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PLANET/466: Der Planetenentstehung auf der Spur (Sterne und Weltraum)


Sterne und Weltraum 7/12 - Juli 2012
Zeitschrift für Astronomie

Der Planetenentstehung auf der Spur

Von Markus Schmalzl



Bisher wurden bereits fast 800 Planeten gefunden, die um ferne Sterne kreisen. Darunter war bisher jedoch noch keiner, der sich gerade in der Phase seiner Entstehung befindet. Beim jungen Stern LkCa 15 fanden Forscher nun Hinweise auf einen solchen Planeten in der schon länger bekannten Lücke seiner zirkumstellaren Scheibe.


Seit vor rund 20 Jahren die Jagd auf Exoplaneten ins allgemeine Interesse rückte, haben Astronomen 770 solcher Begleiter um ferne Sterne gefunden. Auch wenn manch einer noch auf eine unabhängige Bestätigung wartet, und manch anderer durch neuere Beobachtungen um seinen Status bangen muss, so haben doch alle eines gemeinsam: Ihre Entwicklung ist bereits seit mehr oder weniger langer Zeit abgeschlossen. Deswegen liefern sie auch kaum mehr Erkenntnisse über ihre Enstehung.

Heutzutage ist unbestritten, dass sich Planeten aus einer Staub- und Gasscheibe entwickeln, die in der Frühphase der Sternentstehung den noch jungen Protostern umgibt. Der so genannten Kern-Akkretionstheorie zufolge bilden sie sich in den inneren Regionen der Scheibe in einer Entfernung von rund drei bis fünf Astronomischen Einheiten zum Zentralgestirn. Die Scheiben-Instabilitätstheorie sagt hingegen Distanzen von mehr als 25 bis 50 Astronomischen Einheiten als Geburtsstätte vorher. Beide Theorien prognostizieren dabei, dass Planeten bei deren Entstehung wie große Staubsauger wirken, ihren Orbit großflächig von Gas und Staub befreien und somit für das Auftreten von großen Lücken in den Scheiben sorgen. Diese ließen sich auch bereits in mehreren Systemen beobachten und liefern somit indirekt Hinweise auf die dort stattfindenden Prozesse, zum Beispiel bei AB Aurigae (siehe Bilder oben) und LkCa 15 (siehe Kasten). Eine direkte Beobachtung solcher junger Exoplaneten war bis vor Kurzem technisch jedoch unmöglich.

Selbst bei den uns nächstgelegenen Sternentstehungsgebieten in einer Entfernung von einigen zehn Parsec (ein Parsec entspricht rund 3,26 Lichtjahren) sind Exoplanet und Zentralgestirn nur einige hunderstel Bogensekunden voneinander entfernt. Bei Wellenlängen im nahen Infrarot liegt dies leider schon im Bereich der durch die Beugung bedingten Grenze des Auflösungsvermögens von Teleskopen der Zehn-Meter-Klasse. Die große technische Herausforderung liegt nun darin, einen eventuell vorhandenen lichtschwachen jungen Begleiter sichtbar zu machen, der ja vom zentralen Protostern um mehrere Größenordnungen überstrahlt wird. Der sehr große Helligkeitsunterschied erfordert dabei eine extrem genaue Charakterisierung des Systems. Das Teleskop sowie die Unruhe der Erdatmosphäre führen bei der Abbildung einer Punktquelle zu lichtschwachen, räumlich ausgedehnten Artefakten (so genannte Speckles), die das Signal eines Exoplaneten leicht überdecken können. Um die notwendige Präzision zu erreichen, machten sich die Astronomen Adam Kraus von der University of Hawaii (USA) und Michael Ireland von der Macquarie University (Australien) eine spezielle Aufnahmetechnik zunutze. Mit Hilfe einer komplexen Maske im optischen Strahlengang blendeten sie dabei Licht gezielt aus, und unterteilten den Hauptspiegel somit in mehrere kleinere Elemente (Subaperturen). Dadurch entsteht effektiv ein Interferometer. Es erfordert zwar einerseits die Anwendung höchst komplexer Bildrekonstruktionsmethoden, erreicht andererseits jedoch die erforderliche Genauigkeit in der Charakterisierung der Abbildungsfunktion.


