse zu erreichen, ohne sich dabei zu verbiegen. Es ist kein Widerspruch, wenn ich versuche, die Songs mit vernünftig verpackten Inhalten ein Stück weit massentauglich zu machen, weil es mir wichtig ist, aus der Szene herauszukommen, nicht Musik für die Szene zu machen. Das Ziel muß eine größere Verbreitung sein, natürlich unter der Prämisse, daß die Inhalte immer noch geradeaus bleiben. Was den monetären Aspekt betrifft, wäre es natürlich schön, irgendwann davon leben zu können, aber dafür würde ich nicht von meiner Linie abweichen. Wenn es zusammenpaßt und ich mich nicht jemandem unterwerfen muß, würde ich gerne mit politischen Inhalten meinen Lebensunterhalt verdienen. Das wäre für mich eine schöne Lohnarbeit, ganz klar, aber nur, wenn alles so bleibt, wie ich es mir vorstelle und die Massentauglichkeit nicht auf Kosten des Inhalts geht.

SB: Auf dem Klassenfest hat mit Tice nur eine einzige Frau solo gerappt. Man könnte den Eindruck gewinnen, daß HipHop eine ziemlich maskuline Kultur ist.

Zynik: Das ist absolut so.

SB: Fändest du es gut, wenn Frauen öfter mal nach vorne kommen und HipHop machen?

Zynik: Das wäre wünschenswert. Mit Tice hatte ich vor ihrem Auftritt hier keine Berührungspunkte, aber sie war cool und hat mir sehr gefallen. Sie ist wirklich eine gute Musikerin. Leider ist die HipHop-Subkultur immer noch eine männliche Hegemoniegeschichte, aber dazu kommt halt auch, daß es bis auf wenige Ausnahmen zumindest für meinen Geschmack nicht viele Rapperinnen gibt, die musikalisch und stilistisch ansprechend sind. Ich würde mir durchaus wünschen, daß mehr geile Mucke von Frauen kommt.

SB: Zynik, vielen Dank für das Gespräch.


Mit Mikro in verschiedenen Bewegungen - Foto: © 2018 by Schattenblick Mit Mikro in verschiedenen Bewegungen - Foto: © 2018 by Schattenblick Mit Mikro in verschiedenen Bewegungen - Foto: © 2018 by Schattenblick

Auf der Bühne des Klassenfestes 2018
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