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MELDUNG/128: Zehn Jahre Astro-Messe AME (Sterne und Weltraum)


Sterne und Weltraum 12/15 - Dezember 2015
Zeitschrift für Astronomie

Astronomie und Praxis: Astroszene
Eine runde Sache: Zehn Jahre Astro-Messe AME

Von Jan Hattenbach


Einst schloss sie eine Lücke auf dem Markt der Astromessen, inzwischen ist sie ein fester Eintrag im astronomischen Terminkalender: Die in Villingen-Schwenningen veranstaltete Astronomiemesse AME fand am 19. September 2015 zum zehnten Mal statt.


»Vor zehn Jahren war die Welt noch anders«, meint Siegfried Bergthal. Das gilt auch für den süddeutschen Raum: Der war Brachland, jedenfalls was Astronomiemessen anging. Dass sich eine solche Veranstaltung hier würde behaupten können, war bei der Premiere der AME im September 2006 allerdings nicht ausgemacht (siehe SuW 12/2006, S. 100). Nun in ihrem zehnten Jahr, ist die Messe in Villingen-Schwenningen zu einem festen Termin im Kalender vieler Amateurastronomen geworden. Das liegt neben der professionellen Organisation und der geräumigen, optimal ausgestatteten Messehalle auch am exzellenten Rahmenprogramm, das Bergthal und sein Team regelmäßig bieten.

Schon zum Auftakt hatte der Besuch des im Jahr 2014 leider verstorbenen Teleskopselbstbaugurus John Dobson die Besucher begeistert (siehe SuW 3/2014, S. 96). Ausstellungen, Workshops insbesondere zur Astrofotografie und hochkarätig besetzte Vorträge sind seither Markenzeichen der Messe. »Viele Vorschläge kommen von den Ausstellern selbst«, erzählt Bergthal, der gemeinsam mit seiner Frau Walburga den Kern des AME-Organisationsteams stellt. Das sei auch gut so - denn sonst würden nach zehn Jahren die Ideen ausgehen. Über einem Mangel an Vortragsangeboten können sich die AME-Macher jedenfalls nicht beklagen: »Für 2016 und 2017 sind wir ausgebucht.« Heißt: die Astronomiemesse wird auch in den kommenden Jahren stattfinden. Über den Termin für 2018 wird bereits mit dem Betreiber der Messehalle verhandelt.

Hauptattraktion für die in diesem Jahr rund 1700 Besucher waren - typisch für eine Astromesse - die Stände der rund 60 Aussteller. Unter ihnen fanden sich wieder namhafte Teleskophersteller, Händler und natürlich amateurastronomische Vereinigungen sowie engagierte Einzelpersonen. Aus China, den USA und Italien waren Aussteller nach Süddeutschland gereist - die AME ist international, der deutsche Markt bedeutsam.

Dass auch in Zeiten allgegenwärtiger Vernetzung noch Raum für eine Messe im nichtvirtuellen Leben bleibt, ist für Siegfried Bergthal kein Wunder: »Man merkt es ja an einem selbst: die Instrumente werden immer größer. Solche Dinge bestellt man sich dann doch eher nicht im Internet.« Vor allem nicht, ohne sie einmal live gesehen zu haben.

Praktisch jeder Traum des Amateurastronomen war in Villingen-Schwenningen zu bestaunen. Unter den Glanzlichtern waren hochklassige, semiprofessionell ausgestattete Teleskope und Sternwartenkuppeln für den heimischen Garten. Was in der professionellen Astronomie längst Alltag ist, hält auch bei Amateuren Einzug: Die robotische Sternwarte am anderen Ende der Welt, gesteuert vom Rechner im warmen Wohnzimmer daheim. Vorgestellt wurde ein solches Exemplar von der italienischen Firma Avalon Instruments, die ihre ferngesteuerte Sternwarte »Merlino« in Deutschland und Österreich von Baader Planetarium vertreiben lassen.