Bild eines Protoplaneten

Mit Hilfe dieser Technik ließ sich jetzt ein Kandidat für einen sich formenden Protoplaneten in der Scheibe um den jungen Stern LkCa 15 im Sternenstehungsgebiet Taurus-Auriga nachweisen (siehe Kasten S. 22 der Druckausgabe). LkCa ist eine zahlenmäßig kleine Durchmusterung mit Sternen, deren Licht einen charakteristischen Anteil des Elements Kalzium (Ca) enthält. Sie wurde von Astronomen am Lick Observatory auf dem Mout Hamilton in Kalifornien durchgeführt und heißt daher »Lick Calcium«, oder kurz »LkCa«.

Das System LkCa 15 stand in Astronomenkreisen schon länger unter Verdacht, einen gerade entstehenden Planeten zu beherbergen. Kraus und Ireland ist es nun offenbar tatsächlich gelungen, diesen Planeten LkCa 15 b aufzuspüren. In ihren Aufnahmen fanden sich nämlich Hinweise auf eine kompakte Quelle in rund 16 Astronomischen Einheiten Entfernung zum zentralen Protostern sowie eine ausgedehnte Struktur, die ihn umgibt.

Die Aufnahmen bei Wellenlängen von 2,1 und 3,7 Mikrometern gestatten den Forschern Rückschlüsse auf die vorhandenen Temperaturen. Die kompakte Quelle, LkCa 15b, hat eine Temperatur von rund 1500 Kelvin. Die ausgedehnte Struktur wird als Akkretionsfluss auf den Protoplaneten interpretiert. Sie zeigt eine zu längeren Wellenlängen hin verschobene Infrarotstrahlung, was als Anzeichen für relativ kühles Material mit Temperaturen von weniger als 1000 Kelvin angesehen wird. Diese Beobachtungen stimmen mit Planetenentstehungsmodellen überein, denen zufolge bei der Akkretion von Material aus der zirkumstellaren Scheibe durchaus genau solche Temperaturen auftreten können.

Erkenntnisse über den genauen Entstehungsmechanismus von LkCa 15b lassen sich durch diese Aufnahmen jedoch nicht gewinnen. Der beobachtete Abstand von 16 Astronomischen Einheiten ist weder in Übereinstimmung mit der Kern-Akkretions- noch mit der Scheiben-Instabilitätstheorie. Ein exzentrischer Orbit oder auch Planetenmigration, also die Wanderung des Planeten durch das System im Verlauf vieler Umläufe, könnten Ursache für die beobachtete Konstellation sein. Dies gestattet jedoch nicht den Ausschluss der einen oder der anderen Theorie.

Ihre Analyse nehmen die beiden Forscher unter der Annahme vor, dass es sich tatsächlich um einen Protoplaneten handelt. In ihrer wissenschaftlichen Veröffentlichung legen sie aber ebenso großen Wert darauf, andere Interpretationsmöglichkeiten auszuschließen. Des Weiteren weisen sie wegen der extremen Ausreizung der technischen Möglichkeiten und der Art des Planetennachweises darauf hin, dass die bisherigen Aufnahmen zwar starke Hinweise, jedoch keinen definitiven Nachweis eines möglichen sich bildenden Protoplaneten darstellen. Die nächste Generation astronomischer Instrumente wird durch gezielte Nachbeobachtungen Licht ins Dunkel bringen, wenn wie bei der hier verwendeten Technik nicht nur Bilder mit Breitbandfiltern zugänglich sind, sondern sich darüberhinaus in Spektren eventuell vorhandenes Wasser oder Methan nachweisen lässt. Sollte sich dann die Existenz von LkCa 15b bestätigen, wird die Entdeckung von Kraus und Ireland wohl ein Meilenstein der Exoplanetenforschung.


Markus Schmalzl ist Postdoc bei »Allegro« (ALMA Local Expertise Group), einem Teil des europäischen ALMA Regional Centres.


