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FORSCHUNG/141: Innovative Technologie durchbricht Grenzen moderner Licht-Mikroskopie (Helmholtz)


Helmholtz-Gemeinschaft - 30. Juni 2009

Der Klang des Lichts:
Innovative Technologie durchbricht Grenzen moderner Licht-Mikroskopie


Neuherberg, 30. Juni 2009. Mit einer Kombination aus Licht und Ultraschall können Forscher des Helmholtz Zentrums München und der Technischen Universität München fluoreszierende Proteine mehrere Zentimeter tief in lebendem Gewebe sichtbar machen. Bisher scheitern auch moderne Techniken an der starken Lichtstreuung jenseits von einem Millimeter Gewebedicke. In der Zeitschrift Nature Photonics beschreiben die Münchener Wissenschaftler jetzt, wie sie "Licht hören" und damit feststellen können, welche Gene in Geweben von Fliegenlarven und Fischen aktiv sind. Zukünftig könnte die Technologie die Untersuchung von Tumoren oder Herzkranzgefäßen im Menschen erleichtern.

Dass Gewebe lichtdurchlässig ist, weiß jedes Kind - denn wer hätte sich nicht einmal im Dunkeln mit der Taschenlampe in den Mund geleuchtet und sich vor dem roten Glimmen der Wangen gegruselt. Seit der Erfindung des Mikroskops nutzen Wissenschaftler Licht, um in Dünnschnitten von Gewebe festzustellen, ob es krankhaft verändert ist oder um die Funktionen von Zellen zu untersuchen. Die Grenze für solche Untersuchungen liegt allerdings bei einem halben bis einem Millimeter Gewebedicke - in dickeren Schichten wird das heraustretende Licht so diffus, dass sich keine Details mehr erkennen lassen.

Wissenschaftler um Vasilis Ntziachristos, Direktor des Instituts für biologische und medizinische Bildgebung des Helmholtz Zentrum München - Deutsches Forschungszentrum für Gesundheit und Umwelt und Professor für biologische Bildgebung an der Technischen Universität München, haben diese Grenze jetzt durchbrochen und dreidimensionale Bilder eines sechs Millimeter dicken, erwachsenen Zebrafischs erzeugt.

Dazu machen sie Licht hörbar: Sie bestrahlen den Fisch von verschiedenen Seiten mit Laserblitzen, die im Inneren des Fischkörpers auf Fluoreszenzfarbstoffe treffen - die Farbmoleküle wurden dem Fisch gentechnisch angezüchtet. Wenn die Fluoreszenzfarbstoffe unter den Laserbitzen aufleuchten, erwärmt sich ihre Umgebung, die sich ein wenig ausdehnt. Weil dies extrem schnell geschieht, entsteht eine Druckwelle. Ein kurzer Laserimpuls erzeugt so eine Art Ultraschall-Echo, das die Forscher mit einem Ultraschall-Mikrophon einfangen.

Der eigentliche Trick allerdings sind speziell entwickelte mathematische Formeln. Mit denen rechnet ein angeschlossener Computer das Schallwellenmuster, das durch Schuppen, Muskeln, Rippen, Gräten und Einweide des Fischs in unterschiedlicher Weise verzerrt wird, in ein dreidimensionales Bild um.

Das Ergebnis der "Multi-spektralen opto-akustischen Tomographie", kurz MSOT, ist ein Bild mit einer beachtlichen Auflösung von 40 Mikrometern (vier Hunderstel Millimeter). Und: Der für Untersuchung betäubte Fisch erholt sich nach der Prozedur wieder vollständig.

Dr. Daniel Razansky, Laborleiter am Institut für Biologische Bildgebung, ist begeistert: "Das eröffnet der Forschung eine neue Dimension: Erstmals können Biologen die Entwicklung von Organen, Zellfunktionen und Aktivitäten von Genen durch mehrere Millimeter Gewebe hindurch verfolgen."

Bislang war es nötig, Tiere in verschiedenen Entwicklungsstadien zu töten und Gewebe-Dünnschnitte miteinander zu vergleichen, um Entwicklungen von Organen oder das Fortschreiten von Krankheiten verfolgen zu können. Die riesige Vielfalt bereits erhältlicher Fluorochromfarbstoffe - unter ihnen das 2008 mit dem Nobelpreis ausgezeichnete Green Fluorescent Protein und zahlreiche, für den klinischen Gebrauch zugelassene Farbstoffe - wird die Untersuchung von biologischer Prozesse in einer Vielzahl lebender Organismen möglich machen - vom Fisch bis hin zu Maus und Mensch. Auch die pharmazeutische Forschung könnte so deutlich beschleunigt werden, wenn die molekularen Effekte neuer Krebswirkstoffe über längere Zeit in einem Tier verfolgt würden.

Bio-Ingenieur Ntziachristos ist überzeugt: "MSOT bietet ein enormes Potenzial für die biomedizinische Forschung, die Entwicklung von Medikamenten und die medizinische Versorgung. Weil MSOT die Bildgebung in Gewebetiefen von mehreren Millimetern bis Zentimetern erlaubt, kann diese Technologie sich zum Standard für viele Arten der Bildgebung molekularer Prozesse in Geweben entwickeln."

Originalliteratur:
Multispectral opto-acoustic tomography of deep-seated fluorescent proteins in vivo
Daniel Razansky, Martin Distel, Claudio Vinegoni, Rui Ma, Norbert Perrimon, Reinhard W. Köster & Vasilis Ntziachristos
Nature Photonics, online veröffentlicht am 21. Juni 2009;
doi:10.1038/nphoton.2009.98


Das Helmholtz Zentrum München ist das deutsche Forschungszentrum für Gesundheit und Umwelt. Als führendes Zentrum mit der Ausrichtung auf Environmental Health erforscht es chronische und komplexe Krankheiten, die aus dem Zusammenwirken von Umweltfaktoren und individueller genetischer Disposition entstehen. Das Helmholtz Zentrum München beschäftigt rund 1680 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Der Hauptsitz des Zentrums liegt in Neuherberg im Norden Münchens auf einem 50 Hektar großen Forschungscampus. Das Helmholtz Zentrum München gehört der größten deutschen Wissenschaftsorganisation, der Helmholtz-Gemeinschaft an, in der sich 15 naturwissenschaftlichtechnische und medizinisch-biologische Forschungszentren mit insgesamt 26500 Beschäftigten zusammengeschlossen haben.

Das Institut für Biologische und Medizinische Bildgebung konzentriert sich auf die Entwicklung und Verfügbarmachung von In-Vivo-Bildgebungstechnologien für die Biowissenschaften mit Anwendungen, die von grundlegenden Fragestellungen über die Arzneimittelforschung bis zu vorklinischer Bildgebung und zur klinischen Umsetzung reichen.


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Quelle:
Pressemitteilung vom 30. Juni 2009
Presse Helmholtz-Gemeinschaft
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veröffentlicht im Schattenblick zum 2. Juli 2009