Schattenblick →INFOPOOL →NATURWISSENSCHAFTEN → BOTANIK

FORSCHUNG/256: Unwiderstehliche Düfte - Warum Mäuse und Elefantenspitzmäuse Pflanzen bestäuben (idw)


Universität Bayreuth - 03.05.2011

Unwiderstehliche Düfte - Warum Mäuse und Elefantenspitzmäuse Pflanzen bestäuben


Eine internationale Forschungsgruppe hat erstmals Duftstoffe analysiert, mit denen es Pflanzen gelingt, nicht-fliegende Säugetiere für die Bestäubung gezielt anzulocken. Cytinus visseri, eine im südlichen Afrika beheimatete Pflanzenart, verströmt mit ihren dunkelroten Blüten einen Duft, dem Mäuse und Elefantenspitzmäuse instinktiv folgen. Die chemische Zusammensetzung des Dufts bewirkt, dass diese Tiere von den nektarreichen Blüten unwiderstehlich angezogen werden. PD Dr. Stefan Dötterl hat mit chemischen Analysen am Lehrstuhl für Pflanzensystematik der Universität Bayreuth dazu beigetragen, die Ursachen aufzuklären.


Cytinus visseri und ihre nächtlichen Besucher

Cytinus visseri ist eine vergleichsweise seltene Pflanzenart, die nur in einigen südafrikanischen Regionen vorkommt und zur Familie der Cytinaceae gehört. Diese malvenartigen Pflanzen sind Parasiten, die keine eigene Photosynthese betreiben können. Sie leben in den Wurzeln ihrer Wirtspflanzen, nur die Blütenstände werden außerhalb des Wirtes gebildet. Cytinus visseri wächst meistens unter einem dichten Gestrüpp von Strohblumen verborgen. In den späten Nachmittagsstunden enthalten ihre Blüten reichliche Mengen eines süßlichen Nektars.

Es sind aber keine Insekten oder Vögel, die diese Blüten bestäuben. Ausschließlich Säugetiere, nämlich Mäuse und Elefantenspitzmäuse, werden vom Duft der Cytinus visseri angezogen. Für sie ist der Nektar eine willkommene Nahrungsquelle. Die Elefantenspitzmäuse haben einen kleinen Rüssel, mit dem sie die Blütenblätter zurückklappen, so dass sie an den Nektar herankommen. Die ungewöhnlichen Besucher dabei zu beobachten, ist für die Forscher nicht einfach: "Sie kommen nur in den Nachtstunden angekrochen, um den Nektar herauszulecken", berichtet Stefan Dötterl. "Die Kollegen mussten Fallen aufstellen, um wenigstens einige dieser Tiere am nächsten Morgen in Augenschein nehmen zu können. Aber oftmals haben Fußspuren auf diese nächtlichen Besuche hingewiesen."

Eine Elefantenspitzmaus im Labor. Mit ihrer Zunge leckt sie den Nektar aus den Blüten von Cytinus visseri heraus. - Foto: © Steven D. Johnson

Eine Elefantenspitzmaus im Labor. Mit ihrer Zunge leckt sie den Nektar aus den Blüten von Cytinus visseri heraus. Obwohl Elefantenspitzmäuse - vom Rüssel abgesehen - den Mäusen ähnlich sehen, sind sie biologisch nicht näher mit ihnen verwandt. Während es sich bei Mäusen um Nagetiere handelt, gehören die Elefantenspitzmäuse zur Ordnung der Rüsselspringer.
Foto: © Steven D. Johnson

Analysen der Duftstoffe und ihrer Signalwirkungen

Was macht den Blütenduft von Cytinus visseri so attraktiv? Am Lehrstuhl für Pflanzensystematik der Universität Bayreuth wurde der streng nach altem Plastik riechende Duft analysiert. Mittels Gaschromatographie und Massenspektrometrie konnten mehr als 30 Substanzen nachgewiesen werden. Nur zwei dieser Stoffe kommen in größeren Mengen vor. Es handelt sich dabei um leichtflüchtige, aliphatische Ketone. Der eine Stoff, das 3-Hexanon, löst jedenfalls bei Mäusen ein angeborenes Verhalten aus: Instinktiv wollen die geruchsempfindlichen Tiere der Duftquelle auf die Spur kommen. Der andere Stoff, das 1-Hexen-3-on, ist für den strengen Geruch verantwortlich. Er würde für sich genommen die Mäuse abschrecken. In Verbindung mit dem 3-Hexanon bleibt dieser Effekt jedoch aus.

Wie das 3-Hexanon auf Elefantenspitzmäuse wirkt, ist bisher noch nicht nachgewiesen worden. Auffallend ist aber, dass auch sie im Labor äußerst ungeduldig werden, sobald sie den Duft von Cytinus visseri riechen. Mit den Hinterbeinen stampfen sie auf den Boden, selbst wenn sie die Pflanzen nicht sehen können. Daher liegt die Vermutung nahe, dass das 3-Hexanon auch bei ihnen ein instinktives Verhalten auslöst.

Weshalb gehen die Forscher davon aus, Mäuse würden das 3-Hexanon nicht etwa aus Erfahrung, sondern aufgrund eines angeborenen Instinkts mit wohlschmeckender Nahrung in Verbindung bringen? Der Grund: Die im Labor untersuchten Mäuse stammen aus Regionen, in denen die Pflanzenfamilie der Cytinaceae unbekannt ist. Sie reagieren auf das 3-Hexanon mit begieriger Unruhe, obwohl sie niemals mit dem Nektar dieser Pflanzen in Kontakt gekommen sind. Folglich kann ihr Verhalten nicht darauf beruhen, dass sie aus Erfahrung gelernt haben.


Hinweise auf evolutionäre Entwicklungen

Die Forschergruppe mit Stefan Dötterl hat mit ihren Untersuchungen einen weiteren wichtigen Beleg dafür liefern können, dass es im Pflanzenreich keineswegs Zufall ist, welche Blüten von welchen Tieren bestäubt werden. Denn die bisher bekannten Duftstoffe von Pflanzenarten, die eine starke Anziehungskraft auf Insekten ausüben, unterscheiden sich grundlegend von Pflanzenarten wie der Cytinus visseri, die von Mäusen und Elefantenspitzmäusen bestäubt wird. 3-Hexanon ist aber auch von Pflanzen bekannt, die von Fledermäusen bestäubt werden. Ob auch sie durch diesen Stoff angelockt werden, ist noch unklar. Die Forscher vermuten aber, dass sich über Jahrtausende in verschiedensten Pflanzengruppen unabhängig voneinander Signale für die Anlockung von Säugetieren entwickelt haben.



Veröffentlichung:

Steven D. Johnson, Priscilla M. Burgoyne, Lawrence D. Harder and Stefan Dötterl,
Mammal pollinators lured by the scent of a parasitic plant,
in: Proceedings of the Royal Society B, published online in advance of the print journal.
DOI-Bookmark: 10.1098/rspb.2010.2175

Videosequenz:

Eine Video mit der Elefantenspitzmaus ist im "Data supplement" des o.g. Beitrags zur Ansicht frei:
rspb.royalsocietypublishing.org/content/early/2011/01/05/rspb.2010.2175/suppl/DC1>C1>

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung unter:
http://idw-online.de/de/institution4


*


Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Universität Bayreuth, Christian Wißler, 03.05.2011
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 5. Mai 2011