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PLANET/458: Supererde GJ 667Cc in lebensfreundlicher Zone? (Sterne und Weltraum)


Sterne und Weltraum 4/12 - April 2012
Zeitschrift für Astronomie

Supererde GJ 667Cc in lebensfreundlicher Zone?

Von Tilmann Althaus



Im Dreifach-Sternsystem GJ 667 gibt es einen Exoplaneten, der aufgrund seiner Masse von mehr als vier Erdmassen als Supererde eingestuft wird. Seinen Zentralstern GJ 667C umkreist er in der habitablen Zone. Falls er eine erdähnliche Atmosphäre aufweist, könnten sich an seiner Oberfläche Ozeane aus flüssigem Wasser gebildet haben.


Durch gezielte Beobachtung des Sterns GJ 667C im Sternbild Skorpion stießen Forscher um Guillem Anglada-Escudé von der Universität Göttingen auf einen Exoplaneten, auf dem möglicherweise lebensfreundliche Bedingungen herrschen. Die Masse des Trabanten beträgt mindestens das 4,5-Fache der Erdmasse; er gehört also in die Kategorie der Supererden.

Das Zentralgestirn GJ 667C, das der neu entdeckte Planet auf enger Bahn umkreist, ist ein Roter Zwerg mit nur einem Drittel der Masse unserer Sonne. Es ist seinerseits Mitglied eines Dreifach-Sternsystems. Der Abstand zu den beiden anderen Komponenten, den Hauptreihensternen GJ 667A und GJ 667B, beträgt mindestens 230 Astronomische Einheiten, rund das Achtfache der Distanz zwischen der Sonne und Neptun. Folglich kann der Exoplanet seinen Zentralstern weitgehend ungestört umkreisen. Von seinem Himmel leuchten ein tiefrotes Tagesgestirn und ein enges Paar heller, gelber Sonnen.

Aufgespürt wurde der Exoplanet mit der Radialgeschwindigkeitsmethode. Dazu nutzte das Team um Anglada-Escudé unter anderem Daten aus dem Archiv der Europäischen Südsternwarte ESO, die mit dem Spektrometer HARPS (High Accuracy Radial velocity Planetary Search) am 3,6-Meter-Teleskop auf La Silla in Chile gewonnen worden waren. In den Spektren des Sterns GJ 667C fahndeten die Astronomen nach winzigen periodischen Verschiebungen von Spektrallinien. Diese rhythmischen Veränderungen entstehen, wenn Planeten einen Stern umlaufen und somit der gemeinsame Schwerpunkt des Systems nicht mit dem Mittelpunkt des Sterns übereinstimmt. Dadurch scheint der Stern zu eiern und mal auf uns zuzulaufen (wobei sich die Spektrallinien durch den Dopplereffekt geringfügig zu kürzeren Wellenlängen verschieben), um sich danach wieder von uns zu entfernen (wodurch sich die Spektrallinien zu größeren Wellenlängen verschieben). Durch genaue Analyse der Linienverschiebung gelang es, die Signale zweier Planeten herauszufiltern, die der astronomischen Konvention gemäß die Bezeichnungen GJ 667Cb und GJ 667Cc bekamen.

Die Forscher um Anglada-Escudé, die ihre Ergebnisse Anfang Februar präsentierten und bei den »Astrophysical Journal Letters« einreichten, sind allerdings nicht die ersten, die auf diese beiden Planeten um GJ 667C aufmerksam wurden. Xavier Bonfils vom Institut für Planetologie und Astrophysik in Grenoble und seine Koautoren reichten bereits am 24. November 2011 einen Übersichtsartikel beim Fachjournal »Astronomy & Astrophysics« ein, der den Stand der Auswertungen bei den HARPS-Messungen beschreibt und auch Daten zu diesem System enthält. Diese Gruppe ist Teil des Forscherteams, welches das HARPS-Instrument entwickelt hat und die Messungen durchführt. Sie gibt in ihrem Beitrag für die Masse des Planeten GJ 667Cc einen Mindestwert von 3,9 Erdmassen an und weist ausdrücklich auf seine günstige Position in der habitablen Zone seines Zentralgestirns hin. Diese lebensfreundliche Zone - früher auch Ökosphäre genannt - bezeichnet den Bereich, in dem ein erdähnlicher Planet Temperaturen aufweist, die das Vorhandensein von flüssigem Wasser auf seiner Oberfläche ermöglichen.

