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MELDUNG/250: Auszeichnungen für vier Pflanzenforscherinnen und -forscher (idw)


Verband Biologie, Biowissenschaften und Biomedizin in Deutschland e.V. - 09.09.2019

Auszeichnungen für vier Pflanzenforscherinnen und -forscher


Wie sich der Klimawandel auf den Blattaustrieb von Gehölzen und das Überleben von Blumen auswirkt, welche Substanzen die Form von Plastiden beeinflussen und welche Eiweiße den Startschuss für die Phloem-Entwicklung geben, sind die Themen der vier Forschenden, die mit den diesjährigen Wissenschaftspreisen der Deutschen Botanischen Gesellschaft (DBG) ausgezeichnet werden. Dr. Constantin Mario Zohner, Dr. Jessica Lee Erickson, Dr. Moisés Expósito Alonso und Dr. Eva-Sophie Wallner erhalten ihre Auszeichnungen während der Botanikertagung vom 16. bis 19. September in Rostock, wo sie den mehr als 420 angemeldeten Pflanzenforscherinnen und -forschern ihre Ergebnisse vorstellen werden.


Wie sich der Klimawandel auf die Wachstumsperiode von Gehölzen auswirkt

Der Eduard Strasburger-Preis der Deutschen Botanischen Gesellschaft (DBG) geht an Dr. Constantin Mario Zohner. Um abschätzen zu können, wie Gehölze auf den Klimawandel reagieren, untersuchte Dr. Zohner wie Temperatur und Tageslänge deren Blattaustrieb im Frühjahr beeinflussen. Denn wenn Bäume und Büsche zu früh ins Jahr starten, riskieren sie Erfrierungen und müssen den energiezehrenden Blattaustrieb ggf. ein zweites Mal beginnen - sofern sie dafür noch Reserven haben. Wie Zohner in seiner Doktorarbeit an Gehölzen herausfand, sind in Asien entstandene Arten sehr temperaturabhängig, auch wenn sie hier wachsen, und reagieren mit einem früheren Blattaustrieb auf steigende Lufttemperaturen. Ihre Blätter werden daher immer früher austreiben, auch wenn sie in Europa oder Nordamerika stehen. Europäische und Nordamerikanische Arten sind dagegen weniger temperaturempfindlich, vermutlich weil sie in der Vergangenheit häufiger Klimaschwankungen ausgesetzt waren. In der Arbeit, die er am Lehrstuhl für Systematische Botanik und Mykologie von Prof. Dr. Susanne S. Renner an der Ludwig-Maximilians-Universität München anfertige, zeigte Zohner zum ersten Mal, dass die einzelnen Blattknospen einen Sensor besitzen. Mit diesem Sensor können sie ihren Blattaustrieb anhand von Temperatur und Licht autonom steuern, auch wenn die Knospen nur wenige Zentimeter auseinander liegen. Dazu hatte der Pflanzenökologe, der inzwischen mit einem Stipendium an der ETH Zürich forscht, an 187 aufeinanderfolgenden Tagen im Freiland stets zur selben Tageszeit die Blattknospen ausgewachsener Bäume verhüllt, um Kurztagesbedingungen zu simulieren. In seinem Vortrag anlässlich der Verleihung des mit 2.500 Euro dotierten und vom Verlag Springer Spektrum gestifteten Preises am 18. September wird Zohner neben den oben genannten Ergebnissen auch neue Ergebnisse präsentieren, wie sich der Klimawandel auf Blattfarbe und Blattabwurf im Herbst bei Bäumen auswirkt. Der vom Klimawandel beeinflusste Blattaustrieb im Frühjahr und Blattfall im Herbst sind wichtige Faktoren, die die Produktivität von Laub- und Mischwäldern beeinflussen und in zukünftigen Modellen zum Klimawandel einkalkuliert werden müssen.

