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FORSCHUNG/1053: Bakterien befreien sich mit molekularer «Harpune» (idw)


Universität Basel - 16.06.2017

Bakterien befreien sich mit molekularer «Harpune»


Eine Vielzahl von Bakterien ist mit molekularen «Nano-Harpunen» ausgestattet. Damit bekämpfen sie unliebsame Konkurrenten oder manipulieren ihre Wirtszellen. Der Erreger der Tularämie, einer hochansteckenden Infektionskrankheit, verwendet hingegen seine Waffe, um sich aus der Gefangenschaft der Abwehrzellen zu retten. Wie dies den Bakterien gelingt, darüber berichten Forscher vom Biozentrum der Universität Basel in der aktuellen Ausgabe von «Nature Communications».


Bild: © Universität Basel, Biozentrum

Mit Francisella novicida (pink) infizierte Makrophage. Das Bakterium baut dort seine Nano-Harpune zusammen (grün).
Bild: © Universität Basel, Biozentrum


Die Tularämie ist eine Seuche, die zumeist unter Hasen und Nagern grassiert. Aber auch der Mensch kann sich mit der Krankheit anstecken. Der Auslöser der lebensbedrohlichen Krankheit ist das Bakterium Francisella tularensis. Die Infektionsbiologen um Prof. Marek Basler und Prof. Petr Broz vom Biozentrum der Universität Basel zeigen nun am Beispiel einer für den Menschen harmlosen Francisella-Unterart, wie sich diese Bakterien mithilfe einer Nano-Harpune aus Verdauungsbläschen im Inneren von Abwehrzellen befreien können.

Tularämie: eine lebensbedrohliche Infektionskrankheit

Diese Infektionskrankheit kann durch Parasiten wie Zecken und Flöhe oder durch Tröpfcheninfektion vom Tier auf den Menschen übertragen werden. Ohne medikamentöse Behandlung kann die Krankheit sogar tödlich verlaufen. «Die Sterblichkeitsrate kann bis zu dreissig Prozent betragen», erklärt Broz. «Bereits ein Dutzend eingeatmeter Francisella-Bakterien reichen aus, um sich anzustecken.» Da der Erreger sehr infektiös ist und sich schnell über die Luft verbreitet, wurde er in das Arsenal der biologischen Kampfstoffe aufgenommen.

Infektionserreger mit eigener «Waffe»

Das Bakterium Francisella verfügt aber auch selbst über eine effiziente «Waffe» - das sogenannte Typ-6-Sekretionssystem (T6SS), welches wie eine Harpune funktioniert. Diese benötigt Francisella, um sich aus der «Gefangenschaft» der Fresszellen zu befreien. Denn die Abwehrzellen «fressen» in den Körper eingedrungene Erreger auf, schliessen sie im Zellinneren in kleinen Bläschen ein und verdauen sie. Mithilfe des T6SS kann sich Francisella jedoch aus diesen Verdauungsvesikeln befreien. So gelangt es schliesslich ins Zellplasma, den Ort, an dem es sich schnell vermehren kann.

Molekulare Harpune zur Befreiung aus «Gefangenschaft»

Die beiden Forschungsgruppen untersuchten nun, wie das T6SS bei Francisella aufgebaut ist und wie es funktioniert. Dabei stellte sich heraus, dass der Erreger die Bestandteile seiner Waffe recycelt. «Nach dem Abfeuern der Harpune wird sie sofort in ihre Einzelteile zerlegt. Diese verwendet das Bakterium sofort für den Bau einer neuen Harpune», erklärt Basler. «Mit ihrer Waffe stechen die Bakterien durch die Membran des Vesikels, in das sie eingeschlossen sind, und injizieren Giftproteine in das Innere der Immunzelle.» Diese bislang noch nicht beschriebenen Proteine zerstören anschliessend die Vesikelmembran. So können sich die Bakterien schliesslich selbst aus ihrer «Gefangenschaft» befreien und sich vor einer Verdauung retten.

Besitzen sie diese Proteine nicht, gibt es für sie kein Entkommen. Das T6SS sowie die Giftproteine sind wichtige Virulenzfaktoren, denn sie sind entscheidend für den Erfolg des Bakteriums bei einer Infektion. Sind die Erreger erst einmal ins Zellplasma entkommen, fängt der eigentliche Kampf erst an, da sie sich nun gegen die angeborene Immunabwehr des Wirtes behaupten müssen.

Originalbeitrag
Maj Brodmann, Roland F. Dreier, Petr Broz and Marek Basler
Francisella requires dynamic Type VI secretion system and ClpB to deliver effectors for phagosomal escape
Nature Communications (2017),
doi: 10.1038/ncomms15853


Weitere Informationen unter:
https://www.unibas.ch/de/Aktuell/News/Uni-Research/Bakterien-befreien-sich-mit-molekularer-Harpune.html

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung unter:
http://idw-online.de/de/institution74

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Universität Basel, Olivia Poisson, 16.06.2017
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 20. Juni 2017

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