Schattenblick →INFOPOOL →NATURWISSENSCHAFTEN → ASTRONOMIE

BERICHT/022: Kongreß - Gewaltiger war nur der Urknall (MaxPlanckForschung)



MaxPlanckForschung - 1/2007
Das Wissenschaftsmagazin der Max-Planck-Gesellschaft

Kongressbericht - Astrophysik

Gewaltiger war nur der Urknall

Von Thomas Bührke

Seit rund 40 Jahren registrieren Astronomen im Gammastrahlenbereich unvermittelt am Firmament auftauchende Blitze. Vor zehn Jahren stellte sich heraus, dass es sich hierbei um die gewaltigsten Explosionen im Universum handelt. Seitdem hat sich das Forschungsgebiet dieser Gamma Ray Bursts so stürmisch entwickelt wie kaum ein anderes in der Astrophysik. Auf Schloss Ringberg trafen sich im Frühjahr auf Einladung des Garchinger Max-Planck-Instituts für Astrophysik mehr als 50 Forscher, um über das Thema zu diskutieren.


*


Kurioserweise begann dieses Kapitel moderner Astrophysik mit einer Entdeckung des amerikanischen Militärs. In den 1960er-Jahren umkreisten Aufklärungssatelliten die Erde, um nach Gammastrahlung zu fahnden, die bei oberirdischen Atombombenversuchen frei wird. Einer dieser Späher registrierte 1969 tatsächlich einen Gammablitz. Allerdings war der nicht von der Erde gekommen, sondern aus dem Weltraum. Es folgten weitere Blitze dieser Art, was bald die Neugier einiger Astronomen weckte. Detaillierte Untersuchungen waren jedoch schwierig, weil die Erdatmosphäre die Gammastrahlung verschluckt. Man benötigte also im Weltraum stationierte Teleskope.

Die Lage änderte sich entscheidend, als 1991 die amerikanische Raumfahrtbehörde NASA das Compton-Observatorium, an dem auch Physiker aus dem Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik in Garching beteiligt waren, in eine Erdumlaufbahn brachte. Das Ergebnis war absolut verblüffend: Etwa einmal pro Tag registrierte Compton irgendwo am Himmel einen kosmischen Blitz, wobei die Dauer zwischen einigen hundertstel Sekunden und wenigen Minuten variierte.

Für die Ursache gab es indes keinerlei Anhaltspunkte. Das Compton-Teleskop konnte die Positionen nämlich nur sehr ungenau festlegen: So war es nicht möglich, die Ausbrüche anschließend mit optischen Teleskopen aufzuspüren. Seither stellten die Astrophysiker mehr als hundert Theorien über die Natur der Bursts auf, bis hin zur - freilich nicht ganz ernst gemeinten - Idee explodierender Warp-Antriebe von Raumschiffen intelligenter Wesen.

Rettung brachte das italienisch-niederländische Weltraumteleskop BeppoSAX. Es konnte die Gammablitze genau lokalisieren und sandte automatisch die Himmelskoordinaten an ein Netzwerk von Astronomen, die ihre teilweise robotisch betriebenen Teleskope so schnell wie möglich auf die jeweils angegebene Stelle am Firmament ausrichteten. Auf diese Weise gelang es 1997 erstmals, im Bereich des sichtbaren Lichts das Nachleuchten von zwei Gamma Ray Bursts zu beobachten.

Eine Spektralanalyse zeigte dann, dass diese Himmelskörper in Milliarden von Lichtjahren entfernten Galaxien steckten. Damit handelt es sich um die heftigsten Explosionen im Universum - nur der Urknall war gewaltiger. Der bisherige Rekordhalter mit der Bezeichnung GRB050904 war rund 13 Milliarden Lichtjahre entfernt. Wäre er in etwa 4000 Lichtjahren Abstand explodiert, hätte er am irdischen Firmament wenige Sekunden lang so hell gestrahlt wie unsere Sonne.