Wie ein manipulatives Eiweiß hilft hochdynamische Ausstülpungen der Plastiden zu untersuchen

Den Wilhelm Pfeffer-Preis der DBG wird Dr. Jessica Lee Erickson für ihre neue Methode entgegennehmen, mit der sich die hochdynamischen Ausstülpungen von Plastiden in gestressten, lebenden Pflanzenzellen untersuchen lassen. Auch wenn diese Ausstülpungen von Plastiden, den von einer Membran umgebenen Zellbestandteilen, seit mehr als 100 Jahren bekannt sind, ist deren Bildung und Funktion noch weitgehend unbekannt. Vermutlich fördern sie den Stoff- und Molekülaustausch zwischen den Organellen, der auch der innerzellulären Kommunikation dienen könnte. Viele Pflanzen bilden die Stromula genannten Formen, die überlebenswichtig scheinen. Um zu untersuchen, wie und warum Stromula gebildet werden, hat Dr. Erickson einer interdisziplinären Doktorarbeit Kenntnisse und Techniken der Biophysik, Bioinformatik, Genetik, Analytik, Biochemie und Zellbiologie miteinander kombiniert. Die Zellbiologin entwickelte am Institutsbereich für Pflanzenphysiologie der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg bei Dr. Martin Schattat dazu eine neue Untersuchungsmethode als ein Teil ihrer Doktorarbeit. Sie nutzte sogenannte Effektor-Proteine, die normalerweise Krankheitserreger nutzen, um Tomaten- und Paprika-Pflanzen zu ihrem Vorteil zu manipulieren, als Werkzeuge, um die Prozesse der sich innerhalb weniger Minuten verändernden Kanäle, Vesikel und Verformungen in Tabakpflanzen (Nicotiana benthamiana) zu verstehen. Ihre Methode wurde inzwischen von anderen Forschenden auch außerhalb Deutschlands übernommen. Den mit 2.500 Euro dotierten Preis wird Erickson aus den Händen des Präsidenten der Wilhelm-Pfeffer-Stiftung, Prof. Dr. Christian Wilhelm, in Rostock entgegennehmen. In ihrem Vortrag am 17. September wird sie über die biophysikalischen Grundlagen der Formveränderung von Plastiden sprechen und wie sie Effektoren pflanzlicher Krankheitserreger nutzte, um den Plastiden-Verformungen auf die Spur zu kommen.

Welche Blumenpopulationen bessere Chancen haben, den Klimawandel zu überleben

Dr. Moisés Expósito Alonso erhält ebenfalls einen Wilhelm Pfeffer-Preis der DBG. In seiner Doktorarbeit zeigte er, dass bei Voranschreiten des Klimawandels Populationen der europäischen Ackerschmalwand (Arabidopsis thaliana) aus Mitteleuropa eine schlechtere Überlebenschance bei Dürre haben als Populationen aus den nördlichen und südlichen Randgebieten ihrer natürlichen Verbreitung. Dazu kombinierte er Freilandstudien, Populationsgenetik, Gewächshausstudien und entwickelte einen selbst lernenden Algorithmus. Zunächst wählte er mehr als 500 genetisch verschiedene Populationen derselben Art aus dem 1001 Arabidopsis thaliana Genomes Project aus, ließ sie wachsen und setzte diese anschließend einer extremen Dürre im Gewächshaus sowie an Standorten in Tübingen und im spanischen Madrid aus. Populationen, die aus den Randregionen ihres natürlichen Verbreitungsgebiets wie Schweden oder Spanien stammten, überlebten die simulierte Dürre. Er führt dies darauf zurück, dass die Populationen aus den Randgebieten häufiger extremen Wetterbedingungen ausgesetzt waren und sich daher im Laufe ihrer Evolution mehr überlebenswichtige Mutationen in ihrem Erbgut ansammelten, als in Populationen aus der noch "behaglichen" Mitte des Verbreitungsgebietes. Mit einem eigenen, selbst-lernenden Algorithmus modellierte Dr. Expósito Alonso zukünftige Entwicklungen und fand heraus, dass Populationen aus Zentraleuropa am ehesten aussterben würden, wenn der Regen überraschend wegfallen wird. Expósito Alonso fertigte die Arbeit an der Eberhard Karls Universität und am Max-Planck-Institut für Entwicklungsbiologie in Tübingen bei Professor Dr. Detlef Weigel, Prof. Dr Oliver Bossdorf und Prof. Dr. Hernán Burbano an. Inzwischen hat sich Expósito Alonso für eine Stelle am Carnegie Institut der amerikanischen Stanford University entschieden, wo er seine Forschung über die Genetik im Klimawandel fortsetzen wird. Den mit 2.500 Euro dotierten Preis wird er vom Präsidenten der DBG eigenen Wilhelm Pfeffer-Stiftung, Prof. Dr. Christian Wilhelm, erhalten.