Baader stellte auf der AME zum ersten Mal den lange erwarteten Échelle-Spektrografen »Baches« vor. Dessen Markteinführung hatte sich zuletzt verzögert, denn »lieber etwas länger warten, anstatt ein unausgereiftes Gerät auf den Markt bringen« war die Devise. Nun ist Baches lieferbar - der Spektrograf soll die Vorteile des hochauflösenden Échelle-Prinzips direkt an den Teleskoptubus bringen und somit Beobachtungen von Exoplaneten mittels des Radialgeschwindigkeitsverfahrens für Amateure erreichbar machen.

Unbezahlte Profiastronomen?

Remote-Observatorien, Spektrografen und hochklassige Kameras erwecken den Eindruck, Amateurastronomen seien heutzutage so etwas wie unbezahlte Profiastronomen. Für einige mag das zutreffen, die große Mehrheit sieht die Astronomie aber nach wie vor als - ziemlich wichtiges - Hobby. Das zeigte sich auch auf der AME: Dobson-Teleskope erfreuen sich nach wie vor großer Beliebtheit, etwa die Acht- und Zehn-Zoll-Galaxy-Dobsons von Intercon Spacetec, die mit verbessertem Okularauszug und großem 90-Grad-Sucher mit seitenrichtigem Bild wieder lieferbar sind. Und die Spezialisten für Reisedobsons von Hofheim Instruments präsentierten digitale Teilkreise für ihren 16-Zoll-Reisedobson als Messeneuheit - der 16-Zöller selbst war leider nicht zu bestaunen. Er ist wegen der großen Nachfrage derzeit nicht lieferbar.

Auch Planetarien waren zu bestaunen, von groß bis ganz klein: So wurde als Neuigkeit auf der AME das mobile Planetarium »Universe2go« am Stand von Astroshop vorgeführt. Universe2go wurde vom Amateurastronomen Martin Neumann erfunden. Er ist Lehrbeauftragter für Medientechnik an der Universität Bonn/Rhein-Sieg und vertreibt das Produkt unter dem Markennamen Omegon in Zusammenarbeit mit der Nimax GmbH (siehe SuW 11/2015, S. 74). Über ein Spiegelsystem wird ein virtueller Himmel vom Bildschirm eines Smartphones auf eine Brille projiziert, der bei Nacht dem realen Gegenstück überlagert werden kann. Informationen über Sternbilder, Planeten und andere Himmelsobjekte sind über Bild und Ton abrufbar - »augmented reality« für den Nachthimmel. Wichtig ist, dass das Smartphone über Beschleunigungssensoren und Gyroskope verfügt, denn über diese registriert das Gerät, in welche Richtung der Beobachter schaut.

Das klassische Arbeitsgerät des Amateurastronomen ist und bleibt das Teleskop. Auch für den Teleskopnutzer gab es Neues zu bestaunen, etwa den »ADC Kontrastbooster«, vorgestellt von der kleinen Firma Optiksysteme Gutekunst. Das Gerät eliminiert den wegen der atmosphärischen Refraktion bei Teleskopen jeder Bauart unvermeidlichen Farbfehler durch einfache Korrektur der Dispersion mittels Drehen einer Stellschraube (siehe SuW 1/2014, S. 99). Die Funktionsweise wurde anhand eines künstlichen Sterns eindrucksvoll demonstriert. Der Kontrastbooster lässt sich an Instrumenten jeder Bauart verwenden, bei Newton-Teleskopen mit azimutaler Montierung geht dies wegen des komplizierteren Strahlengangs allerdings nur mit Einschränkungen.

Alles andere als neu auf dem Markt, aber wiedererstanden ist der Oculum-Verlag, der sein Verlagsprogramm und seine Zeitschrift »Interstellarum« dem Publikum präsentierte. Nach einer erfolgreichen Crowdfunding-Kampagne ist Oculum wieder im Geschäft und nahm auf der AME Vorbestellungen für sein am 26. Oktober 2015 erschienenes »Handbuch Astronomie« entgegen.