In einigen Fällen entdeckte man an der Stelle des Gammablitzes eine Supernova, gelegentlich sah man im späten Nachglühen Anzeichen dieser explodierenden Sterne. Danach setzte sich die Theorie durch, dass es sich um sehr massereiche, schnell rotierende Sterne handelt, die am Ende ihres Lebens bersten und zu einem Schwarzen Loch zusammenbrechen. Bei diesem Vorgang erhitzt sich die Materie bis auf mehrere hundert Milliarden Grad und schießt in zwei gebündelten Strahlen entlang der Rotationsachse ins All, die wie zwei gewaltige Scheinwerfer Gammastrahlung aussenden. Sobald die mit nahezu Lichtgeschwindigkeit fortrasenden Teilchen auf umgebende Materie stoßen, heizt diese sich auf und leuchtet dann auch im Röntgenbereich und im sichtbaren Licht.


Ein Teleskop nimmt das Nachglühen ins Visier

Diese Feuerbälle wurden mit den irdischen Teleskopen beobachtet. Da die Sternexplosionen noch heftiger sind als normale Supernovae, nannte man sie Hypernovae. "Wir vermuten, dass unter mehreren hundert Supernovae nur eine Hypernova auftritt", sagt Thomas Janka vom Max-Planck-Institut für Astrophysik in Garching, der den Ringberg-Workshop mit organisiert hat.

Damit schien ein Jahrzehnte altes Rätsel der Astrophysik endlich geklärt zu sein. Doch wie so oft in der Himmelsforschung kam es wieder anders: Schon mit dem Compton-Teleskop hatten die Astronomen bemerkt, dass es offenbar zwei Klassen von Gamma Ray Bursts gibt: lange Ausbrüche, die bis zu mehrere Minuten dauern können, und kurze mit einer Dauer bis zu etwa drei Sekunden. Letztere machen immerhin ein Drittel aller Bursts aus. Sie verlöschen aber so rasch, dass es jahrelang nicht möglich war, deren Nachglühen mit optischen Teleskopen aufzufinden. Das änderte sich mit dem im November 2004 gestarteten amerikanischen Weltraumteleskop Swift, das für diesen Forschungsbereich den Beginn einer neuen Ära bedeutete. In den beiden Jahren nach seiner Inbetriebnahme hat sich die Anzahl der Veröffentlichungen zu Gamma Ray Bursts vervierfacht. Wie Projektleiter Neil Gehrels von der NASA auf Schloss Ringberg berichtete, kann dieses Instrument im günstigsten Fall die Astronomen innerhalb von 15 bis 20 Sekunden per E-Mail oder SMS alarmieren.

Damit gelang es vor zwei Jahren erstmals, kurze Bursts mit großen Teleskopen oder empfindlichen Röntgendetektoren auf Satelliten zu beobachten. Die Überraschung war groß, als man die Bursts in elliptischen Galaxien lokalisierte. In diesen Sternsystemen ereignen sich fast nie Supernovae - und damit schon gar nicht die viel selteneren Hypernovae. In den wenigen Fällen, in denen sich das Nachglühen mit einem optischen Teleskop beobachten ließ, fanden sich auch keine der für Supernovae typischen Signaturen.

Liegen den beiden Klassen von Gamma Ray Bursts vielleicht zwei unterschiedliche Ursachen zugrunde? Das war eine der Fragen, über die die Spezialisten auf Schloss Ringberg oft bis in die Nacht hinein diskutierten. Bis heute konnte lediglich bei fünf kurzen Gamma Ray Bursts der nachleuchtende Feuerball spektroskopisch beobachtet werden, in weiteren neun Fällen ließ sich das Nachglühen im Bereich des sichtbaren Lichts sowie im Röntgen- und Radiobereich aufnehmen. Wie Gehrels ausführte, belegen diese wenigen Fälle, dass die kurzen Gammablitze nur etwa ein Tausendstel der Energie abstrahlen wie die langen. Das ist aber immer noch etwa so viel, wie bei einer Supernova in Form von Licht frei wird und entspricht etwa der Energieabgabe unserer Sonne über mehrere Milliarden Jahre hinweg.

