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FORSCHUNG/202: Woher kommen der Regen und das schöne Wetter? (research*eu)


research*eu Nr. 55 - Januar 2008
Magazin des Europäischen Forschungsraums

Woher kommen der Regen und das schöne Wetter?

Matthieu Lethé


Heutzutage sind die Wetternachrichten im Fernsehen mit vielen aussagekräftigen Piktogrammen ausgeschmückt. Im Bruchteil einer Sekunde kann sich der Zuschauer ein präzises Bild des Wetters von morgen oder übermorgen machen. Aber hat er auch nur ansatzweise verstanden, warum sich das Wetter so entwickeln wird? Nichts ist ungewisser. Ein kurzer Blick auf die Funktionsweise unserer Atmosphäre.


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Es entspricht einer allseits bekannten Beobachtung, dass sich, wenn man mitten im Winter ein Fenster öffnet, die kalte Luft an Warmluftzonen niederschlägt. Hierbei handelt es sich um ein wesentliches thermodynamisches Prinzip, mit dessen Hilfe die Meteorologen in der Lage sind, das aktuelle Wetter zu verstehen, zu erklären und es vorherzusagen. Da Warmluft leicht ist, steigt sie auf und macht so der Kaltluft Platz, die, da sie eine höhere Dichte besitzt, an der Erdoberfläche bleibt und sich im freien Raum ausbreitet.

Auf der ganzen Welt folgt die atmosphärische Zirkulation diesem Grundprinzip. Die großen Luftmassen, die überall um den Globus präsent sind und die sich jeweils durch ein homogenes Maß an Temperatur und Feuchtigkeit auszeichnen, verlagern sich und kämpfen wegen ihrer unterschiedlichen Dichte (und damit wegen des Drucks) um den Vorrang.


Das Spiel der Kräfte

Auf dem europäischen Kontinent wird das Wetter von fünf großen Luftmassen beeinflusst: der arktischen Polarluft, der marinen Polarluft, der kontinentalen Polarluft, der marinen Tropikluft und der kontinentalen Tropikluft. Die Luftmassen sind in ständiger Bewegung. Diese Dynamik wird vor allem durch zwei Kräfte bestimmt: die Kraft des Druckgradienten und die Corioliskraft. Über die Kraft des Druckgradienten haben wir bereits gesprochen: Sie resultiert aus der Differenz des Druckes zwischen zwei Punkten und zwingt die Luftmassen zu einer Bewegung, die vom Hochdruck zum Tiefdruck führt. Diese Kraft ist der Ursprung der Luftmassenbewegung. Ohne sie wäre die Atmosphäre vielleicht unbeweglich, ohne den kleinsten Wind. Die Corioliskraft, die durch die Erdrotation verursacht wird, lenkt die sich in Bewegung befindlichen Partikel von ihrer Anfangsbewegung nach rechts auf der Nordhalbkugel und nach links auf der Südhalbkugel ab. Diese Corioliskraft erzeugt die wirbelartige Erscheinungsform der Tiefs, die auf den Satellitenbildern sehr gut zu erkennen ist.

Kombiniert man diese beiden Kräfte, erhält man ein Konzept der Luftmassenbewegungen auf der Nordhalbkugel: Sie drehen sich im Uhrzeigersinn um die Hochdruckzonen und gegen den Uhrzeigersinn um die Tiefdruckzonen.

Auf gleicher Höhe haben zwei unterschiedliche Luftmassen notgedrungen einen unterschiedlichen Druck. Wenn sie aufeinandertreffen, entwickeln sich - bedingt durch das Kräftespiel - Bewegungen zwischen ihnen. Man sieht dann, wie sich Wetterfronten bilden. Man spricht von einer "Kaltfront", wenn eine kalte Luftmasse auf eine warme Luftmasse trifft. Nach dem Prinzip der Thermodynamik schiebt sich die Kaltluft unter die Warmluft, die dann aufsteigt. Im Gegensatz dazu spricht man von einer "Warmfront", wenn sich eine warme Luftmasse auf eine kalte Luftmasse zubewegt und diese überlagert. In beiden Fällen sind die Fronten der Ursprung eines Tiefs. Diese Frontentiefs gehen oft mit Störungen in der Wettervorhersage des betroffenen Gebiets einher.


Reise eines Luftpartikels

In einem Tief bewegt sich die Warmluft an der Erdoberfläche nach oben und kühlt gleichzeitig nach den Gesetzen der adiabatischen Transformation ab. Dieser thermische Veränderungsprozess mit dem etwas sperrigen Namen ist auf die einzelnen Druckvariationen der Luft zurückzuführen: Ähnlich wie beim komprimierten Gas, das man aus der Gasflasche entweichen lässt, dehnt sich die Luft beim Aufsteigen aus und kühlt ab. Umgekehrt wird die Luft, wenn sie wieder sinkt, durch den atmosphärischen Druck wieder komprimiert und erwärmt sich, genauso wie die Luft, die man beim Aufpumpen in einen Reifen drückt. Diese adiabatischen Veränderungen, die ohne Temperatur austausch mit der Umgebung auftreten, ziehen eine Temperaturveränderung in der Größenordnung von 1°C pro 100 Höhenmetern nach sich.

