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MELDUNG/135: Der Rhein - 5 Millionen Jahre älter als gedacht (idw)


Senckenberg Forschungsinstitut und Naturmuseen - 16.05.2012

Der Rhein: 5 Millionen Jahre älter als gedacht - Alter des Flusses anhand von Fossilien korrigiert



Frankfurt am Main / Tübingen, den 16.05.2012. Wissenschaftler des Senckenberg Center for Human Evolution and Palaeoecology (HEP) an der Universität Tübingen und des Senckenberg Forschungsinstitutes in Frankfurt haben das Alter des Rheins anhand von Fossilien untersucht. Sie kommen zu dem Ergebnis, dass der Fluss fünf Millionen Jahre älter ist, als bisher angenommen. Die zugehörige Studie erscheint heute im Fachjournal "PLoS ONE".

Der Rhein ist kein Unbekannter in Europa - auf seiner Reise zur Nordsee durchfließt er die Schweiz, Österreich, Deutschland und die Niederlande. Darüber hinaus umfasst das Einzugsgebiet des etwa 1.233 Kilometer langen Fließgewässers fast ganz Luxemburg sowie kleine Teile Belgiens, Frankreichs, Lichtensteins und Italiens. So bekannt der Fluss auch ist, sein Ursprungs-Alter ist nach wie vor umstritten.

"Bisher ist man davon ausgegangen, dass der Ur-Rhein etwa zehn Millionen Jahre alt ist", erklärt Prof. Madelaine Böhme, Erstautorin der Studie und Leiterin der HEP-Arbeitsgruppe "Terrestrische Paläoklimatologie", und fährt fort: "Aufgrund unserer Untersuchungen an Fossilien einer Fundstelle nahe Sprendlingen gehen wir aber davon aus, dass der Fluss mindestens fünf Millionen Jahre älter ist."

Die Säugetierfossilien im Raum Sprendlingen und Eppelsheim gelten unter Wirbeltier-Paläontologen seit 200 Jahren als Maßstab für das Neogen - die Zeitspanne vor etwa 23 Millionen bis etwa vor 2,5 Millionen Jahren. Weltberühmt wurden die Fundstellen durch den weltweit ersten Fund eines fossilen Affen (1822) und die wissenschaftliche Erstbeschreibung von 19 großen Säugetierarten im frühen 19. Jahrhundert.

Die zeitliche Einordnung der dort zu findenden Dinotheriensande - die neben den namensgebenden Zähnen und Knochen des Rüsseltiers Dinotherium zahlreiche andere Fossilien enthalten - war schon häufig Gegenstand der wissenschaftlichen Diskussion.

"Wir haben deshalb eine neue Probe mit über 300 Säugetierfossilien, Blättern und versteinerten Hölzern untersucht. Dabei haben wir Zähne und Knochen verschiedener Hirscharten gefunden, die in Zentraleuropa allesamt zu Beginn des mittleren Miozän - also der Zeit zwischen 14 und 16 Millionen Jahre vor heute - lebten.", erläutert Böhme. "Die Ergebnisse aus den Untersuchungen von fossilen Pflanzenresten, die unter- und oberhalb der säugetierführenden Fundschichten gefunden wurden, bekräftigen unsere Schlussfolgerungen."

Die Resultate haben unmittelbare Folgen für das Verständnis der Entwicklung des Mainzer Beckens und des Oberrheingrabens in der Erdgeschichte. Da die Funde aus den ältesten bekannten Ablagerungen des Rheins stammen, muss dieser ebenfalls mindestens fünf Millionen Jahre älter sein.

Die Schlüsse der Senckenberger Wissenschaftler wirken sich auf die gesamte chronologische Einordnung der Tier- und Pflanzenumwelt des mittleren bis späteren Miozäns aus - galten die Fundstellen rund um Sprendlingen doch bisher als zeitlicher Fixpunkt für Paläontologen.

Publikation
Madelaine Böhme, Manuela Aiglstorfer, Dieter Uhl, Ottmar Kullmer (2012): The Antiquity of the Rhine River: Stratigraphic Coverage of the Dinotherien-sande (Eppelsheim Formation) of the Mainz Basin (Germany), PLoS ONE, http://dx.plos.org/10.1371/journal.pone.0036817

Die Erforschung von Lebensformen in ihrer Vielfalt und ihren Ökosystemen, Klimaforschung und Geologie, die Suche nach vergangenem Leben und letztlich das Verständnis des gesamten Systems Erde-Leben - dafür arbeitet die SENCKENBERG Gesellschaft für Naturforschung. Ausstellungen und Museen sind die Schaufenster der Naturforschung, durch die Senckenberg aktuelle wissenschaftliche Ergebnisse mit den Menschen teilt und Einblick in vergangene Zeitalter sowie die Vielfalt der Natur vermittelt. Mehr Informationen unter www.senckenberg.de.

Die Forschungsschwerpunkte der im Jahr 1477 gegründeten Universität Tübingen sind: Integrative Neurowissenschaften; Translationale Immunologie und Krebsforschung; Mikrobiologie und Infektionsforschung; Molekularbiologie; Sprache und Kognition; Medien und Bildung; Geo- und Umweltforschung; Archäologie und Anthropologie. An der Universität Tübingen sind knapp 26.000 Studierende aus dem In- und Ausland eingeschrieben. 400 Professoren und mehr als 4.000 Wissenschaftler lehren und forschen an sieben Fakultäten. Derzeit sind fünf Sonderforschungsbereiche, sechs Sonderforschungsbereiche Transregio, fünf Graduiertenkollegs und das Exzellenzcluster: Werner-Reichardt-Centrum für Integrative Neurowissenschaften (CIN) an der Universität Tübingen angesiedelt.

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Senckenberg Forschungsinstitut und Naturmuseen, Judith Jördens, 16.05.2012
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veröffentlicht im Schattenblick zum 19. Mai 2012