Welche Faktoren die Entwicklung von zuckerleitenden Geweben regulieren

Dr. Eva-Sophie Wallner erhält den diesjährigen Horst Wiehe-Preis der DBG. In ihrer Doktorarbeit identifizierte sie bis dato unerforschte Proteine als essentielle Faktoren für die Entwicklungsschritte des zuckerleitenden Gewebes in Pflanzen, genannt Phloem. Das Phloem zieht sich aderartig durch die Pflanzen und transportiert Zucker von Blättern zur Speicherung in Früchte und in neue Organe, die Energie zum Wachstum benötigen. Dr. Wallner fand am Centre for Organismal Studies (COS) der Universität Heidelberg unter Leitung von Prof. Dr. Thomas Greb heraus, dass diese neuartigen als SMXL3, SMXL4 und SMXL5 bezeichneten Eiweiße für die frühen Stadien der Phloem-Entwicklung unerlässlich sind. Obwohl andere Mitglieder der SMXL-Familie durch ein spezielles Hormon abgebaut werden, reagieren SMXL3/4/5 nicht auf dieses Hormon. Diese Unempfindlichkeit ist höchstwahrscheinlich wichtig für eine robuste Bildung des Phloem-Gewebes und somit für das Wachstum der Pflanze allgemein. Durch genetische Studien an der Ackerschmalwand, Arabidopsis thaliana, konnte Dr. Wallner zeigen, dass SMXL3/4/5 mit anderen Eiweißen Komplexe bilden, die wichtige Rollen in der Genregulation spielen könnten. Während das Ausschalten dieser Komplexe zum Absterben der ganzen Pflanze führte, könnte durch eine Konzentrationserhöhung der Ertrag von Nutzpflanzen gesteigert werden. Die Dank ihrer Ausdauer und Kreativität gewonnenen Ergebnisse öffnen daher nicht nur neue Felder für die Grundlagenforschung des Langstreckentransports von Zuckern und Stoffwechselprodukten, sondern auch für die angewandte Forschung. Dr. Wallner wird den mit 2.000 Euro dotierten Horst Wiehe-Preis aus den Händen des Präsidenten der DBG, Prof. Dr. Karl-Josef Dietz, in Rostock entgegennehmen und kommt für ihren Vortrag am 16. September aus den USA, wo sie inzwischen an der Standford Universitiy forscht.

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Titel der ausgezeichneten Arbeiten

Constantin Mario Zohner (2016):
The biogeography, evolution, and function of leaf-out phenology studied with experimental, monitoring, and phylogenetic approaches.
Dissertation, Fakultät für Biologie, Ludwig-Maximilians-Universität München.
https://edoc.ub.uni-muenchen.de/21673/1/Zohner_Constantin.pdf

Jessica Lee Erickson (2019):
Shaping plastid stromules.
Dissertation, Faculty of Biology, Department of Plant Physiology, Martin Luther University Halle-Wittenberg.
DOI: http://dx.doi.org/10.25673/13909