Auch die von der eMedia GmbH herausgegebene Zeitschrift »Space« war mit einem Stand vertreten, wie natürlich »Sterne und Weltraum«, deren Chefredakteur Uwe Reichert die Preisträger des gemeinsam mit der Firma Astrosysteme Austria ausgerufenen Astrofotografiewettbewerbs auszeichnete. Zum Sieger unter den mehr als 300 Einsendungen wurde ein Bild des Astrofotografen András Papp aus Ungarn gewählt (siehe SuW 11/2015, S. 68). Es zeigt den Lagunennebel M 8 im Sternbild Schütze, aufgenommen von der Hakos-Gästefarm in Namibia.

Ein Sternenpark auf der Schwäbischen Alb?

Ferngesteuerte Sternwarten, Reiseteleskope, Gästefarmen - Amateure haben heutzutage ganz ähnliche Möglichkeiten wie Profis, dem heimischen Wetter und der Lichtverschmutzung zu entfliehen. Da ist es schön zu sehen, dass sich einige dennoch für den Schutz des lokalen Nachthimmels einsetzen. Auf der AME war das in diesem Jahr das »Projekt Sternenpark Schwäbische Alb«, dessen Ziel die Errichtung eines Schutzgebiets für die dunkle Nacht und die dazugehörige Zertifizierung durch die International Dark Sky Association ist. Noch sei viel Überzeugungsarbeit nötig, um die umliegenden Gemeinden zum Einsatz besserer Außenbeleuchtung zu bewegen, hieß es. In Villingen-Schwenningen präsentierte das Projekt seine Arbeit. Diese besteht vor allem aus der Dokumentation der Nachthimmelhelligkeit mittels mobiler Messgeräte, von denen eines sogar auf das Autodach montiert werden kann. Das sei sogar gemäß der StVO zugelassen - solange jedenfalls der zugehörige Aufbau nicht beleuchtet werde. Eine Bedingung, mit der die Nachthimmelschützer keine Probleme haben. Die sehen sie eher in der zu geringen Unterstützung aus der Szene der Amateurastronomen.

Die Amateurastronomie lebt von engagierten Einzelpersonen. Wie etwa Markus Paul, der in Schwenningen sein Projekt »Sternenführungen im Schwarzwald« vorstellte. Mit Sternführungen, Sonnenbeobachtungen oder einem Kinderprogramm sorgt Paul dafür, dass die Begeisterung für die Astronomie weitergetragen wird - und sich Veranstaltungen wie die AME weiter über viele Besucher freuen können. Das hohe Niveau der Messe zu halten, sei das wichtigste Ziel für die Zukunft der AME, erklärt Siegfried Bergthal. Mit der Unterstützung der Astronomenszene aus dem In- und Ausland wird dies sicher gelingen. Die 11. AME findet am 10. September 2016 statt.


Jan Hattenbach ist Physiker und Amateurastronom. In seinem Blog »Himmelslichter«, zu finden unter www.scilogs.de/kosmologs, schreibt er über alles, was am Himmel passiert.


Der Artikel ist als PDF-Datei mit Abbildungen abrufbar unter:
http://www.spektrum.de/pdf/suw-2015-12-s094-pdf/1374500

© 2015 Jan Hattenbach, Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH, Heidelberg

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Quelle:
Sterne und Weltraum 12/15 - Dezember 2015, Seite 94 - 96
URL: http://www.spektrum.de/pdf/suw-2015-12-s094-pdf/1374500
Zeitschrift für Astronomie
Herausgeber:
Prof. Dr. Matthias Bartelmann (ZAH, Univ. Heidelberg),
Prof. Dr. Thomas Henning (MPI für Astronomie)
Redaktion Sterne und Weltraum:
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Internet: http://www.astronomie-heute.de
 
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veröffentlicht im Schattenblick zum 16. Januar 2016

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