Der Exoplanet GJ 667Cc benötigt nach den Angaben beider Forschergruppen für einen Umlauf 28,2 Tage und ist im Mittel 0,12 Astronomische Einheiten (18,5 Millionen Kilometer) von seinem Zentralgestirn entfernt. Damit ist er diesem deutlich näher als Merkur unserer Sonne. Da sein Stern aber nur etwa 30 Prozent der Masse unseres Zentralgestirns aufweist, leuchtet er auch nur mit 1,3 Prozent der solaren Leuchtkraft. Somit erhält GJ 667Cc ähnlich viel Strahlungsenergie wie unsere Erde.


Ein hierarchisches Dreifachsternsystem
Die drei Sonnen von GJ 667 bilden ein hierarchisches Dreifachsternsystem. Die beiden Hauptsterne GJ 667A und B umrunden einander in einem mittleren Abstand von 12,6 Astronomischen Einheiten (AE). Wesentlich weiter entfernt umläuft der Rote Zwerg GJ 667C die beiden Sterne auf einer elliptischen Bahn in einem mittleren Abstand von wenigstens 230 AE. Nur er wird nach heutiger Kenntnis von mindestens zwei Planeten umkreist (siehe Detailgrafik). Der Planet GJ 667Cc umrundet seinen Zenralstern in der habitablen Zone, also in dem Abstandsbet reich, in dem bei geeigneter Atmosphäre auf seiner Oberfläche dauerhaft flüssiges Wasser vorkommen kann.
(Grafik der Originalpublikation im Schattenblick nicht veröffentlicht.)


Ob nun GJ 667Cc tatsächlich lebensfreundliche Temperaturen und flüssiges Wasser auf seiner Oberfläche aufweist, hängt davon ab, ob eine geeignete Atmosphäre vorhanden ist. Darüber ist jedoch derzeit nichts bekannt. Selbst über den Durchmesser des Planeten wissen wir noch nichts. Falls die Masse von GJ 667Cc in Wahrheit deutlich höher ist als der ermittelte Mindestwert von rund vier Erdmassen, so könnte der Planet statt einer Supererde auch ein Mini-Neptun sein. Dieser würde überwiegend aus einem mächtigen Mantel aus Gasen und Eis um einen Gesteinsplaneten als Kern bestehen. Eine solche Welt wäre für Leben, wie wir es kennen, ungeeignet.

Setzt man bei GJ 667Cc einen erdähnlichen Aufbau mit gleicher mittlerer Dichte und chemischer Zusammensetzung voraus, so würde auf seine hypothetischen Bewohner die 1,65-fache Erdschwerkraft einwirken. Für Menschen wäre diese Belastung auf längere Sicht nicht tragbar, es würden sowohl ihr Skelett als auch ihr Herz-Kreislauf-System überlastet. Demnach ist auch GJ 667Cc keine zweite Erde.

Potenziell lebensfreundliche Welten
In den letzten Monaten wurden von Astronomen immer wieder potenziell lebensfreundliche Planeten mit ähnlichen Eigenschaften gemeldet. Darunter befinden sich die Welten Kepler 22 und GJ 581d (siehe SuW 2/2012, S. 16 und SuW 9/2011, S. 14 in den Druckausgaben). Besonders umstritten in der Fachwelt sind die Begleiter GJ 581g und 581f, deren bloße Existenz mittlerweile stark angezweifelt wird. Für alle diese Planeten gilt aber, dass sie keine zweite Erde sind, da ihre Massen zu hoch liegen. Die kürzlich mit dem Weltraumteleskop Kepler aufgespürten erdgroßen Welten bei den Sternen Kepler 20 und KOI 961 sind dagegen ihren Zentralgestirnen zu nahe, somit mehrere hundert Grad heiß und für Leben ungeeignet (siehe SuW 3/2012, S. 48 in der Druckausgabe).

Ähnliches gilt auch für einen weiteren Planeten von GJ 667C, der innerhalb der Bahn von GJ 667Cc seine Runden zieht: GJ 667Cb ist im Mittel 0,05 Astronomische Einheiten - also 7,5 Millionen Kilometer - von seinem Zentralgestirn entfernt und hat eine Masse von rund sechs Erdmassen. Für einen Umlauf benötigt er nur 7,2 Tage. Durch die Nähe zu seiner Sonne ist auch er für Leben zu heiß (siehe Grafik). Das Forscherteam um Anglada-Escudé hat in den Dopplersignalen Hinweise auf zwei weitere Planeten in diesem System gefunden. Um diese beiden Welten zu bestätigen, sind allerdings genauere Daten erforderlich. Einer der beiden Kandidaten, GJ 667Cd, könnte eine weitere Supererde mit etwa sechs Erdmassen sein, die rund 75 Tage für einen Umlauf benötigt und 0,24 Astronomische Einheiten (35,2 Millionen Kilometer) vom Stern entfernt ist (siehe Grafik S. 19 in der Druckausgabe). Auf der Oberfläche dieses Planeten könnte nur dann flüssiges Wasser vorkommen, wenn er von einer dichten, kohlendioxidreichen Gashülle umgeben ist. Sie würde dann durch den Treibhauseffekt dafür sorgen, dass die Temperaturen im lebensfreundlichen Bereich liegen.