Moisés Expósito Alonso (2018):
On climate change and genetic evolution in Arabidopsis thaliana.
Dissertation. Max Planck Institute for Developmental Biology and Eberhard Karls University of Tübingen.
DOI: http://dx.doi.org/10.15496/publikation-26332

Eva-Sophie Wallner (2018):
Early events in phloem formation: Exploring the molecular network of SMXL3/4/5, Fakultät für Biowissenschaften.
Heidelberg, Universität Heidelberg.
Dissertation (Dr. rer. nat): 128.
DOI: http://doi.org/10.11588/heidok.00025313


Hintergrund

Seit 1994 verleiht die Deutsche Botanische Gesellschaft e.V. (DBG) den Eduard Strasburger-Preis für hervorragende und originelle Leistungen. Das Preisgeld wird alle zwei Jahre von Springer Spektrum (www.springer-spektrum.de) bereitgestellt. Die Stiftung wurde aus Anlass der 100jährigen Wiederkehr des Erscheinens der ersten Auflage des "Lehrbuchs der Botanik für Hochschulen" von Eduard Strasburger, Fritz Noll, Heinrich Schenck und A. F. Wilhelm Schimper aus dem Jahr 1894 eingerichtet. Die Wahl des Preisträgers erfolgt durch eine Jury, die aus den Autorinnen und Autoren der nächsten Auflage des "Strasburger Lehrbuch der Botanik", dem Präsidenten der DBG und der Biologieplanerin von Springer Spektrum besteht. Details:
https://www.deutsche-botanische-gesellschaft.de/ueber-die-dbg/nachwuchsfoerderung/eduard-strasburger-preis.html

Die Deutsche Botanische Gesellschaft e.V. (DBG) verleiht seit 1990 den Wilhelm Pfeffer-Preis für eine herausragende Dissertation aus den Pflanzenwissenschaften. Das Preisgeld in Höhe von 2.500 Euro und die Auszeichnung durch die Wilhelm Pfeffer-Stiftung soll die Karriere junger Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler fördern. Sie wird von einer Jury aus Mitgliedern des Vorstands der Wilhelm Pfeffer-Stiftung gewählt. Details:
https://www.deutsche-botanische-gesellschaft.de/ueber-die-dbg/nachwuchsfoerderung/wilhelm-pfeffer-preis.html

Die Deutsche Botanische Gesellschaft e.V. (DBG) verleiht den Horst Wiehe-Förderpreis alle zwei Jahre für eine herausragende wissenschaftliche Arbeit über ein ausschließlich pflanzenwissenschaftliches Thema. Berücksichtigt werden nur Arbeiten junger Wissenschaftler/innen bis zur erfolgten Habilitation oder hervorragende Dissertationen. Der mit mindestens 1.500 Euro dotierte Preis stammt aus der Stiftung von Horst Wiehe, der der DBG einen Betrag zur Auszeichnung von Nachwuchswissenschaftlern bereitstellte. Details:
https://www.deutsche-botanische-gesellschaft.de/ueber-die-dbg/nachwuchsfoerderung/horst-wiehe-preis.html

Die Deutsche Botanische Gesellschaft (DBG) ist das größte Netzwerk für Pflanzenwissenschaften und Botanik im deutschsprachigen Raum. Als gemeinnützige Gesellschaft vertritt sie alle Fachdisziplinen und fördert die Wissenschaft. Sie ist eine der ältesten, aktiven Botanischen Gesellschaften der Welt, bringt Nachwuchskräfte voran, vereint alle Forschergenerationen und unterstützt den wissenschaftlichen Austausch ihrer rund 850 Mitglieder. Die DBG ist eines der Gründungsmitglieder des Biologen-Dachverbandes VBIO. Mehr:
https://www.deutsche-botanische-gesellschaft.de

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung unter:
http://idw-online.de/de/institution1163

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Verband Biologie, Biowissenschaften und Biomedizin in Deutschland e.V., 09.09.2019
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 11. September 2019

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