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PLANET/438: Wie die dunkle Seite des Mondes entstand (idw)


Universität Bern - 03.08.2011

Wie die dunkle Seite des Mondes entstand


Eine merkwürdige geologische Eigenschaft des Mondes ist die Gegensätzlichkeit seiner Topographie zwischen der erdzu- und erdabgewandten Seite. Forschende der Universitäten Bern und Kalifornien begründen dies mit einer neuen Theorie auf, wonach die Eigenschaften des Mondes aus einer Kollision mit einem kleineren zweiten Mond entstanden sind. Die Resultate werden heute im Fachjournal «Nature» publiziert.

Die Vorderseite ist eher flach und von dunklen Ebenen vulkanischen Ursprungs dominiert, die Rückseite ist geprägt von hohem Gebirge und tiefen Kratern: So ungleich präsentieren sich die zwei Seiten des Erdmondes. Die Ursache dieser Asymmetrie ist umstritten. Planetologen aus Bern und Kalifornien präsentieren nun eine neue mögliche Erklärung für die dichotome Erscheinung unseres Trabanten: Ein kleinerer zweiter Mond ist rund 100 Millionen Jahre nach der Entstehung des Erde-Mond-Systems mit dem heutigen Erdtrabanten kollidiert und hat sich auf der erdabgewandten Seite des Mondes angelagert. Diese These wird heute im renommierten Wissenschaftsjournal «Nature» publiziert.

Kollision des Mondes mit einem zweiten, kleineren Mond ca. 100 Millionen Jahre nach der Entstehung des Erde-Mond-Systems, Momentaufnahmen einer Computersimulation zu vier verschieden Zeiten (t in Stunden). - Bild: © Center for Space and Habitability (CSH), Universität Bern.

Kollision des Mondes mit einem zweiten, kleineren Mond ca. 100 Millionen Jahre nach der Entstehung des Erde-Mond-Systems. Der kleine Mond wird auf der heutigen Rückseite des Mondes akkretiert. Gezeigt werden Momentaufnahmen einer Computersimulation zu vier verschieden Zeiten (t in Stunden).
Bild: © Center for Space and Habitability (CSH), Universität Bern.


Das Gleichgewicht zwischen drei Himmelkörpern

Die Entstehung des Erdmondes gründet auf der folgenden, heute geltenden Theorie: In der Endphase der Planetenentstehung unseres Sonnensystems kollidierte die Ur-Erde mit einem Himmelskörper, der ungefähr die Grösse des Mars hatte. Nach der Kollision bildete sich um die Erde eine sogenannte proto-lunare Scheibe - eine Ansammlung von Trümmern, die um die Erde kreisten. Aus diesen bildete sich durch ein Zusammenklumpen schliesslich der Mond.

Simulationen zeigen, dass sich bei diesem Prozess jedoch nicht nur ein, sondern gleich mehrere Monde bilden können. Allerdings sind solche multiplen Erdmond-Systeme nicht lange stabil: «Typischerweise haben sie eine nur kurze Lebensdauer von weniger als 10.000 Jahren», wie Co-Autor Martin Jutzi vom «Center for Space and Habitability» (CSH) der Universität Bern erklärt. Kürzlich sei aber gezeigt worden, dass ein zweiter Mond auf einer speziellen Bahn - nämlich im Gleichgewichtspunkt des Systems von drei aufeinander wirkenden Körpern - einige 10 bis 100 Millionen Jahre existieren könne, bevor er entweder mit der Erde oder mit dem Mond kollidiert.


Die Kollision hat bis heute sichtbare Auswirkungen

Genau dieses Szenario erachten die Autoren der Studie in unserem Erde-Mond-System «als wahrscheinlich», so Jutzi. Gemäss der neuen Theorie kollidierte der rund 3mal kleinere Mond rund 100 Millionen Jahre nach der Entstehung des Erde-Mond-Systems mit dem bis heute bestehenden Mond. Die Forschenden gehen davon aus, dass sich in diesem langen Zeitraum von der Mond-Entstehung bis zur Kollision der grösste Teil des ursprünglich geschmolzenen Mondes verfestigt hatte. «Eine Kollision mit einem kleinen zweiten Mond hätte deshalb grosse Ausswirkungen auf die Entwicklung und die heutige Form des Mondes gehabt», sagt Martin Jutzi. Diese Hypothese könnte gemäss Jutzi die geologischen Eigenschaften der Mondrückseite mit ihrer dickeren Kruste und dem daraus entstandenen Hochland erklären.

Eine weitere Illustration der Kollision. - Bild: © Center for Space and Habitability (CSH), Universität Bern.

Eine weitere Illustration der Kollision.
Bild: © Center for Space and Habitability (CSH), Universität Bern.

Quellenangabe:
Martin Jutzi, Erik Asphaug: Forming the lunar farside highlands by accretion of a companion moon, Nature,
doi:10.1038/nature10289


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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Universität Bern, lic. phil. Nathalie Matter - Abteilung Kommunikation, 03.08.2011
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 5. August 2011