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JUSTIZ/8366: Kriminalität und Rechtsprechung - 12.01.2020 (SB)


VOM TAGE


Rechtsstaatlichkeit Polens auch für Deutschland von großem Interesse

In Warschau haben am Samstag rund 1000 Richterinnen und Richter aus mehreren europäischen Staaten teils in ihren Roben für eine unabhängige Justiz in Polen demonstriert. Anlaß des Schweigemarsches waren die Pläne der polnischen Regierung, Richter strafrechtlich verfolgen zu lassen, wenn sie sich politisch äußern oder die Entscheidungskompetenz und Legalität anderer Richter, eines Gerichts oder einer Kammer in Frage stellen. Außerdem sollen die Richter melden müssen, in welchen Berufsorganisationen und Bürgerinitiativen sie aktiv sind. Das entsprechende Gesetz der nationalkonservativen Regierung muß noch den Senat passieren, bevor es in Kraft treten kann.

Der Vizepräsident des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG), Stephan Harbarth, drückte im Interview der Woche des Deutschlandfunks seine große Sorge über die Entwicklung des Rechtsstaats in Polen aus. Harbarth erklärte unter anderem, die Europäische Union sei gemäß ihren Verträgen eine Rechtsgemeinschaft. Das Prinzip der Rechtsstaatlichkeit sei im EU-Vertrag verankert. Es entfalte Bindekraft für alle Mitgliedsstaaten der Europäischen Union. Deshalb sehe man die Entwicklung in einem Land wie Polen mit großer Sorge. Es liege auf der Hand, daß dort versucht werde, rechtsstaatliche Standards weit zurückzuschrauben. Die Europäische Union habe sich deshalb völlig zu Recht der Situation der Rechtsstaatlichkeit in Polen angenommen. Europa insgesamt sei gefragt. Es sei auch für deutsche Gerichte von großer Wichtigkeit, was Gerichte auch in anderen Mitgliedsstaaten der Europäischen Union entschieden. Wenn zum Beispiel ein Haftbefehl in Polen ausgestellt werde und in Deutschland vollstreckt werden solle, möchten man hier natürlich wissen, ob das ein Haftbefehl sei, der von einer Institution ausgestellt worden sei, die sich nur rechtsstaatlich nenne, oder ob es von einer Institution ausgestellt worden sei, die rechtsstaatlich sei.

12. Januar 2020


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