Da die Feuerbälle der kurzen Bursts wesentlich schwächer erscheinen als die der langen und auch schneller verblassen, sind die größten Teleskope erforderlich, um die Handvoll Feuerbälle kurz vor ihrem Verglimmen zu beobachten. Wie Sylvio Klose von der Thüringischen Landessternwarte Tautenburg berichtete, hält bei den Großteleskopen im sichtbaren Bereich das Very Large Telescope der Europäischen Südsternwarte (ESO) den Geschwindigkeitsweltrekord: Im vergangenen Jahr konnte es einen kurzen Burst nur siebeneinhalb Minuten nach dem Gammaausbruch aufspüren.

Die Faktenlage ist bei den kurzen Gamma Ray Bursts noch sehr dürftig. Eines aber scheint offensichtlich: Wenn eine derart gigantische Energiemenge innerhalb von wenigen Sekunden abgestrahlt wird, kommen als Ursache nur sehr kompakte Himmelskörper in Betracht. Als wahrscheinlichste Erklärung gelten zwei Neutronensterne, die miteinander verschmelzen und zu einem Schwarzen Loch zusammenbrechen. Was bei einem solchen Vorgang passiert, demonstrierten Maximilian Ruffert von der Universität in Edinburgh, Roland Oechslin und Miguel Aloy (Max-Planck-Institut für Astrophysik), Emmanuela Rantsiou (Northwestern University, USA) und William Lee (UNAM, Mexiko) anhand von Computersimulationen.


Ein Stern gerät in die Lebenskrise

Neutronensterne gelten als die kompaktesten Himmelskörper, die sich theoretisch denken lassen. Sie entstehen, wenn ein massereicher Stern am Ende seines Lebens den Brennstoff im Innern verbraucht hat. Dann setzt die innere Energieproduktion aus, und der Stern, der ehemals größer als die Sonne war, stürzt in sich zusammen. Wenn er einen Durchmesser von etwa 20 Kilometern erreicht hat, stoppt der Kollaps - und ein Neutronenstern ist entstanden. Seine Materie ist so dicht, dass ein Stück von der Größe eines Zuckerwürfels auf der Erde mehrere hundert Millionen Tonnen wiegen würde. Da generell mehr als die Hälfte aller Sterne zu Doppelsystemen gehören, muss es auch Doppel-Neutronensterne geben, die sich gegenseitig umkreisen. Dabei strahlen sie Gravitationswellen ab, was dem Paar Energie entzieht. Als Folge kommen sich die beiden Körper auf einer spiralförmigen Bahn langsam näher. In dem Augenblick, wo sich ihre Oberflächen berühren, verschmelzen sie innerhalb von wenigen tausendstel Sekunden miteinander. Dabei wird der neue Körper so massereich, dass er unter der Wucht der eigenen Schwerkraft zu einem Schwarzen Loch zusammenbricht. Ein Teil der Materie, in der Temperaturen von bis zu hundert Milliarden Grad und Dichten bis zu einer Million Tonnen pro Kubikzentimeter herrschen, rast noch in Form eines ringförmigen Torus für kurze Zeit um das Schwarze Loch herum, bevor er schließlich ebenfalls verschluckt wird. Damit verschwindet innerhalb von wenigen Sekunden die Materie von zwei bis drei Sonnen.

Bei diesem kataklysmischen Vorgang spielt sich eine Fülle von Kern- und Teilchenreaktionen ab, auf die Ehud Nakar (Caltec, USA) ausführlich einging. Es kommt zu einem Ausbruch hochenergetischer Materie in zwei gebündelten Gasstrahlen (Jets) in Richtung der Rotationsachse und damit senkrecht zum dichten Torus. Auch Magnetfelder werden als Ursache dafür diskutiert, dass Energie in solchen Jets mit nur 10 bis 20 Grad Öffnungswinkel ins All schießt. "Diese Materie hat nach unseren Kenntnissen eine Geschwindigkeit von rund 99,9995 Prozent der Lichtgeschwindigkeit", sagt Thomas Janka.