Aber je mehr sich die Luft bei ihrem Aufstieg abkühlt, desto geringer wird ihre Fähigkeit, Wasserdampf zu speichern. Wenn jeder Luftpartikel [1] Wasserdampf enthält, so hängt die Höchstmenge des aufgenommenen Dampfes von seiner Temperatur ab. Wenn diese Menge erreicht ist, ist das Luftpartikel gesättigt und der Wasserdampf kondensiert zu winzigen Tröpfchen um den Kondensationskern - das sind feste Partikel, die in der Luft schweben - und bildet Wolken. So liegt bei einem trockenen Luftpartikel bei 25°C der Sättigungsgrad bei 27,4 g Wasserdampf pro 1 kg Luft. Aber bei 15 °C liegt der Sättigungsgrad nur noch bei 14,8 g. Nun ist es verständlich, dass bei der Abkühlung in einem Tiefdruckgebiet die Fähigkeit der Luft, Wasserdampf zu speichern, in der Aufstiegsphase abnimmt und der Überschuss an Dampf unter Wolkenbildung kondensiert. Wenn früher oder später die Tröpfchen in einer Wolke infolge mikroskopisch kleiner komplexer Prozesse eine gewisse Größe erreicht haben, bilden sich Niederschläge.

Verfolgt man den Weg der Luftpartikel nach ihrem Aufstieg im Tief weiter, stellt man fest, dass sich die Luftmassen in der Höhe ausdehnen. Jetzt dehnen sie sich horizontal aus und treffen mit den Zipfeln der Hochdruckgebiete zusammen, die Antizyklone genannt werden. Dann sinken die kalten und dicht gewordenen Luftpartikel wieder ab und unterliegen dem Erwärmungseffekt der adiabatischen Verdichtung. Nahe der Erdoberfläche sind die Luftpartikel dann wieder erwärmt und leicht. Unter dem Druck der noch kalten, absteigenden Luftmassen wandern sie dann horizontal zu den Tiefdruckzonen und nehmen ihren Weg, im Tiefdruckgebiet aufzusteigen, wieder auf.

Das Wetter in Hochdruckgebieten ist in der Regel trocken und freundlich, denn die sich erwärmende Luft kann immer mehr Wasserdampf aufnehmen, sodass sich hier keine Wolken bilden können, mit Ausnahme von extremen Wetterlagen.


Die unglaubliche Anfälligkeit der Vorhersagen

Aufbauend auf fast einem Jahrhundert gesammelter Erfahrungen können die Meteorologen mehr oder weniger genaue Wettervorhersagen machen. Wenn man Feuchtigkeits-, Temperaturund Luftdruckparameter von mehreren aneinandergrenzenden Luftpartikeln [2] kennt, kann man die Gesetze der Thermodynamik und der Strömungsmechanik auf sie anwenden. Dann kann man das Wetter berechnen, das an einer bestimmten Stelle herrschen wird, wenn die Luftpartikel die Stelle erreicht haben. Dies ist genau das, was die Meteorologen und ihre Rechner täglich machen.

Aber die Dinge sind natürlich nicht ganz so einfach. Denn in einem Luftpartikel sind die Parameter niemals völlig gleich, wo auch immer die Trennlinie sein mag. Dort liegt also eine nicht zu vernachlässigende, immer präsente Fehlerquelle, da es sachlich nicht möglich ist, die Parameter eines jeden atmosphärischen Moleküls in jedem Augenblick zu analysieren, und das um den ganzen Planeten.

Diese Schwierigkeit hat eine ganz andere Tragweite, wenn man weiß, dass die Erdatmosphäre im Sinne der mathematischen Gesetze chaotisch ist. Das bedeutet, dass die kleinste Veränderung bei den Ausgangsbedingungen der Berechnung letztlich ganz verschiedene Situationen hervorrufen kann. Wenn die Analyse eines Luftpartikels ungenau ist, kann das die ganze Vorhersage verfälschen. Edward Lorenz, ein amerikanischer Meteorologe, umschrieb im Jahr 1963 das atmosphärische Chaos mit der Äußerung, dass der Flügelschlag eines Schmetterlings in Brasilien durch die Luftbewegung, die er erzeugt, einen Tornado in Texas auslösen könnte. Mit anderen Worten und äußerst vereinfacht kann man sagen, dass man diesen Flügelschlag in Betracht ziehen muss, wenn man den Tornado in Texas voraussagen will!


Die Datensammlung, das Meisterstück der Vorhersage

Die Beobachtung der Ausgangssituation hat in den Augen des Meteorologen eine besondere Bedeutung. Eine verzerrte Basisinformation führt zu einer Vorhersage, die langfristig stark von der Realität abweicht. In dieser Hinsicht hat die Meteorologie immer weitere Fortschritte gemacht. Am Anfang waren die Instrumente, die man zur Messung des Atmosphären zustandes einsetzte, eine vereinfachte Version der Instrumente, die man auch heute noch in den etwa 12 000 Bodenwetterstationen benutzt: das Thermometer für die Temperatur, den Regenmesser für die Niederschläge, Windfahne und Windmesser zur Bestimmung der Windrichtung und -geschwindigkeit, das Barometer für den Druck, das Hygrometer für die Luftfeuchtigkeit, das Luxmeter für die Intensität der Sonneneinstrahlung.