Literaturhinweise

Kraus, A. L., Ireland, M. J.: LkCa 15: A young exoplanet caught at formation? In: The Astrophysical Journal 745:5, 2012. arxiv.org/abs/1110.3808

Andrews, S. M. et al.: Resolved images of large cavities in protoplanetary transition disks. In: The Astrophysical Journal 732: 42, 2011. arxiv.org/abs/1103.0284

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WiS in Sterne und Weltraum
»Einblicke in das Werden und Vergehen planetarer Himmelskörper« nimmt Bezug auf den Beitrag »Der Planetenentstehung auf der Spur« auf S. 20. Behandelt wird die Verbindung des makroskopischen Phänomens der Planetenentstehung mit den mikroskopischen Erscheinungen der brownschen Bewegung und den zwischenmolekularen Kräften. Zudem wird das Wachstum der Planeten aus kilometergroßen Himmelskörpern, den Planetesimalen, behandelt. (ID-Nummer: 1051531)


Bildunterschriften der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildungen der Originalpublikation:

Abb. S. 20-21 oben:
Das junge System AB Aurigae steht im Verdacht, Protoplaneten zu enthalten. Die Aufnahme mit der adaptiven Optik HiCIAO am Subaru-Teleskop (Mitte und rechts) ist im Vergleich zu Beobachtungen mit dem Vorgängerinstrument CIAO aus dem Jahre 2004 (links) aussagekräftiger: Auf der neuen Aufnahme ist der innere Bereich erstmals und sehr detailreich sichtbar. HiCIAO enthüllte zwei Ringe aus Materie, deren Mittelpunkte allerdings nicht mit dem Ort des Sterns zusammenfallen, ganz wie bei LkCa 15. Dies und die weiteren Unregelmäßigkeiten der Ringe deuten auf die Anwesenheit eines massereichen Riesenplaneten hin, der die zwischen den Ringen befindliche Materie auf sich zieht.

Abb. S. 20-21 unten:
Die Scheibe von LkCa 15
Die Aufnahme mit der HiCIAO-Kamera am SUBARU-Teleskop aus dem Jahr 2010 zeigt einen Teil der protoplanetaren Scheibe um den jungen Stern LkCa 15 (links), während der Stern selbst durch eine Maske ausgeblendet ist (braun). Dieser Teil der Scheibe wird vom Stern beleuchtet und erscheint hier weiß. Deutlich zeigt sich die scharf definierte Innenkante der Scheibe, wo der Leerraum in ihrer Mitte anfängt. Die Aussparung ist unsymmetrisch. Dies deutet auf einen oder mehrere neugeborene Planeten hin, die dort den Stern umlaufen. Das Modell (rechts) zeigt im gleichen Maßstab, welcher Scheibenteil das Licht des Sterns zu uns reflektiert. Die Streuung an den Staubteilchen der Scheibe ist besonders effektiv, wenn das Licht die Scheibe in einem flachem Winkel trifft. Das meiste Licht kommt deshalb von der uns zugewandten Seite der Scheibe.

Abb. S. 22:
Ein Protoplanet in der Scheibe von LkCa 15
Die Beobachtungen der Staubemission von LkCa 15 bei einer Wellenlänge von 850 Mikrometern mit dem Submillimeter Array (SMA) zeigen deutlich die Lücke in der Scheibe um den Protostern. Dort vermuteten die Forscher schon länger einen Planeten. In der jüngsten Veröffentlichung kombinierten Adam Kraus und Michael Ireland Aufnahmen mit der adaptiven Optik NIRC2 am Zehn-Meter-Keck-Teleskop II bei Wellenlängen von 2,1 (blau) und 3,7 Mikrometern (rot). Der sich bildende Planet LkCa 15 b ist als kompakte Quelle sichtbar, die vor allem bei 2,1 Mikrometer strahlt. Die ausgedehnte Struktur ist vermutlich der Akkretionsstrom auf die Planetenoberfläche. Er ist etwas kühler und strahlt somit bei längeren Wellenlängen.

© 2012 Markus Schmalzl, Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH, Heidelberg

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Quelle:
Sterne und Weltraum 7/12 - Juli 2012, Seite 20 - 22
Zeitschrift für Astronomie
Herausgeber:
Prof. Dr. Matthias Bartelmann (ZAH, Univ. Heidelberg),
Prof. Dr. Thomas Henning (MPI für Astronomie), Dr. Jakob Staude
Redaktion Sterne und Weltraum:
Max-Planck-Institut für Astronomie
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Verlag: Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH
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veröffentlicht im Schattenblick zum 18. August 2012