In Entfernungen von zehn bis hundert Millionen Kilometern erzeugen die Jets dann den als Gammablitz sichtbaren kurzen Ausbruch energiereicher Strahlung. Prallt die Jetmaterie danach auf umgebende interstellare Materie (Gas und Staub), so heizt sich diese ebenfalls auf und strahlt. Das ist der nachleuchtende Feuerball, den die Astronomen mit Röntgen- und optischen Teleskopen beobachten und dessen Licht ihnen etwa verrät, in welcher Entfernung sich das Objekt befindet.

Die derzeitigen Computermodelle können die Beobachtungsergebnisse der kurzen Gamma Ray Bursts im Prinzip erklären. Dennoch ist vieles noch unklar: Welche Rolle spielen Magnetfelder bei der Erzeugung und Beschleunigung der Jets? Wie genau verschmelzen zwei Neutronensterne? Wann kollabiert das dabei entstehende Objekt zum Schwarzen Loch und wie viel Materie verbleibt danach für einige Zeit im Torus? Letztere Fragen hängen von den nur unzureichend bekannten Eigenschaften dichter Neutronensternmaterie ab und entscheiden darüber, welche Doppelsternsysteme im letzten Augenblick ihrer Existenz Gammablitze aussenden können.


Geisterteilchen mit extrem hohen Energien

Grundsätzlich kommen auch nicht nur verschmelzende Neutronensterne als Ursache für die kurzen Gammablitze in Frage. Es können ebenso gut gemischte Systeme sein, in denen ein Schwarzes Loch und ein Neutronenstern sich umkreisen. Auch diese beiden Objekte verschmelzen letztlich miteinander und setzen explosionsartig Energie frei.

Der beobachtbare Energieausstoß eines kurzen Gamma Ray Bursts ist gewaltig. Dennoch geht bis zu tausendfach mehr Energie in die Emission von unsichtbaren Teilchen: den Neutrinos. Sie entstehen auch bei normalen Supernovae in großer Zahl. Ihr erster und bislang einziger Nachweis beim Ausbruch der astronomisch gesehen nahen Supernova 1987A in der Großen Magellanschen Wolke galt damals als Sensation. Neue Anlagen sind im Bau, mit denen man hofft, zukünftig auch Neutrinos von Gamma Ray Bursts nachzuweisen. Allerdings erwartet man diese Teilchen bei extrem hohen Energien, wie sie Modelle für die Entstehung in den Jets vorhersagen.

Neutrino-Teleskope haben mit bekannten Teleskopen nichts gemeinsam. Die derzeit größte Anlage namens ICECUBE entsteht in der Antarktis und soll speziell solch extrem hochenergetische Neutrinos nachweisen. Sie besteht im Prinzip aus vielen empfindlichen Lichtdetektoren, die in einem Bereich zwischen 1400 und 2400 Meter Tiefe im Eis versenkt werden. Diese elektronischen Augen überwachen das zwischen ihnen befindliche Eisvolumen. Stößt hierin ein aus dem Kosmos kommendes Neutrino mit einem Atomkern zusammen, entsteht ein geladenes Teilchen; das erzeugt einen kurzen Lichtblitz, den die Instrumente registrieren. Da sich auch die Herkunftsrichtung der Neutrinos ermitteln lässt, kann man auf diese Weise die verursachende Quelle am Himmel lokalisieren. Wie Marek Kowalski von der Berliner Humboldt-Universität berichtete, sollten 10 bis 100 Sekunden nach dem beobachteten Gamma-Ausbruch Neutrinos die Erde erreichen. Dieser Neutrinoblitz ließe sich leicht der verursachenden Quelle zuordnen und würde den Astrophysikern einen völlig neuen Beobachtungszugang zu diesem Phänomen erschließen. Ein Teil des ICECUBE arbeitet bereits, der Endausbau soll im Jahr 2010 abgeschlossen sein. Dann überwachen 4800 Sensoren ein Volumen von einem Kubikkilometer Eis.


Gravitationswellen als Prüfsteine für die Theorie

Großes Interesse an dem Studium von Gamma Ray Bursts haben zudem Gravitationswellenforscher. Dies äußerte sich auch darin, dass die Deutsche Forschungsgemeinschaft den Ringberg-Workshop über ihren Sonderforschungsbereich-Transregio 7 "Gravitational Wave Astronomy" mitfinanziert hat. Verschmelzende Neutronensterne und Schwarze Löcher gehören zu den stärksten Quellen von Gravitationswellen und damit zu den Top-Kandidaten für deren Nachweis.