Zu diesen 12 000 Bodenstationen muss man ungefähr 800 Meeresstationen hinzurechnen, die an festen Bojen oder Strömungsbojen angebracht sind. Aber diese Stationen haben den Nachteil, dass sie Messungen höchstens einige Meter über dem Boden bzw. dem Meeres spiegel durchführen können. Um dieses Problem zu umgehen, haben die Meteorologen die Wetter-Sonden erfunden, eine Art Wetterstation, die an einem Ballon hängt. Dieser wird in die Luft aufgelassen und fliegt mit dem Wind. Die mit einem Sender und einem GPS ausgestattete Station sendet alle zehn Sekunden Informationen in Echtzeit sowohl über den Zustand ihrer Umgebung als auch zu ihrer Position. Der Ballon ist im Allgemeinen mit Wasserstoff gefüllt und steigt mit einer Geschwindigkeit von annähernd 5 m pro Sekunde auf. In ungefähr 30 000 m Höhe ist der Unterschied zwischen Außen- und Innendruck so groß, dass er platzt. Die Sonde hat dann ihre Arbeit getan und fällt auf die Erde zurück. Ihr Sturzflug wird durch einen kleinen Fallschirm an Bord abgebremst.

Großer Schwachpunkt der Wettervorhersage: die Niederschläge. Obwohl sie noch nicht perfekt sind (siehe Seite 14-16), haben Wetterradare dennoch große Fortschritte ermöglicht. In regelmäßigen Intervallen von 5-10 min senden sie elektromagnetische Wellen aus, die, wenn sie auf Niederschläge treffen, je nach Größe und Intensität des Niederschlagsgebietes mit unterschiedlicher Intensität reflektiert werden. An dieser reflektierten Welle kann der Meteorologe dann den Niederschlagstyp, seine geografische Position und die Richtung, in der sich das Niederschlagsgebiet bewegt, erkennen.


Ein Riesenschritt für die Wettervorhersage

Der wichtigste Schritt für die Meteorologie wurde zweifellos in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts mit der Einführung der Satelliten gemacht. Diese sind entweder geostationär (in 35 800 km Höhe überfliegen sie immer die gleiche Stelle) oder sie überfliegen in etwa 1 000 km Höhe den Planeten und nehmen Streifen von einer Breite von mehreren tausend Kilometern auf. Mit diesen Satelliten kann die Atmosphäre in der Gesamtschau beobachtet werden. An Bord sondieren Radiometer und Interferometer ähnlich wie Radare die verschiedenen Schichten der Atmosphäre bis hinunter zur Erdoberfläche im sichtbaren Spektrum - zur Beobachtung der Wolkenposition -, im Infrarotspektrum - zur Beobachtung der Temperaturen - und im "Wasserdampf"-Spektrum - zur Beobachtung der Luftfeuchtigkeit.

Mit Eumetsat steht die Europäische Union an der Spitze der alten Satelliten-Meteorologie. 1977 wurde der erste Satellit Meteosat1 gestartet. Heute ist man bei Meteosat9 angekommen, dessen Mission 2005 begann und 2014 beendet sein wird. 2006 ist der erste europäische Satellit mit einer polaren Umlaufbahn, MetOp-A, vom Weltraumbahnhof in Baïkonour aus gestartet. Zwei weitere werden in den kommenden acht Jahren folgen. Zusammen tragen die meteorologischen Satelliten zum weltweiten System der Atmosphärenbeobachtung bei, das von der Weltorganisation für Meteorologie errichtet wurde.

Da die Atmosphäre keine Grenzen kennt, dient diese internationale Kooperation auf weltweiter Ebene mehr als je zuvor dem Verständnis der meteorologischen und, holt man etwas weiter aus, auch dem Verständnis der klimatischen Herausforderungen.


Anmerkungen

[1] Ein Luftpartikel ist eine mehr oder weniger beschränkte Volumenmenge der Atmosphäre, in der die Parameter Temperatur, Luftdruck und Luftfeuchtigkeit als homogen angesehen werden.

[2] Die Meteorologen nehmen an, dass die Atmosphäre in ihre drei Dimensionen parzelliert ist und in zahlreiche "Schachteln". Je nach der zu erreichenden Vorhersagegenauigkeit sind diese Schachteln mehr oder weniger groß. Sie variieren von wenigen Kilometern bis zu einigen hundert Kilometern Kantenlänge und mehreren Dutzend Kilometern Höhe.


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Quelle:
research*eu Nr. 55 - Januar 2008, Seite 8-10
Magazin des Europäischen Forschungsraums
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veröffentlicht im Schattenblick zum 7. Juni 2008