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FORSCHUNG/630: Neurobiologie - Das Kurzzeitgedächtnis der Fliege (idw)


Max-Planck-Institut für Neurobiologie - 03.08.2009

Kurzzeitgedächtnis der Fliege


Im Rahmen der Förderinitiative "Bernstein Fokus: Neuronale Grundlagen des Lernens" unterstützt das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) ein gemeinsames Forschungsprojekt von Wissenschaftlern des Max-Planck-Instituts für Neurobiologie, der Ludwig-Maximilians Universität München und der Universität Konstanz. Der Forschungsverbund wird von Hiromu Tanimoto am Max-Planck-Institut für Neurobiologie in Martinsried koordiniert und widmet sich am Beispiel der Fruchtfliege Drosophila melanogaster der Frage, wie Gedächtnisinhalte über kurze Zeit im Gehirn gespeichert werden können. Der neue Münchner Bernstein Fokus wird mit 485.058 Euro gefördert und läuft über fünf Jahre. Er ist Teil des bundesweiten "Bernstein Netzwerk Computational Neuroscience". Das Netzwerk, auch das Münchner Bernstein Zentrum für Computational Neuroscience angehört, wurde bereits im Jahre 2005 gegründet.

Dass wir am Ende der Lektüre eines Satzes noch wissen, wie dieser angefangen hat, verdanken wir unserem Arbeitsgedächtnis. Das Arbeitsgedächtnis ist zuständig für die kurzzeitige Speicherung von Informationen und hilft uns bei der Orientierung im Alltag - wir wissen, warum wir gerade den Telefonhörer in die Hand genommen oder die Tür geöffnet haben. Experimente aus der Arbeitsgruppe von Hiromu Tanimoto zeigen, dass auch Fliegen eine sehr einfache Form eines Arbeitsgedächtnisses haben und einmalige Ereignisse über kurze Zeit in Erinnerung behalten können.

Setzt man eine Fliege für kurze Zeit einem bestimmten Duft aus und gibt ihr gleichzeitig einen kleinen Stromimpuls, wird sie den Geruch mit dem negativen Erlebnis verknüpfen lernen und den Geruch fortan möglichst meiden. Diese Art von Lernen nennt man klassische Konditionierung. Ergebnisse von Tanimoto zeigen, dass klassische Konditionierung auch mit einer Zeitversetzung funktioniert, in der sich die Fliege den Geruch im Gehirn kurzzeitig speichern muss. Auch wenn der Stromimpuls erst einsetzt, wenn der Duft bereits verklungen ist, verbindet die Fliege den Geruch mit dem Impuls und wird ihn fortan meiden. "Stimulusspuren" nennen die Wissenschaftler die Kurzspeicherung von Sinnesreizen, die dieser zeitverzögerten klassischen Konditionierung zugrunde liegt. Am Beispiel dieser Stimulusspuren werden die Wissenschaftler des Bernstein Fokus das Arbeitsgedächtnis der Fliege genauer untersuchen.

Welche Nervenzellen sind an der Speicherung von Stimulusspuren beteiligt und wie verändern sie sich dabei? Wie führen diese Veränderungen dazu, dass der Geruch in Form von neuronaler Aktivität im Gehirn erhalten bleibt? Um diese Fragen zu untersuchen, vereint der Forschungsverbund Forscher aus den experimentellen Wissenschaften und Experten aus der theoretischen Neurobiologie, die sich mit der Datenanalyse befassen und Computermodelle der zugunde liegenden Netzwerkstrukturen erstellen werden. Fliegen eignen sich wegen ihrer kleinen und relativ einfachen Gehirne für die Untersuchung des Kurzzeitgedächtnis besonders gut - die grundlegenden Mechanismen lassen sich aber voraussichtlich auch auf komplexere Gedächtnisformen, wie dem Arbeitsgedächtnis höher Tiere und Menschen übertragen.

Weitere Informationen unter:
http://www.neuro.mpg.de/english/junior/behavgen
- Webseite der Selbstständigen Nachwuchsgruppe "Verhaltensgenetik" unter der Leitung von Dr. Hiromu Tanimoto
http://www.bccn-muenchen.de
- Webseite des Berstein Centers for Computational Neurosciences Munich

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung unter:
http://idw-online.de/pages/de/institution1167


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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Max-Planck-Institut für Neurobiologie, Dr. Stefanie Merker, 03.08.2009
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 7. August 2009