Einsteins Allgemeine Relativitätstheorie sagt die Existenz von Gravitationswellen vorher, doch bislang ließen sie sich noch nie direkt nachweisen. Sie gelten deshalb als ein bedeutender Prüfstein für die heutige Theorie der Gravitation. Hierin erzeugt jeder Körper um sich herum eine Raummulde, ähnlich wie eine Kugel auf einem Gummituch. Gerät ein anderer Körper in diesen gekrümmten Bereich hinein, weicht er von seiner geradlinigen Bewegung ab und folgt der Krümmung. Dies erweckt den Anschein, als würden sich beide Körper mit einer unsichtbaren Kraft (der Schwerkraft) anziehen. Auch Licht läuft auf einer krummen Bahn durch ein Gravitationsfeld hindurch.

Gravitationswellen entstehen immer dann, wenn eine Materieverteilung beschleunigt ihre Form ändert. Dann überlagert sich dem gekrümmten Raum eine rippelartige Struktur, die sich mit Lichtgeschwindigkeit ausbreitet. Man kann sie sich ähnlich vorstellen wie Wellen auf der Oberfläche eines Gewässers. Verschmelzen zwei massereiche Körper miteinander, wird schlagartig eine gewaltige Gravitationswelle ins All abgestoßen.

Läuft die Gravitationswelle über die Erde hinweg, so staucht sie kurzzeitig den Raum, das heißt, die Abstände zwischen allen Objekten ändern sich. Dieses Phänomen konnte noch nie direkt nachgewiesen werden, weil es unvorstellbar klein ist: Stauchung und Dehnung machen nur den Bruchteil eines Atomkerndurchmessers aus. Mit der deutsch-britischen Gravitationswellen-Antenne GEO 600 in Ruthe bei Hannover und den zwei LIGO-Anlagen in den USA erreichen die Forscher erstmals die enorme Empfindlichkeit, um diese rhythmische Raumstauchung zu messen.

Gelänge der Nachweis, so könnte man zum einen Einsteins Allgemeine Relativitätstheorie überprüfen; zum anderen beinhalten die Gravitationswellen Informationen über die astrophysikalischen Vorgänge, wie man sie auf keinem anderen Wege erhält. Nur so wird es etwa möglich sein, den Zusammenhang von kurzen Gammablitzen und verschmelzenden Doppelsternen eindeutig zu belegen.

"Zurzeit können wir mit GEO 600 Längenänderungen von 10-19 Metern messen, das entspricht einem Zehntausendstel des Durchmessers eines Protons. Damit können wir verschmelzende Neutronensterne und Schwarze Löcher bis zum Rand des Virgo-Galaxienhaufens nachweisen", sagt Peter Aufmuth vom Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik (Albert-Einstein-Institut) in Golm. Eine Verbesserung der Empfindlichkeit um einen Faktor zwei würde GEO 600 in den Bereich des rund 70 Millionen Lichtjahre entfernten Virgo-Haufens bringen und die Anzahl der Galaxien im Messbereich um weit mehr als tausend erhöhen.

Von entscheidender Bedeutung für den Erfolg der Gravitationswellen-Detektoren und auch für kosmologische Forschungen ist die Frage, wie häufig sich kurze Gamma Ray Bursts ereignen. Die von mehreren Astrophysikern, wie Chris Belczynski (New Mexico State University, USA) und Richard O'Shaughnessy (Northwestern University, USA), vorgetragenen Werte demonstrierten, wie weit die Astronomen noch von einem umfangreichen Verständnis dieser Vorgänge entfernt sind. Für eine durchschnittliche Galaxie wie die Milchstraße erwartet man zwischen drei und 200 Kollisionen von zwei Neutronensternen pro einer Million Jahre. Gemischte Systeme aus einem Neutronenstern und einem Schwarzen Loch sind zwar noch seltener, lassen sich aber bis in größere Entfernungen nachweisen.


