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ZOOLOGIE/1227: Ein Unterschied von Wolf und Hund - Haustiere zeigen rätselhafte Vielfalt (idw)


Senckenberg Forschungsinstitut und Naturmuseen - 11.02.2015

Ein Unterschied von Wolf und Hund - Haustiere zeigen rätselhafte Vielfalt


Frankfurt/Gelnhausen, den 11.02.2015. Wissenschaftler des Senckenberg Forschungsinstituts in Gelnhausen haben gemeinsam mit spanischen Kollegen die molekularen Mechanismen untersucht, welche zur Entstehung einer enormen Vielfalt von Haustierrassen führen. Das Team konnte anhand von Vergleichen zwischen Wolf und Hund, Ziege und Steinbock sowie Schaf- und Mufflon die These widerlegen, dass Haustiere über eine höhere Rekombinationsrate ihrer DNA verfügen als Wildtiere. Diese Annahme galt lange als gültige Erklärung für die vielfältigen Erscheinungsformen von Haustieren. Die Studie ist kürzlich online im renommierten Fachjournal "Molecular Biology and Evolution" erschienen.

Riesige Doggen, winzige Chihuahuas, knautschige Möpse und gepunktete Dalmatiner - es gibt fast 350 Hunderassen mit unterschiedlicher Größe, Aussehen und Temperament. "Wie es zu dieser außergewöhnlichen Vielfalt kam, ist noch ungeklärt", sagt Dr. Violeta Munoz-Fuentes vom Senckenberg Forschungsinstitut in Gelnhausen und ergänzt: "Genetisch gesehen ist selbst ein Chihuahua eigentlich noch ein Wolf. Der Unterschied in der DNA zwischen Hunden und Wölfen ist minimal."

Bisher ging man davon aus, dass der Mensch durch seine starke Selektion bei der Hundezucht eine erhöhte Rekombinationsrate der Hunde-DNA bewirkte, die wiederum zu der großen Vielfalt führte. Unter Rekombination versteht man die Neuanordnung von genetischem Material in Zellen, die zu neuen Gen- und Merkmalskombinationen führt. "Man ging davon aus, dass durch die menschliche Züchtung die Fähigkeit zur DNA-Rekombination von Generation zu Generation zunahm und sich so innerhalb eines relativ kurzen Zeitraums - zwischen 15.000 und 100.000 Jahren vor heute - die heutige Vielfalt an Hundetypen entwickeln konnte", erklärt Munoz-Fuentes.

Der Wolf dagegen blieb in dieser Zeitspanne nahezu unverändert im Aussehen und Verhalten. "Grund genug für uns einmal die Unterschiede in der Wolfs- bzw. Hunde-DNA hinsichtlich der Rekombinationsrate zu untersuchen", ergänzt die Gelnhäuser Biologin. Und nicht nur die Familie Canis nahm Munoz-Fuentes gemeinsam mit Kollegen aus Spanien, Schweden und den USA unter die Lupe. Sie verglichen auch Ziegen mit Steinböcken und Hausschafe mit Mufflons. Durch den Vergleich zwischen Haus- und Wildtieren erhofften sich die Wissenschaftler einen Beweis für die Bestätigung der Rekombinationsraten-Theorie. Für die Gegenüberstellung von Wild- und Haustieren benötigten sie Zelltypen, welche in Fortpflanzungsorganen, in diesem Fall den Hoden der untersuchten Tiere vorkommen. "Es war gar nicht so einfach an die Hoden heranzukommen. Wir haben Tierärzte, Schlachter und Zoos kontaktiert und sogar Jagden besucht, wo uns die Jäger erlaubten Material zu sammeln", erzählt Munoz-Fuentes.

Das Ergebnis des Vergleiches überraschte die Wissenschaftler: Es gab keinen Hinweis auf eine höhere Fähigkeit zur DNA-Rekombination bei Haustieren. "Stattdessen zeigt unsere Studie, dass Wildtiere eine höhere Rekombinationsrate in ihrer DNA besitzen, also das genaue Gegenteil der bisherigen Hypothese", erläutert Munoz-Fuentes und resümiert: "Aber auch ein unerwartetes Ergebnis ist ein Erfolg: Wir konnten die bisherige These widerlegen. Nun ist weitere Forschung notwendig, um die Vielfalt unserer Haustiere zu entschlüsseln."

Publikation
Violeta Muñoz-Fuentes, Marina Marcet-Ortega, Gorka Alkorta-Aranburu, Catharina Linde Forsberg, Jane M. Morrell, Esperanza Manzano-Piedras, Arne Söderberg, Katrin Daniel, Adrian Villalba, Attila Toth, Anna Di Rienzo, Ignasi Roig and Carles Vilà:
Strong Artificial Selection in Domestic Mammals Did Not Result in an Increased Recombination Rate,
Mol Biol Evol (2015) 32 (2): 510-523
first published online November 19, 2014
doi:10.1093/molbev/msu322


Die Natur mit ihrer unendlichen Vielfalt an Lebensformen zu erforschen und zu verstehen, um sie als Lebensgrundlage für zukünftige Generationen erhalten und nachhaltig nutzen zu können - dafür arbeitet die Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung seit nunmehr fast 200 Jahren. Diese integrative "Geobiodiversitätsforschung" sowie die Vermittlung von Forschung und Wissenschaft sind die Aufgaben Senckenbergs. Drei Naturmuseen in Frankfurt, Görlitz und Dresden zeigen die Vielfalt des Lebens und die Entwicklung der Erde über Jahrmillionen. Die Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung ist ein Mitglied der Leibniz-Gemeinschaft. Das Senckenberg Naturmuseum in Frankfurt am Main wird von der Stadt Frankfurt am Main sowie vielen weiteren Partnern gefördert.

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www.senckenberg.de.

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung unter:
http://idw-online.de/de/institution639

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Senckenberg Forschungsinstitut und Naturmuseen, Judith Jördens, 11.02.2015
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 13. Februar 2015

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