Ein Sternsystem in unserer Nachbarschaft
Das Dreifach-Sternsystem GJ 667 ist rund 22 Lichtjahre von uns entfernt und liegt somit in unserer näheren kosmischen Umgebung. Die Bezeichnung GJ geht auf die deutschen Astronomen Wilhelm Gliese (1915-1993) und Hartmut Jahreiß zurück, die bis zum Jahr 1991 Ergänzungen ihres Katalogs sonnennaher Sterne veröffentlichten. Er enthält 3803 Sterne bis zu einer Entfernung von rund 70 Lichtjahren.

GJ 667 ist ein so genanntes hierarchisches Dreifach-Sternsystem, in dem die Komponenten GJ 667A und GJ 667B in einem geringen Abstand von im Mittel 12,6 Astronomischen Einheiten ihren gemeinsamen Schwerpunkt auf elliptischen Bahnen umrunden. Sie benötigen für einen Umlauf rund 42 Jahre. Von der Erde aus erscheinen sie als ein Lichtpunkt mit einer Helligkeit von 6 mag, da sie am Himmel nur einen Abstand von 1,8 Bogensekunden haben. Wesentlich weiter außen umkreist die Komponente GJ 667C die beiden Sterne. Sie ist in Fernrohren als 10,2 mag heller Stern in einem Abstand von einer halben Bogenminute von den beiden Hauptkomponenten zu sehen.

Erstaunlich ist, dass im System GJ 667 überhaupt Planeten vorkommen, denn alle drei Sterne enthalten im Vergleich zu unserer Sonne nur etwa ein Viertel des Gehalts an schwereren Elementen wie Kohlenstoff, Silizium und Eisen. Bisherige Untersuchungen an den rund 760 bekannten Exoplaneten zeigen, dass die Wahrscheinlichkeit ihrer Anwesenheit mit dem Gehalt an schweren Elementen in den Spektren der Muttersterne wächst.

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Zu obigem Beitrag »Supererde GC 667Cc in lebensfreundlicher Zone?« steht folgendes WiS-Materialien zur Verfügung: »Einblicke in das Familienleben der Exoplaneten«. Es erlaubt physikalische Betrachtungen über diese fernen Welten anhand der Messdaten. Hier geht es darum, sich diese Planeten vorzustellen. Mit Hilfe der ID-Nummer 1051518 ist das Material auf der Seite www.wissenschaft-schulen.de/artikel/ID-Nummer als Download unter dem Link »Zentrales WiS!-Dokument« zugänglich.

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Bildunterschriften der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildungen der Originalpublikation:

  • Abb. S. 18:
    Bis zu drei helle Sternscheiben zugleich stehen am Himmel über der Supererde GJ 667Cc (rechts). Dieser Exoplanet umrundet seine rötliche Sonne (links der Bildmitte) im Abstand von 0,12 Astronomischen Einheiten. Falls er eine Atmosphäre hat, dürften die Temperaturen auf seiner Oberfläche in einem Bereich liegen, der das Vorhandensein von flüssigem Wasser ermöglicht.
  • Abb. S. 20:
    Die habitable Zone des roten Zwergsterns GJ 667C (unten) ist wegen seiner geringeren Leuchtkraft deutlich kleiner als die des Sonnensystem - man beachte den unterschiedlichen Maßstab. Während Planet b und Merkur zu heiß sind für flüssiges Wasser, befindet sich Planet c in hierfür geeignetem Abstand - der noch unbestätigte Planet d nur dann, wenn er eine kohlendioxidreiche Atmosphäre aufweist. Die schmalen grünen Bereiche stellen den inneren Rand der habitablen Zone bei unterschiedlichem Bedeckungsgrad durch Wolken dar.

© 2012 Tilmann Althaus, Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH, Heidelberg

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Quelle:
Sterne und Weltraum 4/12 - April 2012, Seite 18 - 21
Zeitschrift für Astronomie
Herausgeber:
Prof. Dr. Matthias Bartelmann (ZAH, Univ. Heidelberg),
Prof. Dr. Thomas Henning (MPI für Astronomie),
Dr. Jakob Staude
Redaktion Sterne und Weltraum:
Max-Planck-Institut für Astronomie
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veröffentlicht im Schattenblick zum 28. Juni 2012