Raumzeit bringt Computer an die Grenzen

Damit stehen die Chancen für GEO 600 und LIGO im Moment noch nicht sehr gut für einen Nachweis. Erst von etwa 2014 an, wenn die Anlagen mit neuer Technik ausgestattet worden sind, sollten pro Jahr einige zehn Ereignisse nachweisbar sein. Aufmuth zeigte sich jedoch angesichts der Unsicherheit der Vorhersagen gelassen.

Die Gravitationswellen-Detektoren in Deutschland und den USA laufen jedenfalls und werden immer genauer. Wenn sie eine Welle nachgewiesen haben, werden Theoretiker ihren zeitlichen Verlauf analysieren und mit Computermodellen vergleichen, die sie derzeit von kollidierenden Objekten machen. Diese Rechnungen treiben momentan verfügbare Computer an ihre Grenzen. Wenn sich nämlich ein Schwarzes Loch oder ein Neutronenstern bewegt, verbiegen diese Körper unablässig das Raumgewebe und sie verändern überdies den Lauf der Zeit. Die Raumzeit wird somit selbst zu einer variablen physikalischen Größe, die bei jedem Simulationsschritt neu berechnet werden muss.

Bislang stürzten die Berechnungen regelmäßig bereits nach einem Umlauf der Körper ab oder lieferten unsinnige Ergebnisse. Doch wie Luca Baiotti und Bruno Giacomazzo vom Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik berichteten, hat es gerade in den vergangenen Monaten erstaunliche Fortschritte gegeben. Jetzt bleiben die Rechnungen über mehrere Umläufe hinweg stabil und auch die Form der Gravitationswelle beim Zusammenstoß lässt sich berechnen. Diese Computersimulationen werden es ermöglichen, aus den gemessenen Signalen Rückschlüsse auf die Eigenschaften der verursachenden Himmelskörper zu ziehen. Das wäre der Beginn der Gravitationswellen-Astronomie.


*


Bildunterschriften der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildungen der Originalpublikation:

> Die Explosionswolke eines kurzen Gamma Ray Bursts in einer Aufnahme des 10-Meter-Keck-Teleskops. Das Objekt mit der Bezeichnung GRB050509b befindet sich an der Stelle S1.

> Die Erfolgsgeschichte von Compton begann 1991. Bis zu seinem Absturz neun Jahre später entdeckte der Satellit mehr als 2700 Gamma Ray Bursts.

> Aufwändige Computersimulationen verdeutlichen, wie Neutronensterne innerhalb von einigen tausendstel Sekunden miteinander verschmelzen.

> Wenn im Rechner ein Schwarzes Loch mit 2,5 Sonnenmassen und ein Neutronenstern mit 1,6 Sonnenmassen kollidieren, entsteht ein gewaltiger Strudel und die Materie erhitzt sich.

> Alarm im All: Das Very Large Telescope der Europäischen Südsternwarte (ESO) in den chilenischen Anden ist in das Warnsystem des Weltraumteleskops Swift eingebunden. Eine per E-Mail eintreffende Meldung (rechts) gibt die Himmelskoordinaten des Gammastrahlenausbruchs an.

> Eine Falle für Neutrinos bauen die Forscher derzeit in der Antarktis. Die Detektoren des Observatoriums ICECUBE werden 1400 bis 2400 Meter tief ins Eis versenkt und sollen die kosmischen Geisterteilchen nachweisen.

> Mit dem Weltraumteleskop Hubble gelang es mehrfach, das Nachleuchten von langen Gamma Ray Bursts aufzunehmen. Hier werden auch die Galaxien sichtbar, in denen sie explodiert sind.


*


Quelle:
MaxPlanckForschung - Das Wissenschaftmagazin
der Max-Planck-Gesellschaft 1/2007, S. 60-65
Hrsg.: Referat für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit der
Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften e.V.
Redaktionsanschrift: Hofgartenstraße 8, 80539 München,
Tel.: 089/2108-1562, Fax: 089/2108-1405
E-Mail: mpf@gv.mpg.de
Das Heft als PDF: www.magazin-dt.mpg.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 17. August 2007