Gregor Mendel Institut für Molekulare Pflanzenbiologie (GMI) - 12.10.2016
Das Geheimnis langlebiger Pflanzen
Wiener Forscher ergründen Mechanismus für Fortpflanzung mit geringen Mutationen.
Der älteste individuelle Organismus, der auf der Welt lebt, ist ein Baum - er ist mehr als 5.000 Jahre alt. Eine neue Forschungsarbeit erklärt die Langlebigkeit von Pflanzen. Das Wiener Gregor Mendel Institut für Molekulare Pflanzenbiologie (GMI) der Österreichischen Akademie der Wissenschaften war daran maßgeblich beteiligt. Die Erkenntnisse: Manche Pflanzen können über Jahrtausende neue Organe bilden, ohne bei der Zellteilung zu viele Genmutationen anzuhäufen - "eine große Leistung", wie Erstautor Dr. Matt Watson vom GMI meint.
Alle Pflanzenorgane wie Blätter, Stengel und Blüten entstehen aus einer
Stammzellengruppe, dem Sprossapikalmeristem. Diese Zellen müssen sich
teilen, um neue Organe zu erzeugen. Während der Zellteilung passieren aber
Mutationen. Das hat zu der langjährigen Hypothese geführt, dass
langlebigere Pflanzen mehr Genmutationen an ihre Nachkommen weitergeben
als kurzlebige. Zu viele Mutationen, die sich über Generationen anhäufen,
können letztendlich dazu führen, dass Nachkommen der Pflanze nicht mehr
lebensfähig sind.
Eine neue Arbeit, die diese Woche in Proceedings of the National Academy of Sciences of the USA publiziert wurde, bringt nun eine mögliche Erklärung, wie manche Pflanzen trotzdem so lange leben können: "Germline replications and somatic mutation accumulation are independent of vegetative life span in Arabidopsis". Die Erkenntnisse zu dieser Arbeit stammen maßgeblich aus dem Wiener Gregor Mendel Institut aus dem Labor von Dr. Karel Riha (mittlerweile am Central European Institute of Technology in Brünn, Tschechien).
Eine Hauptursache von Mutationen ist der Prozess der DNA-Vervielfältigung vor der Zellteilung. Bei diesem Kopiervorgang kommt es aber immer wieder zu Fehlern. Rihas Labor wollte bestimmen, wie oft sich die Zellen der Keimbahn der Arabidopsis thaliana (Ackerschmalwand) in einer einzigen Generation teilen und wie die Lebenserwartung der Pflanze diese Zahl beeinflusst.
Dazu maßen die Forscher zwei Aspekte der DNA-Vervielfältigung:
Unter Anwendung dieser Aspekte bestimmten sie, dass ungefähr 34 Zellteilungen in der Keimbahn stattfinden um von einen Mutterembryo zu ihrem Tochterembryo zu gelangen.
Auf interessante Resultate stießen die Forscher, als sie die Pflanzen unter kürzeren Lichtperioden wachsen ließen. Bei 16 Stunden Licht pro Tag blüht Arabidopsis 30 Tage nachdem sie 10 Blätter produziert hat. Bei nur 8 Stunden Licht braucht sie hingegen 90 Tage und hat davor 70 Blätter produziert.
Riha und seine Kollegen hatten erwartet, dass diese später blühenden Pflanzen mehr Zellteilungen im Sprossapikalmeristem durchführen um die zusätzlichen Blätter zu produzieren, und dass dadurch mehr Mutationen entstehen. Überraschenderweise fanden sie, dass die Anzahl der Zellteilungen, die Mutter- und Tochterpflanzen unterscheiden, in beiden Fällen nahezu identisch war.
Zellen, die letztendlich die Blüte bilden, teilen sich in der vegetativen Wachstumsphase offenbar nur selten - wenn überhaupt. Andere Zellen hingegen teilen sich wesentlich häufiger. Die Forscher schlossen daraus, dass es dafür ein hierarchisches Modell für Zellteilungen im Sprossapikalmeristem gibt. Um dieses Modell zu testen markierten die Autoren die DNA der Pflanzen mit einem fluoreszierenden Färbemittel zu Beginn des Wachstums und kontrollierten dann auf fluoreszierende Zellen Tage und Wochen später. Nur Zellen, die sich nicht in dieser Zeit geteilt hatten, behielten dieses fluoreszierende Signal. In Übereinstimmung mit ihrem Modell fanden die Autoren, dass manche markierte Zellen bis zu 19 Tage lang sichtbar waren - Zellen, die wahrscheinlich das reproduktive Gewebe produzieren.
Riha: "Diese Daten weisen auf einen Mechanismus hin, der zu der bemerkenswerten Langlebigkeit von Pflanzen beiträgt. In manchen Pflanzen können Meristeme für Jahrtausende aktiv sein und neue Organe produzieren. Über diesen ganzen Zeitraum mutationsfreie Genome beizubehalten ist keine kleine Leistung. Das hierarchische Modell, das wir aufgestellt haben, bietet eine plausible Erklärung, wie das funktionieren könnte. Unser Modell ähnelt den neuen Modellen menschlicher Stammzellen-Nischen. Ich schließe daraus, dass Pflanzen und Tiere ähnliche Mechanismen entwickelt haben, um ihre Genome zu schützen und gleichzeitig die hohe Anzahl von Zellteilungen zu ermöglichen, die für Wachstum und Entwicklung nötig sind."
DOI der Publikation:
10.1126/scisignal.aaf6326
Über das GMI
Das Gregor Mendel Institut für Molekulare Pflanzenbiologie (GMI) wurde von
der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) im Jahr 2000
gegründet, um Spitzenforschung in der molekularen Pflanzenbiologie zu
fördern. Das GMI gehört zu den weltweit wichtigsten
Pflanzenforschungseinrichtungen. Mit mehr als 100 MitarbeiterInnen aus 25
Ländern erforscht das GMI primär die Grundlagen der Pflanzenbiologie, vor
allem molekulargenetische Aspekte wie epigenetische Mechanismen,
Populationsgenetik, Chromosomenbiologie, Stressresistenz und
Entwicklungsbiologie. Das GMI befindet sich in einem modernen Laborgebäude
der Österreichischen Akademie der Wissenschaften auf dem Campus des Vienna
Biocenter, auf dem mehrere Forschungsinstitute sowie Biotechnologie-Firmen
angesiedelt sind.
Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung unter:
http://idw-online.de/de/institution2072
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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Gregor Mendel Institut für Molekulare Pflanzenbiologie (GMI),
Mehrdokht Tesar, 12.10.2016
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de
veröffentlicht im Schattenblick zum 14. Oktober 2016
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